Sonntag, 12. Dezember 2021

Ewigkeit im Loop

DJ Sabrina the Teenage DJ - The Makin' Magick II Album
DJ Sabrina the Teenage DJ - The Other Realm DJ SABRINA THE TEENAGE DJ
the Makin Magick II Album | the Other Realm
Die-Ai-Wei
2021

 
[ verhackstückt | nostalgisch | trashig ]




Ich gebe gerne zu, dass es schon ein bisschen eine Plage gewesen ist, mir für diesen Artikel so kurz vor Ende des Jahres (wo ich sonst eigentlich langsam damit aufhöre, neue Musik zu hören und lieber meine Jahresendlisten vorbereite) ganze zwei Alben von DJ Sabrina the Teenage DJ anzuhören, die zusammengerechnet auf gut und gerne vier Stunden Material kommen. Und ich gebe auch gerne zu, dass ich bereits im zweiten Jahr, in dem ich einen LP-Rollout von ihr überhaupt mitbekomme, über Strategien nachdenke, wie ich so einen Kraftakt nächste Saison möglichst vermeide. Denn dass DJ Sabrina eine Künstlerin ist, die die Geduld jedes*r normalen Musikhörenden herausfordert, weiß ich bereits, seitdem ich das erste Mal eine Tracklist von ihr gesehen habe und wenn überhaupt, dann ist das dieses Jahr noch ein bisschen schlimmer geworden. Es wäre allerdings auch völliger Quatsch zu behaupten, dass sich das ganze am Ende nicht gelohnt hätte, und das weiß ich inzwischen genauso gut. Denn wie schon bei ihrer letzten LP Charmed im vergangenen Dezember würde ich mir das ganze ja nicht antun, hätte ich nicht ein gewisses Grundvertrauen in das Talent dieser Künstlerin und wäre das fertige Ergebnis zuletzt nicht so klasse gewesen. Wenn ich von meinem Erstkontakt mit DJ Sabrina auf dem Vorgänger eines gelernt habe, dann dass es sich hier um Musik handelt, die gerade durch ihre sehr strapaziöse Langwierigkeit funktioniert und erst dadurch so wirklich Sinn ergibt. Der scheinbar unendliche, einlullende Loop aus soften Housebeats, nostalgischen Bubblegum-Pop-Versatzstücken und einer gehörigen Portion soapigem Trash-Konzept ist in meinen Augen nicht das Hindernis, sondern die größte Stärke dieses Projekts, man muss sich nur erstmal darauf einlassen. Und 2021 davon gleich die doppelte Dosis zu bekommen, ist in der Hinsicht natürlich auch irgendwie ein freudiges Ereignis. Zumal die beiden fertigen Alben, the Makin Magick II Album und the Other Realm, auch ästhetisch relativ verschieden sind und mich durch jeweils andere Eigenschaften begeistern. Wobei vorbereitend ein bisschen die Frage ist, was man nach Charmed (das ja für viele Leute der Ausgangspunkt ihrer Erfahrungen mit ihr ist) von DJ Sabrina erwartet. Stand man 2020 auf die fluffige Kaugummi-Ästhetik des Vorgängers und will eigentlich nur mehr von der selben Sache, sollte man sich erstere Platte genauer ansehen, sieht man diesen Sound eher als Ausgangspunkt und fragt sich, wie klanglich darauf aufgebaut werden kann, ist the Other Realm wohl die bessere Alternative. Wobei in meinen Augen beide Alben musikalisch jede Menge zu bieten haben und ich in den letzten Tagen und im Laufe vieler gestaffelter Hördurchläufe auf beiden Seiten meine Präferenzen hatte. Logischerweise war es anfangs vor allem Makin Magick II, das mich mit seiner bewährten und bekannten Ästhetik ziemlich effektiv abholte und einfach sehr guten Fanservice lieferte. Direkt mit den ersten Takten des Openers Spirit befindet man sich hier wieder im gleichen lauwarm-flauschigen Plunderphonic-Strudel, der schon auf Charmed so geil war und wird von Sample zu Sample bis zur völligen Lobotomisierung davon weitergetragen. Beeindruckend finde ich dabei vor allem, dass die Platte diesen Effekt nicht nur für einen Moment reproduzieren kann, sondern ich nach den gut drei Stunden vom letzten mal hier trotzdem nochmal Bock habe, zweieinhalb weitere davon zu überstehen und nicht nach 30 Minuten schon völlig übersättigt bin, weil ich das Konzept schon kenne. Klar gibt es dabei einige Passagen die besser sind als andere und mit den tollen Eigenschaften von Charmed nimmt Makin Magick II auch die meisten Probleme dieser LP mit, die machen aber insgesamt nicht viel aus. Und wäre sie die einzige DJ Sabrina-Platte in dieser Saison, wäre ich auch damit mindestens sehr zufrieden. Nur erschien mit the Other Realm kurz darauf nicht nur ein weiteres Album der Britin, sondern auch noch eines, das in so gut wie jeder Hinsicht das spannendere ist. Wobei ich spannend in erster Linie gar nicht mal positiv oder negativ meine, sondern einfach als Feststellung, dass hier nochmal vieles anders ist. Denn auf den 19 Tracks dieser LP nimmt DJ Sabrina eben jenen gerade besprochenen Fluff-Sound und zerrt ihn in diverse verschiedene Richtungen, die ihn gerade soviel subversieren, dass man stutzig wird: Woher kommen plötzlich die eingesampleten Rockgitarren, die achtzigerigen Hiphop-Verse, die bratzigen Chicago House-Breaks und die deftigen Drums? Das hier ist ja gar nicht mehr so gemütlich und so plätschernd wie das Makin Magick-Album oder Charmed. Hier muss man ja plötzlich sogar ein bisschen hinhören und aufpassen. Eine Neuerung, die mich zunächst ein bisschen auf dem falschen Fuß erwischte. Nicht nur deshalb, weil der Sound jetzt härter, grantiger und auch ein bisschen düsterer war, sondern vor allem weil hier erstmals jene einlullende Kohärenz futsch war, die ich bis dahin immer so gut fand. The Other Realm fühlte sich auf den ersten Blick sehr wie ein Album an, das ziellos rumprobierte und nicht wirklich in einen einheitlichen Modus kam. Als dieser Schock erstmal abgeflaut war und ich mich in die Ästhetik der Songs eingrooven konnte, wurde ich allerdings auch sehr schnell vom Gegenteil überzeugt. Denn obwohl das hier für DJ-Sabrina-Verhältnisse tatsächlich ein ziemlich experimentelles Stück Musik sein dürfte, sind die besagten Experimente doch in jedem Moment sehr stilsicher durchgeführt und ergänzen das Bild, das die Künstlerin hier aufbauen will, ungemein stimmig. Dass es von 19 Tracks in 111 Minuten keinen einzigen gibt, der mir wirklich sauer aufstößt, sagt sicherlich schon einiges über die Qualität dieser LP und wenn man dazu nimmt, dass auch die vielen klanglichen Exkurse hier nicht den großartigen Flow des ganzen ruinieren, darf man schon mal beeindruckt sein. Und zwar nicht nur auf diese Das-ist-überraschend-gelungen-für-zwei-Stunden-trashigen-Samplesalat-Weise, sondern auf eine Weise, bei der ich tatsächlich vor einzelnen kompositorischen Entscheidungen und cleverem Mixing den Hut ziehe. Womit ich nicht sagen will, dass all diese Sachen auf Sabrinas anderen Platten schlampig gemacht wurden, im Gegenteil. Nur kommt ihr großartiges Talent für solche Musik hier auch mal richtig zum Vorschein. Nicht selten musste ich auf the Other Realm an das nicht zu Unrecht vielgepriesene Frühwerk von Daft Punk denken, nur dass diese Künstlerin nicht ein Discovery in vier Jahren macht, sondern jedes Jahr drei davon. Doch obwohl ich nicht wirklich glaube, dass sie mit ihrer Interpretation davon jemals ein One More Time oder ein Harder Better Faster Stronger schreiben wird, hat sie in meinen Augen doch dasselbe Gen für den richtigen Sampleflip und ein unschlagbares Editing, das ihr spätestens jetzt niemand mehr wegnehmen kann. Um also auf meine "Befürchtung" vom Anfang dieses Textes zurückzukommen: Ja, wahrscheinlich werde ich auch nächstes Jahr wieder hier sitzen und mir abnorme Längen DJ Sabrina the Teenage DJ reinbingen. Und wahrscheinlich werde ich jede Sekunde davon lieben.



the Makin Magick II Album
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Spirit | Be Ready | Don't Miss That Flight | Airplane Song (Welcome Home) | Lose Myself | Each Time | Paradise | Satisfy | Princess

Nicht mein Fall
Love is the Purest Thing There Is | Miss Me


the Other Realm
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Transcendence | Burn | (Been Thru Some) Changes | Spells (Like A Master) | Sabrina Makes Me Feel | How??? | I'm Just Sayin' | Give It Up | Alright | Break Your Heartbreaker | Take Two | Come and Get It | We Go On (Remix) | the Promise | Realms

Nicht mein Fall
-


Hat was von
the Avalanches
Wildflower

Daft Punk
Discovery


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