Sonntag, 9. Dezember 2018

2018: Das Jahr in Konzerten


Ich war 2018 sicherlich nicht so viel auf Konzerten, wie ich es hätte sein wollen. Das liegt vor allem daran, dass ich auch nach wie vor nicht dafür bezahlt werde, das zu tun und leider allzu oft nicht die Zeit oder das Geld habe, meine Lieblingsbands zu sehen. Zusätzlich zu meiner bestehenden Antipathie gegenüber großen kommerziellen Festivals spült es mich so alle Jahre wieder auf die gleichen Verantstaltungen, wo man dann auch allzu oft wieder die gleichen Leute trifft. Wodurch sich in dieser Liste einige Wiederholungen ergeben haben, die im direkten Vergleich zu den letzten Jahren vielleicht auffallen. Aber Lieblingskünstler*in ist eben Lieblingskünstler*in und auch wenn ich sie teilweise schon zum dritten Mal in so einer Rubrik nenne, bei den meisten von ihnen stehen gefühlt immer noch zu wenige Leute vor der Bühne.

> 10.3.
> Conne Island, Leipzig
> KING GIZZARD & THE LIZARD WIZARD / MILD HIGH CLUB
Wenn ich den Conne-Gig von King Gizzard mit einem Wort beschreiben müsste, wäre dieses sicher "stressig". Denn die dick gefüllten zwei Stunden, in denen die Australier im nimmer endenden Schweinsgalopp-Groove einen zum bersten gefüllten Konzertsaal durchwalken, haben ganz und gar nichts mit Entspannung zu tun. Aber sowas erwartet man eigentlich auch nicht, wenn man die Platten dieser Band kennt, für die Rockmusik nach wie vor primär Action bedeutet. Und mit einem Repertoire von mittlerweile fast zehn Alben lassen sie auch an Vielfalt nicht zu wünschen übrig, inklusive all der Hits, die man von der Konserve kennt und liebt. An dieser Stelle auch ein erneutes Shoutout an die extrem guten Mild High Club, die für den Begriff der Vorband eigentlich schon zu sehr ein Teil des Gizzard-Multiversums sind.

> 6.4.
> Werk 2, Leipzig
> TOCOTRONIC
Tocotronic das erste Mal live zu sehen ist vom Gefühl her ein bisschen, wie auf eine Fan-Con zu gehen, die schon seit Jahrzehnten existiert. Das Altersspektrum ist extrem breit, viele gehen schon seit den Neunzigern hin und wenn ein Neuer dazukommt, wird er wärmend in den Kreis der Anhängenden aufgenommen. Abgesehen davon sind die Hamburger aber auch eine Konzertband, die zum Fan-Sein einlädt, mit einer nach wie vor beständigen Energie, hymnenartigen Songs, jeder Menge Charisma und einer wahrhaftigen Hingabe für jede einzelne Person, die an diesem Abend im Werk 2 ist. Und wo ich mit Neugier gekommen bin, gehe ich mit der Überzeugung, dass diesmal nicht das letzte Mal bleiben wird.

> 13.5. / 16.11.
> Atelier Vielfalt, Merseburg / Café Courage, Döbeln
> MY SISTER GRENADINE / HUND
Eine Person, die mich in Sachen Bühnenperformance 2018 sprachlos zurückgelassen hat, ist definitiv die Berliner Künstlerin Frieda Gawenda, die simultan in diversen musikalischen Projekten aktiv ist. Gleich zwei von denen habe ich dieses Jahr gesehen, beide Male in einem sehr überschaubaren und gerade deshalb schönen Rahmen. Wo My Sister Grenadine, ein vierköpfiges Indiefolk-Bandprojekt, vor allem durch eine extrem filigrane Klanglichkeit und einen faszinierenden Sound-Mikroorganismus begeistert, strahlt das Akustik-Duo Hund eher durch die fast theatrale Aufführungsweise der beiden MusikerInnen. Was beide Gruppen eint, ist dass sie mich ins Staunen versetzt haben und mich die Möglichkeiten, die auf einer Bühne ohne großes Verstärker-Brimborium gegeben sind, haben überdenken lassen. Und wenn ich eine Konzert-Empfehlung in diesem Jahr unbedingt weitergeben möchte, dann ist es eine dieser Bands.

> 6.7.
> Hühnermanhattan, Halle / MACH-Festival
> PARTOUT PARTOUT
Fast hätte dieses Konzert von Partout Partout in Halle wegen einer allergischen Reaktion von Gitarrist Florian gar nicht stattgefunden, mit wenigen Stunden Verspätung wird es aber doch noch eines der Highlights des diesjährigen MACH. Zunächst merkt man der Band noch etwas die Schwere an, mit der sie sich hier befleißigt, bald jedoch spielen sie ihren typisch desorientierten High-Energy-Staccato-Mathrock, der sie für mich schon seit einer Weile zu den faszinierendsten Rockbands Europas gehören lässt. Und im Endeffekt würde ich sogar sagen, dass eben jene Show im Hühnermanhattan sogar noch besser war als die, über die ich bereits letztes Jahr an dieser Stelle geschrieben habe. Für mich ganz persönlich hat sich der ganze Tumult also definitiv gelohnt.

> 27.7.
> Hauptmannsgrün (Vogtland) / L*Abore Festival
> AUA AUA
Auf Platte ist das Bandprojekt von Songwriting-Zerdenker Jan Frisch vor allem zuständig für die unkonventionelle Synthetik von klassischer Pop-Komposition, was als live gespielte Reproduktion für sich ja relativ langweilig werden. Zum Glück jedoch besteht Aua Aua auch aus vier unglaublich versierten Instrumentalisten, die das Konzert auf dem L*Abore ein bisschen zur Solo-Show mutieren lassen. Gerade Drummer Johannes Döpping arbeitet sich in der knappen Stunde des Auftritts ordentlich ab und peitscht Frischs krude Songstrukturen durch wie ein Schachcomputer. Dass mit Fahren & Spielen am Ende des Sets die heimliche Stadionhymne dieser Gruppe steht, versönt es aber auch mit meiner harmonischen Seite. In den Sechzigern Miles Davis gesehen zu haben, stelle ich mir musikalisch ungefähr so vor, nur vielleicht mit etwas mehr Publikumsresonanz.

> 3.8.
> Imi e.V., Brand-Erbisdorf
> WALTHER LUFTS KONFLIKT
Alle Jahre wieder ist es mir ein persönliches Anliegen geworden, einen der wenigen Gigs meiner lokalen Lieblingsband WLK zu besuchen und alle Jahre wieder ist diese Gruppe noch ein bisschen geiler geworden. Dass gerade dieses Konzert so fetzt, liegt vielleicht ein bisschen daran, dass es in der ursprünglichen Homezone der vier Mitglieder, dem Imi in Brand-Erbisdorf, stattfindet, aber auch ohne Heimvorteil muss ich meinen Hut vor dieser Performance ziehen. Wahnsinnige Boliden von Postmetal-Longtracks, kompositorisch immer weiter verfeinert und technisch brilliant dargeboten (Chapeau vor E.T. an dieser Stelle nochmal!) ein echtes Fest dieser Band, die ich nur immer wieder supporten will, und sei es auch nur für das (fast) einzige Konzert, das sie 2018 gespielt haben. 💕




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