Sonntag, 5. Dezember 2021

Die längste Nudel des Jahres

Endless Boogie - AdmonitionsENDLESS BOOGIE
Admonitions
No Quarter
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ bluesig | verjammt | rustikal ]
 
Es gibt ja da draußen immer wieder Leute die behaupten, dass Konzept des guten alten Bluesrock-Albums hätte seinen Biss verloren, wobei ich mit "Leuten" auch durchaus ab und zu mich selbst meine. Versteht mich nicht falsch, ich bin seit jeher großer Bewunderer der Traditionen, die von vielen Bands in diesem Bereich auch heute noch fortgeführt werden und beziehe daraus immer wieder echte Favoriten und Lieblingsalben. In den wenigsten Fällen bedeutet das jedoch, dass mich eines dieser Werke tatsächlich nochmal zu einem radikalen Perspektivwechsel zwingt oder mit vorher gehabten Erwartungen bricht. Was ja auch okay ist, schließlich reden wir hier von einem über 50 Jahre eingegroovten Subgenre, das meistens eher von nerdigen Traditionalist*innen gespielt wird, die einer gewissen verklärten Nostalgie frönen und das ganze auch ein bisschen als Lifestyle sehen. Und wenn man es genau nimmt, sind Endless Boogie eigentlich auch nur eine weitere dieser Bands. Ihren rustikalen und nur leicht angepsychten Jamrock-Boogieblues spielen die New Yorker inzwischen seit einem Vierteljahrhundert, wobei ihr Sound und ihre Herangehensweise sich in dieser Zeit nur sehr marginal verändert haben. Als ich 2013 das erste Mal eine Platte von ihnen hörte, klang die mehr oder weniger genauso wie diese neue hier und auch wenn ich in ihrem Katalog in der Zwischenzeit etwas den Faden verloren habe, zeigt mir das Hörensagen, dass stilistisch währenddessen nicht viel passiert sein kann. Was ich an ihnen aber damals wie heute speziell finde und weshalb ich nach all diesen Jahren wieder auf die aufmerksam wurde ist, wie intensiv und unfassbar geduldig sie ihr Handwerk betreiben und dabei konsequent ihren Bandnamen zum Programm machen. Eine Überzeugung, die sich seit jeher vor allem in den Dimensionen ihres Outputs äußert. Mit knappen 83 Minuten ist Admonitions in den letzten anderthalb Dekaden eine ihrer kürzesten Platten und wenn man bedenkt, dass sich diese Spieldauer aus gerade Mal sieben Tracks zusammensetzt, weiß man ungefähr, dass diese Band ihnen selbst und auch uns etwas Geduld abfordert. Gleich zwei Tracks hier kommen auf eine Länge von über 20 Minuten, von denen einer auch gleich der Opener ist. Wobei Endless Boogie auch nicht die Typen sind, die solche Stücke für operettenhafte Mehrteiler nutzen, sondern meist stur auf einem Motiv repetetiv hin- und her improvisieren. Das macht ihren gesamten musikalisch nicht unbedingt besonders zugänglich und es wird definitiv Leute geben, die von dieser Art Rockplatte kolossal genervt sein werden. Wer sich wie ich aber für sowas begeistern kann und auf ein bisschen gekonnte Repetition ehrlich Bock hat, findet hier gleich mehrerer echte Schätze des verspulten Psychrock-Kunsthandwerks. Nicht wenige  Movements hier erinnern an alte Krautrock-Klassiker von Neu! und Can, gerade auch weil Chris "Grease Control" Gray am Schlagzeug herrlich mechanisch und subtil seinen liebezeit'schen Groove pumpt. Kommt dann wie in Counterfeiter noch ein spielwütiger Kurt Vile mit ein paar verschnickten Licks dazu, ist das Bild schon mal sehr vollendet und kann echt unterhaltsam werden. An anderen Stellen wie in Disposable Thumbs oder dem gloomigen Longtrack Jim Tully gehen Endless Boogie aber auch gerne Mal in eine sehr grantige und düstere Richtung, die mich abwechselnd an Swans, die frühen Tortoise oder die tieferen klanglichen Abgründe von Motorpsycho (circa Demon Box) erinnert und vor allem durch Paul "Top Dollar" Majors tomwaitsige Sandpapierstimme extra fies werden kann. Zwischendurch gibt es dann aber auch noch ein paar straighte Bluesrock-Bretter wie Bad Call, die einfach unkompliziert fetzen und selbst in ihren spacigsten Momenten sind Endless Boogie noch eher ehrliche Blueser als verschwurbelte Psychonauten. Dass Admonitions dabei per se eher inkohärent ist und eigentlich in jedem Song etwas völlig anderes macht, wird an vielen Stellen dadurch ausgeglichen, dass die Songs an sich sehr gründlich ausformuliert sind und mitunter selbst klingen wie kleine Mini-Alben. Schlecht oder mittelmäßig ist von denen am Ende sowieso keiner, weshalb die LP als ganzes doch irgendwie eine Erfahrung ist, über die ich nicht meckern kann. Und auch wenn sie klanglich eher konservativ bleibt, kann ich hier doch endlich mal wieder von einer Platte dieser Ästhetik und Aufmachung behaupten, dass sie mich überrascht hat. Wenn auch mehr durch ihre Struktur als durch ihren tatsächlichen Sound. Aber man nimmt ja was man kriegt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
the Offender | Disposable Thumbs | Bad Call | Counterfeiter | Jim Tully | the Conversation | the Incompetent Villains of 1968

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Colour Haze
She Said

Radio Moscow
New Beginnings

 

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