Dienstag, 4. Dezember 2018

Großer kleiner Peep





















Eigentlich bin ja inzwischen einer von diesen Leuten, die jeder ehrliche Fan von Lil Peep wie die Pest hassen sollte. Die Art von Typ, die sich einen feuchten Dreck um seine Musik scherte, als dieser noch lebte, aber nach seinem Tod im letzten Jahr plötzlich doch ein ziemlich großes Interesse an ihm hatte. Zu meiner Verteidigung kann ich sagen, dass das tatsächliche Ableben dieses jungen Mannes, so tragisch es auch ist, für mich lediglich eine Anstoßfunktion hatte. Denn hätte ich seinem Output schon davor eine ernsthafte Chance gegeben, ich hätte es sicher auch da gemocht. Nur war es zu diesem Zeitpunkt keineswegs so klar abzusehen, dass Lil Peep so wenig später ein dermaßen einflussreicher Künstler werden würde. Als sein kommerzielles Debüt Come Over When You're Sober im letzten Sommer erschien, war er lediglich einer von vielen jungen MC*s, die sehr unvermittelt und in großer Zahl auf der Bildfläche auftauchten, außerdem war sein Ansatz des Emorock-inspirierten Cloudrap zu diesem Zeitpunkt ein absolutes Nischenphänomen. Dass es nur wenige Monate später die Charts dieser Welt dominieren würde und dass jemand wie Peep als der originale Visinär jenes Mikrogenres angesehen werden würde, hätte man beim besten Willen nicht vorhersagen können. Rückblickend ist es fast witzig, wie letztes Jahr stattdessen alle dachten, Lil Yachty würde der neue Shooting Star des Traprap werden. Ein durchaus sehr gutes Debüt wie Come Over When You're Sober wurde dafür auch von mir selbst belächelt. Im Nachhinein eine extrem verkürzte Reaktion, denn wie man sieht, hat die Platte tatsächlich einen immens prägenden Charakter entwickelt. Emo und Trap zu fusionieren, erschien noch 2017 schlichtweg als so absurde Idee, dass ich den meisten, inklusive mir, unterstelle, zuerst gar nicht richtig zugehört zu haben, wie clever diese beiden Stile bei Lil Peep zusammenfanden. Wie er eine ganz neue, sensible Rohmasse im Hiphop entwickelte, die vielleicht ein bisschen naiv daherkam, aber genau das reflektierte, weshalb ich mit 14 Nirvana so geil fand. Und wenn man die Idee, die er vor gar nicht so langer Zeit mit Come Over When You're Sober lieferte, mit dem vergleicht, was inzwischen Leute wie Princess Nokia oder Juice WRLD machen, ist er nicht nur ein krasser Impulsgeber, sondern auch als Songwriter herausragend. Leider musste Lil Peep erst das zeitliche segnen, damit ich zu dieser Erkenntnis kommen konnte. Dass ich nun über dieses posthume Album ausführlich schreibe, ist da auch nur ein schwacher Trost. Denn obwohl es durchweg die kreative Messlatte hochhält, die der Rapper mit seinem Debüt setzen konnte, ist es ganz offensichtlich nur die Nachwehe des ersten Teils von COWYS. Ich bin mir dessen natürlich nicht hundertprozentig sicher, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die meisten hier genutzten Aufnahmen recycletes Material aus den Sessions vom Debüt sind und der Plan, dieses zum nun existierenden "Part Two" des Vorgängers zu machen, erst nach Peeps Tod gefällt wurde. Vieles an dieser LP erscheint wie reines Label-Marketing und dass mit den tragischen Geschicken von Stars der kaufkräftigen Teenie-Zielgruppe vor allem Schotter gemacht wird, hat sich seit den Siebzigern nicht geändert. Dennoch wäre es in meinen Augen falsch, dieser Platte irgendeine Form von "Grabräuberei" vorzuwerfen. Denn so, wie sie letztendlich gestaltet wurde, ist sie wesentlich mehr dem künstlerischen Andenken von Peep verpflichtet als der kommerziellen Ausrichtung. Man hätte es sich hier einfach machen können, indem man über die eingesungenen Bars ein paar billige Beats haut, sich für jeden Track fünf bezahlte Gastrapper*innen ins Studio holt und am besten noch eine B-Seite mit Remix-Versionen vom Debüt dazupackt. Die Kids hätten Columbia die Bude eingerannt. Stattdessen hält man sich hier klanglich sehr an die Performance des Verstorbenen, lässt sich ähnlich filigrane und clevere Instrumentals einfallen wie auf dem Debüt und verzichtet komplett auf Features (lediglich die Deluxe-Variante bekommt zwei Bonustracks, auf denen jeweils iLoveMakkonen und XXXtentacion zu hören sind). Als posthumes Projekt ist COWYS2 so würdevoll, wie es ein Album eines Anfang Zwanzigjährigen Cloudrappers mit Gesichtstattoos und Texten über lila Sprite und Tourbus-Quickies nur irgendwie sein kann. Soll heißen: Wäre Peep noch am Leben, er hätte stilistisch vermutlich ähnliche Entscheidungen getroffen. Und das ist es letztendlich auch, was hier die Schönheit ausmacht: Diese LP ist Fanservice, aber wenigstens gut gemachter. Wenn man das mit dem vergleicht, was man damals mit Michael Jacksons Archivmaterial gemacht hat, kann man hier schon sehr froh sein. Auch wenn der King of Emo-Trap sicherlich spätestens dann in Ruhe gelassen wird, wenn der sensible Trend im Hiphop verfliegt. Was höchstwahrscheinlich im Frühjahr 2019 der Fall sein wird.






Persönliche Highlights: Broken Smile (My All) / Sex With My Ex / Cry Alone / IDGAF / Fingers

Nicht mein Fall:16 Lines

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