Mittwoch, 15. Dezember 2021

Die letzte Ehre

Juice WRLD - Fighting DemonsJUICE WRLD
Fighting Demons
Grade A | Interscope
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ therapeuthisch | deprimiert | ernsthaft ]
 
Eigentlich hatte ich ja wirklich nicht vor, an dieser Stelle nochmal so ausführlich über eine Platte von Juice WRLD zu schreiben, ganz einfach weil ich nicht der Meinung war, dass bei einem solchen Projekt noch besonders viel relevantes zu besprechen war. Sicherlich auch ein bisschen deshalb, weil ich sauer darüber bin, wie in den letzten zwei Jahren mit dem Vermächtnis des Rappers seitens seiner Rechteinhabenden umgegangen wird, wobei eigentlich beide dieser Gründe mehr oder weniger zusammenhängen. Schaut man sich das Desaster an, das in Juice WRLDs Namen seit seinem tragischen Ableben vor zwei Jahren verzapft wurde, ist es nicht schwer, die Kausalkette der beiden Probleme nachzuvollziehen, die im wesentlichen darin besteht, dass das Archiv des Rappers bereits in der kurzen Zeit, in denen dieser nun nicht mehr selbst Musik macht, konsequent ausgeschlachtet und jedes noch so kleine Fitzelchen davon zu möglichst viel Geld gemacht wurde. Wobei es ja irgendwie noch das eine ist, dass vergangene Saison ein ziemlich niveauloses posthumes Album erschien, das den ekligen Beigeschmack schneller Geldschneiderei hatte, das passierte in den letzten Jahren leider nicht wenigen jung verstorbenen Rappern. Eine völlig andere Nummer ist in meinen Augen aber nochmal die strategische Platzierung von Featureparts auf neuen Songs nicht weniger Künstler*innen in diesem Jahr, die höchstwahrscheinlich von Juices Nachlassverwaltung vergeben wurden und meistens auch ziemlicher Müll waren. Zusammen mit der ja leider nicht besonders langen Karriere des Künstlers führte das bei mir zu der Vermutung, dass das verbliebene Material aus seiner Feder wohl einfach schon größtenteils ausgeschöpft war und von den verantwortlichen Rechteinhabenden jetzt noch die letzten Krümel vertickt wurden. Was allerdings nicht erklären würde, wieso es jetzt ein Album wie Fighting Demons gibt, das nicht nur aus ganzen 18 neuen Tracks besteht (16, wenn man die eher spokenwordigen Interludes weglässt), sondern auch noch ein ziemlich hochwertiges und sogar einigermaßen würdevolles Gesamtwerk hervorbringt. Ein Album von der Sorte also, das ich an diesem Punkt schon gar nicht mehr erwartet hatte. Vor allem deshalb nicht, weil es so gar nichts von der kreativen Ausbeutung seiner letzten Platte hat. Beziehungsweise, diese zumindest nicht so offen praktiziert wie der Vorgänger. Stattdessen tut Fighting Demons sehr gut daran, die Themen mentale Gesundheit und Drogenabhängigkeit ins Zentrum ihrer selbst zu rücken und damit ein fast schon konzeptuelles Narrativ zu finden, das mich auch auf einer Metaebene anspricht. Sicher, Songs über Drogen und Depression waren schon zu seinen Lebzeiten das täglich Brot von Juice WRLD und sollten eigentlich nichts besonderes mehr sein, allerdings habe ich hier das Gefühl, nochmal eine ganz besonders finstere Perspektive auf das ganze Thema zu hören, die im Angesicht der tatsächlich passierten Tragödie echt bitter wirkt. Wobei das hier Erzählte sowohl sehr biografisch als auch sehr allgemeingültig funktioniert und in den besten Momenten sogar einen fast schon pädagogisch abschreckenden Schockeffekt hat. Besonders eindrücklich finde ich dabei auch das von Eminem eingesprochene Interlude über seine eigene Suchtproblematik, das strukturell zwar nichts auf dieser Platte zu suchen hat, inhaltlich aber einen sehr stimmigen Kommentar zu dem abgibt, was Juice in den Songs formuliert. Und damit zumindest besser ist als die eher krampfig eingepferchten Features von Suga, Justin Bieber oder Polo G, die von der Gesamterfahrung dann doch eher wieder abtragen. Dass hier teilweise nicht ganz kapiert wurde, was dieses Album potenziell für eine narrative Kraft hat, ist ein bisschen schade und perfekt realisiert ist diese auch allein schon deshalb nicht, weil Juice selbst immer wieder ein paar ziemlich dumme Lines auftafelt. Immerhin wurde hier aber die Haltung aufgebracht, die Platte eben nicht mit haufenweise unnötigen Gastparts zuzuballern und das hier zu einer Geschichte zu machen, die ganz wesentlich vom Künstler selbst erzählt wird. Wobei es vielleicht auch irgendwie die ist, die er und wir im Zuge seines Todes am ehesten verdient haben. Vor allem rettet es dem ganzen Juice WRLD-Archivprojekt nach einer ziemlich versauten Erinnerungskultur in den letzten Jahren aber wenigstens ein bisschen die Ehre und zeigt, dass diese Leute auch noch andere Sachen als Geld in der Birne haben. Obwohl das als Motivationsaspekt mindestens zweite Priorität geblieben zu sein scheint.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡⚫⚫⚫⚫ 07/11
 
Persönliche Höhepunkte
Burn | Eminem Speaks | Rockstar in His Prime | Doom | Juice WRLD Speaks 2 | Until the Plug Comes Back Around | Girl of My Dreams | Feel Alone
 
Nicht mein Fall
-
 
 
Hat was von
Post Malone
Hollywood's Bleeding
 
Lil Uzi Vert
Luv is Rage 2
 
 

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