Sonntag, 2. Dezember 2018

Schnelldurchlauf: November 2018 (Opeth, Steven Wilson, Touché Amoré, Dead Can Dance, Hildegard von Binge Drinking und und und)

Hoppla, da haben wir plötzlich schon wieder den Dezember und damit so ziemlich das Ende der diesjährigen CWTE-Saison erreicht. Und da eine Rubrik wie diese Anfang Januar 2019 sowieso keine Sau interessieren wird, ist es ziemlich sicher, dass dieser Post hier der letzte oder vorletzte Schnelldurchlauf für das alte Jahr ist. Dass Dezember ist, heißt aber auch, dass in der Welt der Labels und Plattenläden inzwischen ganz offiziell das Weihnachtsgeschäft angefangen hat und es wieder jede Menge Produkte gibt, die ganz unverblümt auf die Kaufkraft der Festkundschaft abzielen. Und weil die Rammstein-Karten dann doch ziemlich schnell alle waren, sind es vor allem zwei Live-LPs, die ich für den Moment als Trostpreis empfehlen kann. Eine davon kommt dabei ausgerechnet von Steven Wilson, über den ich ja immer sehr gern ein bisschen lästere, aber der mit Home Invasion: In Concert at Royal Albert Hall eine überaus solide Platte fabriziert hat. Es ist eine Sache, dass die Aufzeichnung an einem der prestigeträchtigsten Orte für solche Konzerte stattfindet und eine andere, was für einen Marathon der Brite darin abliefert. Fast zweieinhalb Stunden Material liefert wilson hier ab, darunter nur sehr wenige Porcupine Tree-Nummern. Was vor allem bedeutet, dass er inzwischen auch ausschließlich mit seinem Solo-Material eine überzeugende Show stehen und sein Publikum mitreißen kann. Das macht Home Invasion sicher zu einer LP für den fortgeschrittenen Wilson-Fan, aber für diejenigen ist es ein kleines Fest. Wobei für die gleiche Zielgruppe auch ein weiterer Konzertmitschnitt interessant sein dürfte. Mit Garden of the Titans (Live at Red Rocks Amphitheatre) bringen die Schweden von Opeth auch ähnlich überzeugende Argumente für einen Kauf mit: Eine legendäre Location, gut anderthalb Stunden Material von einem einzigen Abend und ein Set, das auch trotz weniger Klassiker echt klasse ist. Wenn man mich fragt, sind bei ihnen auch der Sound, die aufgegriffene Atmosphäre und natürlich die Stücke an sich eine ganze Ecke geiler und sie müssen sich trotz des Sets nicht den Vorwurf gefallen lassen, nur ihre wirklich treuen Fans glücklich zu machen. Am Ende kann ich aber beide Platten generell empfehlen, im Gegensatz zur neuen LP von Touché Amoré, die zu ihrem zehnjährigen Jubiläum ebenfalls ein neues Live-Album präsentieren. Aber auch wenn ihr Mitschnitt gerade mal eine gute Stunde geht und eigentlich echt gut anfängt, merkt man hier schnell, wie wenig Variation in ihren Songs auf Konserve rüberkommt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Hardcore-Waver aus Michigan an sich keine schlechten Shows spielen, allerdings ist das hier ein eher doofes Format dafür. Entweder muss man wirklich dabei gewesen sein oder sollte zumindest ein visuelles Dokument beigefügt kommen, denn für sich werden die fast 30 Tracks hier schnell langweilig. Ein Problem, das ich leider auch mit Hildegard von Binge Drinking immer hatte. Auf der Bühne sind die Würzburger für mich eine der besten Gruppen Deutschlands, die man sich unbedingt mal angucken sollte. Wenn es jedoch um ihre Studioalben geht, wie beispielsweise das neue Infinity, geht, enttäuschen sie mich eher. Eine schlechte Platte ist das ganze Ding nicht, aber es ist sehr einfach gestrickter und gewöhnlicher Elektropop, der in keinster Weise das exzessive und überzogene Element ihrer Performances wiedergibt. Und nachdem das nun schon beim vierten Album so ist, denke ich ehrlich gesagt nicht, dass dieser Fluch so schnell abklingt. Schade eigentlich. Jemand, der sich ebenfalls am Elektro vergriffen hat, war vor ein paar Wochen Neneh Cherry, die es für eine gute Idee hielt, ihre neue LP Broken Politics von Four Tet produzieren zu lassen. An sich auch nicht blöd, denn der Londoner Beatbastler ist nun wirklich alles andere als untalentiert. Zu Cherrys gehauchtem, zerbrechlichen Indie-Soul-Jazz-Kram passt seine Ästhetik aber eher so gar nicht. Das Ergebnis hier ist in vielen Teilen eine gewollt experimentelle, unfokussierte und pseudointellektuelle Arbeit, die absolut keine Energie mitbringt. Weder von der Sängerin noch vom Producer. Auch das zuletzt viel gepriesene Album von Molly Nilsson namens 2020 ließ mich dieser Tage eher kalt. Sicher, die Schwedin schreibt hier einige ziemlich coole New Wave- und Synth-Nummern, als gesamtes Album klingt das ganze aber schon ziemlich monoton und ideenlos. Landsmann Yung Lean, den ich zuletzt noch als letzten wirklich coolen First Generation-Cloudrapper feierte, verstolpert sich auf seiner neuen Platte in eine ganz andere Richtung. Angefixt von der experimentellen Richtung, die bei seiner letzte LP so gelungen daher kam, geht er auf Poison Ivy den entscheidenden Schritt zu weit in Richtung Avantgarde, für die er am Ende doch noch nicht verkunstet genug ist. Die Songs hier klingen wie genölter Jammer-Rap mit Instrumentals der dritten Wahl von James Ferraro, resultieren also in seinem bisher eindeutig schwächsten Album. Eine Kategorisierung, die man bei ihm wenigstens noch vornehmen kann. Welche Platte das beispielsweise bei Lil Yachty ist, ist schon lange mehr klar auszumachen. Sein neues Mixtape namens Nuthin 2 Prove fällt aber eher unter die Rubrik "langweilig, aber erträglich". Hier erlebt man die typische Mischung aus minimalistischen Beats, eintönigen Texten und dem drögen Flow des Rappers, der ihn früher so cool und kurz danach sehr schnell sehr uncool machte. Dass wir von ihm noch das kreative Hiphop-Album kriegen, dass unter Umständen ja doch noch in ihm steckt, wage ich inzwischen zu bezweifeln. Dazu hätte ich mit diese neue Platte ebensowenig anhören müssen wie White Bronco von Action Bronson, der mich auf musikalischer Ebene ebenfalls komplett verloren hat. Bei ihm ist das Rappen in den letzten Jahren ohnehin eher ein Nebenverdienst geworden, seitdem er sowas wie der beliebteste Fernsehkoch und Food-Tuber der Welt geworden ist, was er in meinen Augen auch um Welten besser macht. Also kann er das mit der Musik von mir aus auch ganz lassen. Genauso wie Razorlight, die für ihr neues Album Olympus Sleeping erstmals seit zehn Jahren wieder aus der Versenkung gekrabbelt sind. Den Umstand, dass sie schon immer die Nickelback des Indiepop waren, versuchen sie dabei in vielen Songs ironisch anzuspielen, was nur theoretisch eine gute Idee war. Praktisch klingt es eher wie ein Versuch, auch noch das letzte bisschen Relevanz aus dieser Band rauszupressen, weil selbst ein Best-Of dieser Tage ein Minusgeschäft für sie wäre. Da macht man es doch lieber gleich wie Ty Segall, der mit Fudge Sandwich nicht nur sein fünftes (!) Projekt in diesem Jahr veröffentlicht, sondern auch das zweite oder dritte Cover-Album seiner Karriere. Dass seine Interpretationen regelmäßig für Highlights sorgen, weiß ich spätestens seit seiner großartigen Version von Everyone's A Winner, diese LP nimmt sich nun diverse Acts von John Lennon über Neil Young bis zu Amon Düül II vor. Die Songs sind dabei nicht immer total revolutionär, aber zumindest meistens sehr unterhaltsam und gerade wenn man die Originale kennt und liebt, kann es sehr erfrischend sein, wie Segall hier um die Ecke denkt und mittlerweile definitiv mehr macht als nur Garagenrock. Wobei das mit den Ambitionen immer so eine Sache ist. Auch Georgia Anne Muldrow hat sich mit ihrer neuen LP Overload hohe Ziele gesteckt, wirkt aber am Ende eher ein bisschen unfokussiert und substanzlos. Ein bisschen erinnert mich die Platte an Dirty Computer von Janelle Monàe, das ähnlich zerfahren war und zu viele Dinge wollte, statt sich auf die simpelsten Songwriting-Elemente zu konzentrieren. Und wie dieses Album hätte das hier richtig gut werden können, wenn es ein bisschen bescheidener geblieben wäre. Einige ihrer Kreativschübe wäre Muldrow sicherlich gut an Laura Jane Grace losgeworden, die auf ihrem neuen Projekt Bought to Rot noch etwas zu sehr im Alternative-Klischee rumdümpelt. Die neue Band the Devouring Mothers versuchen verzweifelt, nicht zu sehr nach Against Me! zu klingen und vergessen dabei jede kompositorische Richtung, wodurch die meisten Tracks hier einfach nur super langweilig sind. Mit diesem Problem ist sie aber nicht ganz die einzige, denn auch Robyn kommt mit ihrer aktuellen LP Honey nicht so wirklich voran. Es war okay, mit Missing U zuletzt eine Leadsingle zu haben, die daran erinnerte, wie cool ihre Musik in den Nullern mal war, aber es sieht eher so aus, als hätte die Norwegerin einfach auch keine neuen Ideen. Die neun Stücke klingen wie die abgeschwächten Versionen ihrer alten Hits und Robyn hat Glück, das die stilistisch damals so zeitlos waren. Denn sonst wäre es nicht damit getan, dass die Platte einfach bloß langweilig ist. Etwas zeitloses hatte ich mir auch vom neuen Album von Dead Can Dance erhofft, die ich ja erst in den letzten Jahren so richtig zu schätzen gelernt hatte. Genauergesagt durch ihr 2012 veröffentlichtes Album Anastasis, das mir den weirden New Age-Folk-Elektro-Goth-Sound, den das Duo seit den Achtzigern spielt, endlich näherbrachte. Dionysus war nun ihr erstes Projekt seitdem, das unglücklicherweise wieder in alte Muster verfällt. Die Produktion ist lahm, die Instrumentals ekelhaft synthetisch und das Songwriting dröge. Da hilft auch das ausgeklügelte Konzept mit der griechischen Mythologie und den vielen exotischen Instrumenten nicht weiter. Es ist als Platte okay und für Fans der alten Sachen sicherlich nicht übel, ich bin aber eher wieder abgeneigt. Was schade ist, denn eigentlich hatte ich diesmal Bock auf diese Band. Um am Ende trotzdem noch eine Empfehlung auszusprechen: Die Fleet Foxes haben gerade eine Art Best-Of-Compilation veröffentlicht, auf der man zwar wenig neues und die besten Sachen außerhalb des Album-Kontexts hört, aber die dafür alle Hits auf einer Platte versammelt. Für diejenigen, die auf sowas stehen. Ich persönlich halte mich nach wie vor lieber an das klassische LP-Format und wenn es schon ein Christmas Special sein muss, dann tausendmal lieber eine Live-Platte. Auch wenn ich dafür ein einziges Mal Steven Wilson einem Robin Pecknold vorziehe.

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