Mittwoch, 12. Dezember 2018

Irrelavant Dance Music





Ja ich weiß, ich schreibe viel zu wenig über Electronica. Von den knapp 250 Posts, die es 2018 von mir gibt, sind gerade mal zehn Stück Besprechungen zu elektronischer Musik im tatsächlichen Sinne. Ein Anteil, der gemessen an meiner Obsession für eine Vielzahl von Genres, die damit zu tun haben, eigentlich überhaupt nicht gerechtfertigt ist. Wofür es zwei Hauptgründe gibt: Zum einen der, dass ich solche Sachen meistens nicht ganz so sehr im analytischen Kontext höre wie Rockmusik, Hiphop oder R'n'B. Gerade im Bereich der soganannten "Electronic Dance Music" geht es mir selten darum, von wem und auf welchem Album nun ein bestimmter Track ist, der von eine*m DJ* aufgelegt wird, sondern darum, ob man dazu tanzen kann. Auf der anderen Seite des rhythmischen Spektrums ist es mit Ambient-Chillout und LoFi-Beats dasselbe in Grün. Woraus auch der zweite Grund folgt: Das LP-Format ist für solche Musik meistens nicht das optimale. Wo früher knapp gehaltene Seven-Inches das Gefühl von Electronica am besten transportieren, sind es seit der MP3-Revolution fertige Sets, die gerne Mal bis zu fünf Stunden gehen, oder am besten gleich Radio-Livestreams direkt vom Turntable. Wenn ich mich mal wirklich für ein Elektro-Album interessiere, dann meistens von Künstler*innen mit Crossover-Potenzial wie Tim Hecker oder Mainstream-Phänomenen wie Aphex Twin. Ein wirklich rein durch seine Musik spannendes Projekt, obwohl dies nicht selten vorkommt, dringt leider sehr selten zu mir durch. So wie zum Beispiel die neue Platte von Objekt. Der Produzent aus Berlin ist schon seit einer ganzen Weile unterwegs und so wie es scheint ein richtiger Soundtüftler ohne Crossover-Ansprüche. Seine Musik ist elend komplizierter Brachial-Ambient mit einem immens hohen Einstiegslevel, das irgendwo zwischen Arca und Autechre angesiedelt ist. Will heißen: Clubmusik ist das hier absolut nicht und auch mit dem Konsens-Format Album hat sich Objekt bisher schwer getan. Es gibt ein einziges, Flatland von 2014, ansonsten nur einen wüsten Dschungel von fünf- bis dreißigminütigen Vinyl-Only-Releases, für die sich kein Mensch interessiert. Cocoon für seinen Teil ist eine dreiviertelstündige Werkschau aus dem Ouevre des Berliners in den letzten vier Jahren und daher auch einigermaßen abwechslungsreich. Es gibt hier einigermaßen entspannte, mitunter atmosphärische Klangbauten wie Runaway oder Lost & Found, die durchaus ein bisschen an Aphex Twin erinnern, sehr rhythmische und unterkühlte Post-Industrial-Kunstwerke, die Punkte für seine Berlin-Credibility einfahren, aber auch total avantgardistische Klötze wie Rest Yr Troubles Over Me, die ins Gruselkabinett des Electronica gestellt gehören. Einige Stücke sind dabei klanglich verbunden oder bilden symbiotische Konstrukte, zum größten Teil stellt Objekt sie aber einfach nur vor. Cocoon hat dabei durchaus etwas von einer Compilation, dann aber wenigstens von einer sehr kohärenten. Man merkt schon, dass es ein und derselbe Typ war, der sich hier durch die Stil-Bibliothek des Warp-Katalogs geschnarcht hat und dabei von überall ein bisschen was herausgepickt hat. Und obwohl das, was dabei herauskommt, nicht unbedingt das originellste der Welt ist, ist es doch ein sehr ansprechendes Hörerlebnis. Es zeigt, dass abstrakter Electronica 2018 lange kein Schocker mehr ist und sich diese Art von digitaler Avantgarde inzwischen ein bisschen standartisiert hat. Klar, Cocoon ist noch immer sehr weit weg von Easy Listening und wird es sicher auch niemals sein, aber es ist a) nicht mehr neu und b) so gewöhnlich geworden, dass man dafür applaudieren kann, ohne zu hinterfragen. Und damit zwar nicht übel, aber eben auch ein klein wenig uninteressant. 2018: Die Avantgarde frisst ihre Kinder.

Persönliche Highlights: Lost & Found (Lost Mix) / 35 / Rest Yr Troubles Over Me / Runaway / Secret Snake / Lost & Found (Found Mix)

Nicht mein Fall: -

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen