Dienstag, 18. Dezember 2018

Bist du down?




















Man kann es mittlerweile nicht mehr wirklich schönreden: Die großen Tage der Wiener Szene sind 2018 mehr oder weniger gezählt. Man erhält in der Musikindustrie noch ein bisschen den Status Quo aufrecht, aber der große Wachstumsschub, der vor vier Jahren begann, ist ziemlich vorbei. Junge Acts wie Voodoo Jürgens und Granada werden nur noch durchgewunken, Yung Hurn mimt schwächelnd das eigene Klischee und Wanda beweisen zwar Standing, aber sind seit der letzten Platte auch nicht mehr die Selben. Die größten Verlierer des abklingenden Austro-Hypes dürften jedoch mit Abstand Bilderbuch sein. Ausgerechnet die Band, die sich immer so vehement weigerte, lediglich als Teil eines Trends gesehen zu werden und in den letzten Jahren förmlich aus der Szene herausquoll, stehen knapp vier Jahre nach ihrem Durchbruch mit leeren Händen da. Sicher, Bungalow war vergangene Saison ein solider Dauerbrenner und auf Tour werden auch die großen Clubs immer noch voll, aber solche Phänomene kaschieren nur den Verfall. Denn in vielerlei Hinsicht ist die letzte LP Magic Life rückblickend ein Bild der Traurigkeit. Nicht weil sie schlecht war, sondern weil man sie vergessen hat. Bungalow hin oder her, dem Album fehlte zu großen Teilen der Bombast, die Dreistigkeit und die Action, die seinerzeit Schick Schock hatte. Bilderbuch versuchten hier, sich von ihrem Fels in der Brandung zu emanzipieren, doch das ging gehörig schief. Mea Culpa ist nun die Platte, die die Scherben aufsammelt. Als eines von zwei längeren Projekten, die die Österreicher zwischen 2018 und 2019 veröffentlichen, versucht es, das Desinteresse des eigenen Publikums mit Sensation zu kontern, was aber ebenfalls nicht so richtig klappt. Dass es ein neues Album von ihnen gibt, erfuhr ich gut eine Woche nach Release. Minuspunkte also schonmal für die Verpackung. Das gute daran, in der Talsohle zu stehen ist aber, dass der Weg von jetzt an egal ist. Und so verfolgen Bilderbuch hier weiter die Spur des elektronischen Alternativ-R'n'B, den Magic Life vor zwei Jahren einschlug. Wobei sie ihm fast zufällig ein gehöriges Ugrade verpassen. Mea Culpa stresst sich nicht damit, der Nachfolger eines internationalen Superhits zu sein, sondern bleibt durchweg sehr entschleunigt, ganz im Sinne der neuesten Trends aus Übersee. Die Stilistik scheint sich tatsächlich vorwiegend an den neueren Sachen von Künstler*innen Frank Ocean, Teyana Taylor und Kali Uchis zu orientieren, entsprechend übersetzt natürlich in den musikalischen Jargon der Wiener. Maurice Ernsts Texte nerven wider Erwarten noch immer nicht, seine Art zu singen langsam schon ein bisschen, aber sie ist mittlerweile auch Kulturgut. Und tatsächlich hat man bei vielen Songs hier das erste Mal nicht den Eindruck, dass Bilderbuch uns etwas beweisen müssten. Tracks wie Taxi Taxi, Memory Card oder Checkpoint kann man durchaus mit dem Adjektiv "gechillt" beschreiben, das bei dieser Band bisher nicht mal bei den Balladen wirklich treffend war. Auch ist mit 34 Minuten der zeitliche Rahmen denkbar klein, was zusätzlich Druck aus der Sache rausnimmt. Ein bisschen ist Mea Culpa damit wie eine dieser Kanye West-Platten, die dieses Jahr erschienen: Für sich kein großes Statement, aber ein spannender Exkurs, der die Österreicher eben als entspannte Bedroom-Pop-Kapelle inszeniert. Und wem das nicht passt, der bekommt direkt in ein paar Wochen die nächste Mini-LP. Wo das ganze bei Kanye aber hauptsächlich PR-Blödsinn war und nicht zuletzt dem Generieren von Hype diente, hat man hier das Gefühl, Bilderbuch wollen diesen Karneval aus künstlerischen Gründen. Sie wollen nicht mehr die perfekte Pop-Platte machen, sie wollen nur noch experimentieren. Und das können sie jetzt, wo die nervigen Hipster weg sind und nur noch die bleiben, die das ganze wirklich interessiert.






Persönliche Highlights: Sandwishes / Taxi Taxi / Megaplex / Memory Card / Checkpoint (Nie Game Over)

Nicht mein Fall: Aloe Vera

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