Samstag, 11. Dezember 2021

Bob's Son's Son

R.A.P. Ferreira - The Light Emitting Diamond Cutter Scriptures
R.A.P. FERREIRA
the Light Emitting Diamond Cutter Scriptures
Ruby Yacht
2021
 
 
 
 
 
 
 
[ lethargisch | lyrisch | tiefenentspannt ]
 
Als Rory Ferreira vor nun etwas mehr als drei Jahren sein altes Moniker Milo ablegte und stattdessen begann, Material unter seinem bürgerlichen Namen (Ja, so heißt der wirklich) zu veröffentlichen, hoffte ich ja ein bisschen, dass damit auch eine umfassende Frischekur seines Sounds einhergehen würde und der Rapper dem etwas lethargischen Trott seiner letzten paar Platten zumindest ein bisschen entfliehen würde. 36 Monate und zwei R.A.P. Ferreira-Longplayer später muss ich mit einem gewissen Bedauern feststellen, dass das nicht passiert ist. So schlimm wie anfangs gedacht war, ist das aber ehrlich gesagt auch nicht, denn wenngleich besagte Platten nicht gerade innovativ waren, gehörten sie doch trotzdem zu den besten, die von diesem Typen seit langem erschienen waren. Das vor allem klanglich spannende Purple Moonlight Pages mochte ich dabei als kreativ verquere Liebeserklärung an Jazzrap, während Bob's Son, dessen Nachfolger vom ersten Januar diesen Jahres, ein weiterer herrlich nerdiger Deep Dive in Ferreiras Auseinandersetzung mit Literatur, Rap, Dichtung und Kunst war. Und mit the Light Emitting Diamond Cutter Scriptures, das noch kurz vor Ende November in relativ knapper Abfolge angekündigt und veröffentlicht wurde, schließt Ferreira nun ästhetisch die Klammer, die er Anfang der Saison so wunderbar öffnete. Mit einem Album, das für sich gesehen eigentlich wieder wenig überraschend ist und eher kleine Brötchen backt, damit aber auch souverän ungeht. Gerade mal 28 Minuten lang ist die ganze Nummer, wobei die wenigsten der elf Tracks überhaupt eine Länge von zweieinhalb Minuten überschreiten und auch thematisch nicht so weit ausholen wie die letzte LP. Zwar kann man sich wie überall bei einem Rory Ferreira auch hier darauf verlassen, dass mindestens eine neue Perspektive auf Rap als Kunstform gefunden und das Medium grundlegend subversiert wird, allerdings passiert das hier nicht so konzeptuell stringent wie sonst immer. Wenn überhaupt, dann wirkt Diamond Cutter Scriptures eher wie ein gedanklicher Nachtrag oder eine Sammlung von Fußnoten, die zahlreiche Gedanken der letzten Jahre noch weiter denken soll. Allerdings nicht nur die von Bob's Son, sondern auch die der letzten paar Milo-Platten, inklusive einiger Zitate, die womöglich bis zu So the Flies Don't Come von 2015 zurückreichen. Doch obwohl die Rückblende in Ferreiras Katalog hier erstmal sehr tief scheint, finde ich die neuen lyrischen Erkenntnisse, die er daraus bezieht, doch eher wenig profund. Maximal gibt es ein paar Songs wie East Nashville oder Gemilut Hashadim, auf denen er stereotype Rap-Lines parodiert (was zugegeben meistens ziemlich witzig ist), ansonsten ist das meiste ziemlich unzusammenhängend und wiederholt teilweise Ideen der letzten Platten. Natürlich kann es dabei sein, dass ich mal wieder einfach nicht genau verstehe, was Ferreira mir hier eigentlich genau sagen will, doch scheint sich diesmal auch die sonst so analytische Hardcore-Fanbase einig zu sein, dass es hier nicht viel zu holen gibt und beschränkt sich in ihren Lobeshymnen größtenteils darauf, den chilligen Vibe der Platte hervorzuheben. Und wo wir schon Mal dabei sind: Auch der gibt für mich an dieser LP nicht unbedingt viel her. Nicht, dass ich hier plötzlich angewidert von dem Sound wäre, der bei diesem Typen schon seit etlichen Jahren richtig gut funktioniert, viel eher ist auch hier das Problem, dass er dem bekannten Konzept wenig neues hinzufügt. Tatsächlich fühlt Diamond Cutter Scriptures sich für mich sogar wieder sehr nach einem alten Milo-Projekt an, weil es eben nicht deutlich in eine bestimmte Richtung operiert, sondern eher viel verschiedenes zusammenklatscht. Was nach den beiden sehr gelungenen Nicht-mehr-Milo-Projekten von zuletzt tatsächlich auch heißt, dass ich es ein bisschen armselig finde. Zwar bin ich auch weit davon entfernt, Ferreira hierfür abkanzeln zu wollen und ich erkenne durchaus an, dass das hier eher ein kleines Surplus anstatt eines vollwertigen Albums ist, das ich folglich auch nicht so ernst nehmen muss. Im Kontext zu fast allem anderen, was ich von diesem Typen bisher gehört habe, finde ich es aber schon krass langweilig und ich kann mich an keinen Zeitpunkt in den letzten sieben Jahren erinnern, an dem mir Rory Ferreira dermaßen egal war. Und das ist dann schon irgendwie besorgniserregend, denn die gesamtästhetische Unbeweglichkeit seines Outputs ist ein Problem, das mir nicht erst seit gestern bekannt ist. Und wie jedes Mal muss ich meinen Artikel deshalb mit der Frage schließen: Wie lange geht das noch gut? Beziehungsweise: Wie lange finde ich das noch gut? Spätestens nächstes Jahr wissen wir wahrscheinlich mehr.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡⚫⚫⚫⚫ 07/11

Persönliche Höhepunkte
Hyperion | East Nashville

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Negroman
Negroman LP

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