Freitag, 10. Dezember 2021

Könnt ihr Shirin fragen

Shirin David - Bitches brauchen Rap
SHIRIN DAVID
Bitches brauchen Rap
Juicy Money Records
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ tough | erzählerisch | authentisch ]

Auch wenn es inzwischen fast einen Monat her ist, dass Bitches brauchen Rap endlich erschienen, finde ich es gerade immer noch schwierig, hier einen konstruktiven Artikel darüber zu verfassen. Das heißt im Sinne eines Artikels, der sich eben nicht unnötig mit den zahlreichen Kontroversen der Person Shirin David und dem Drama drumherum beschäftigt, sondern sich vor allem Zeit nimmt, ausnahmsweise mal über die Musik der Hamburgerin zu sprechen. Wobei es mir ja eigentlich gar nicht mal deshalb schwer fällt, weil der öffentliche Diskurs über sie vor allem von Gossip dominiert wird, der mich ohnehin nicht interessiert. Das Problem is ja vor allem, dass er auch wichtiger Teil dieses Albums und von dessen Lyrics ist. Und laut der Rapperin selbst ist das auch durchaus Absicht. Glaubt man den Aussagen aus zahlreichen Interviews, so ist das fertige Bitches brauchen Rap das Ergebnis einer umfangreichen Neuauslotung der ursprünglich geplanten Platte, von der im Laufe des Jahres ja auch schon Singles wie Hoes Up, G's Down erschienen waren, die sämtliche Kontroversen der letzten paar Jahre zum Thema haben sollte. Wobei der Wandel von einer im Original sehr poprappigen und amerikanischen Ästhetik hin zu dem knallharten Ansage-Brocken, der das Ding jetzt geworden ist, schon deutlicher nicht sein könnte. Wobei Bitches brauchen Rap am Ende in vielen Hinsichten ein ziemlich klassisches Deutschrap-Album geworden ist, das die Künstlerin vor allem nutzt, um auf soapigen Gossip zu reagieren und ihrerseits Tritte nach allen Seiten auszuteilen. Ob es dabei gut ist? Zumindest besser als das jetzt erstmal klingt. Denn dass Shirin David sich inhaltlich ein bisschen zu sehr in den pathetisch-beefigen Drama-Strudel der hiesigen Rap-Landschaft zerren lässt, macht das hier sicherlich nicht zu einem besonders zeitlosen Stück Musik und von der Sache her interessieren mich die Käseblatt-Debatten um Schönheits-OPs, Shindys Affalterbach-Affäre, NDAs, Douglas-Deals und Ghostwriter*innen nicht die Bohne. Was ich Shirin allerdings zugestehen muss ist, dass ebendiese Themen durch ihre Songs wenigstens ein bisschen spannend werden und in nicht wenigen Momenten auch irgendwie Spaß machen. Wobei in so gut wie jedem Song die herrlich bossige Performance von David, die zum Glück sehr häufig im Zentrum dieser LP steht, schuld daran ist. Nicht zuletzt, weil sie die Künstlerin als das zeigt, was mich wirklich interessiert: Eine durchaus nicht untalentierte Rapperin. Wie Nicki Minaj zu ihren besten Zeiten macht die Hamburgerin in ihren Bars ordentlich Stress, hat jede Menge Tacheles zu reden und unterstützt das ganze auch noch durch einen entsprechend grantigen Sound, der nichts mehr vom anbiedernden Poprap ihrer letzten Platte hat. Hooks gibt es in diesen Songs dann meist eher wenige und überhaupt ist der Anspruch der Catchiness hier definitiv nicht mehr der oberste. Zwar gibt es durchaus ein paar frivole Banger wie Ich darf das oder Lieben wir, die auch mal ohne doppelten Boden hedonistisch und spaßig sein dürfen, nie geht es jedoch ganz ohne einen gut platzieren Empowerment-Oneliner oder einen Seitenhieb auf irgendwelche Businessmacker. Und dass das Album so voll von dieser Attitüde ist, ist definitiv seine beste Eigenschaft. Die einzigen etwas unpassenden Songs sind für mich deshalb am Ende auch die zwei eher ballagigen Deep Cuts Bae und Dior Sauvage, in denen David ohne ihre ganze Toughness plötzlich doch ein kleines bisschen aufgesetzt wirkt sowie der Storytrack Schlechtes Vorbild, von dem ich noch nicht so richtig sagen kann, ob ich ihn nun schlau oder einfach nur selbstüberhöht finden soll. Abgesehen davon bin ich aber erstaunt darüber, wie nonchalant die Rapperin hier selbst schwierige Fahrwasser übersteht und einen klobigen Opener wie Babsi Bars ebenso gut verkauft wie den fast neunminütigen Rags-to-Riches-Closer Bramfeld Storys, der sie auch als Storytellerin nicht schlecht aussehen lässt. Und obwohl Bitches brauchen Rap dabei in keinem Moment das lyrischste Album der Welt ist und manchmal eben doch etwas zu theatralisch für meinen Geschmack, kann ich über den Gesamteindruck doch echt nicht meckern. Nicht, dass ich von diesem Ergebnis irgendwie überrascht bin, doch freue ich mich darüber, dass mein positiver Eindruck mit so wenigen Fußnoten funktioniert. Denn wenn ich ehrlich bin, und an diesem Punkt muss ich dann doch mal ein bisschen in den Gossip-Bereich einsteigen, empfinde ich Shirin David momentan als eine der korrektesten Figuren im Deutschrap-Kosmos, der ich all ihren Erfolg ehrlich gönne. Und wo das bisher vor allem aufgrund ihres pragmatischen Auftetens und ihrer symapthischen No-Bullshit-Attitüde war, kann ich spätestens jetzt auch sagen, dass es der Musik wegen ist. Was mich gleich noch ein bisschen mehr freut.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Babsi Bars | Last Bitch Standing | Ich darf das | NDAs | Juicy Money | Lieben wir | Be A Hoe / Break A Hoe | Bitches brauchen Rap | Bramfeld Storys

Nicht mein Fall
Dior Sauvage


Hat was von
Nicki Minaj
Queen

Juju
Bling Bling


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