Donnerstag, 2. Dezember 2021

Desert Island Disk

Damon Albarn - The Nearer the Fountain, More Pure the Stream Flows DAMON ALBARN
the Nearer the Fountain, More Pure the Stream Flows
Transgressive
2021

 
 
 
 
 
 
[ melancholisch | winterlich | besinnlich ]

Die Karriere des Damon Albarn während der Zwotausendzehner war für mich persönlich eine, die vor allem von ihren eigenen Widersprüchen geprägt war und oberflächlich gesehen auch ein bisschen von herben Enttäuschungen. Denn schaut man sich allein seine beiden Prestige-technisch gesehen größten Projekte Blur und Gorillaz an, die beide lange Lieblingsbands von mir waren, waren die letzten zehn Jahre nicht gerade besonders ruhmreiche. Wer Albarn in dieser Zeit nach wie vor als den tollen und kreativen Musiker erleben wollte, der er definitiv noch immer ist, schaute deshalb lieber abseits der üblichen Pfade: Sein Supergroup-Album Rocket Juice & the Moon mit Flea und Tony Allen von 2012 war beispielsweise ziemlich klasse, die geniale zweite LP von the Good, the Bad & the Queen von 2018 ebenfalls, genauso wie das flamboyante Egoli von Africa Express aus dem Jahr 2019. Eine schlechte Zeit war die letzte Dekade für den Briten also nicht, man musste nur unter der Oberfläche suchen. Wobei eine Sache dabei auch von mir fast immer vergessen wurde: Dass Albarn zwischendrin auch erstmals ernsthaft versuchte, so etwas wie eine echte Solokarriere aufzubauen. Zumindest für eine Weile. Denn obwohl es bereits seit den späten Neunzigern formell Platten gibt, die unter seinem bürgerlichen Namen erschienen sind, waren das meist eher Soundtracks oder Auftragswerke, die nicht viel über ihn als Künstler aussagten. Zumindest bis 2014, als mit Everyday Robots tatsächlich doch noch ein Album erschien, das die Tragweite eines richtigen Debüts hatte. Und obwohl ich mit besagter Platte selbst seit ihrem Erscheinen ein sehr wechselhaftes Verhältnis pflege, das sich immer wieder meiner Tagesform anpasst, ist mir einwas dabei inzwischen sehr klar geworden: So richtig Albarns Ding ist die ganze Solo-Geschichte bis jetzt nicht geworden. Wobei wenige Dinge diesen Umstand deutlich untermauern wie die Existenz von the Nearer the Fountain, More Pure the Stream Flows, dem "Nachfolger" von Everyday Robots, der nicht nur fast acht Jahre später erscheint, sondern von seinem Schöpfer auch bewusst klein gehalten wurde. Im Vergleich zu seinem Debüt, das damals noch mit großem PR-Aufwand und bedeutungsschwangeren Inhalten auf uns zukam, ist diese LP ganz klar als eine ausgewiesen, die Albarn aus dem Ärmel geschüttelt hat und eher in die Periphärie seines Katalogs einordnet. Inspiriert von einer Reise nach Island (und wie vieles in den letzten 24 Monaten auch irgendwie von Corona), ist es eine der zahlreichen Projektplatten des Londoners, um die er selten großes Trara macht. Wobei es aber zumindest einige Fäden von Everyday Robots wieder aufnimmt, die auch ein bisschen einen Trend erkennen lassen. Zum einen ist da die unverhohlene Melancholie, in die er sich songwriterisch hier erneut hereinwirft und die auch mit einer sehr ähnlichen Songwritingtechnik einhergeht (die alte Fans am ehesten noch vom vorletzten Blur-Album Think Tank kennen dürften), zum anderen die Konzentration auf Albarn als Lyriker, die gerade auf seinen jüngeren Projekten immer mal wieder auftaucht. Es ist dabei noch immer nicht einfach zu beurteilen, ob er für diese Art von Komposition nun wirklich Talent hat oder nicht, spannend ist es aber trotzdem. Nicht nur deshalb, weil man hier einen sehr in sich gekehrten Musiker hört, der auch mal über seine eigene Vergangenheit oder unschöne Gefühle schreibt, sondern auch, weil diese Arbeitsweise einen Damon Albarn zeigt, der wirklich noch experimentiert. Viele Tracks hier sind beispielsweise mit exotischen Field Recordings veredelt, wobei einige von ihnen komplett ohne Text auskommen. Und wenn es am Ende einen Track wie Combustion gibt, der bisweilen ins avantgardistisch-freejazzige abdriftet, kann man sich sicher sein, dass hier auch Hirnschmalz dahinter steckt und eben nicht so halbgar zusammengekehrt wurde wie das meiste Zeug auf der letzten Gorillaz-LP. Dass viele der Ideen nicht ganz zu Ende gedacht sind und eigentlich kein Song als potenter Einzeltrack heraussticht, gehört dabei auch irgendwie zum Charme der Platte. Wobei ich auch im gleichen Atemzug sagen muss, dass mir die ausformuliertere Variante dieses Sounds, die es auf Platten wie Merrie Land oder Think Tank gab, am Ende des Tages trotzdem besser gefällt. Dass Fountain letztendlich eher ein experimentelles Blitzlicht ist als ein groß aufgebauschter neuer Longplayer, macht es akzeptabel und stellenweise sogar ganz cool, ein Favorit meines persönlichen Albarn-Katalogs wird es aber sicherlich nicht werden. Und am Ende werden wir uns in zehn Jahren, wenn schließlich das dritte Soloalbum des Briten erscheint, auch wieder mühsam daran erinnern müssen. Hoffentlich deshalb, weil es in der Zwischenzeit genug andere, vor allem aber bessere Projekte von ihm gab.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡⚫⚫⚫⚫ 07/11

Persönliche Höhepunkte
the Nearer the Fountain, More Pure the Stream Flows | the Cormorant | Combustion | Polaris | Particles

Nicht mein Fall
-


Hat was von
David Bowie
Blackstar

the Good, the Bad & the Queen
Merrie Land


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