Mittwoch, 6. Oktober 2021

Tief drin

Frédéric D. Oberland - Même soleilFRÉDÉRIC D. OBERLAND
Même Soleil
IIKKI
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ ambient | verdröhnt | experimentell ]
 
Dass Oiseaux-Tempête eine so gute Band waren, hatte mir eigentlich die gesamte vergangene Dekade lang gereicht, um sie allein dafür zu mögen. Und mit bisher vier sehr zufriedenstellenden Longplayern und einer ganzen Reihe Reworks-, Soundtrack- und B-Seiten-Platten mit ebenfalls großem Spannungsfaktor gab es darin auch mehr als genug zu erforschen, um ziemlich lange beschäftigt zu sein. Letztlich kam vor ein paar Wochen aber trotzdem der Punkt, an dem ich irgendwie neugierig auf mehr wurde und über das hinaus schauen wollte, was ausschließlich im Kosmos der Band an sich abging. Wobei der wesentliche Anlass dafür die Art war, wie einige Leute im Internet im Vorfeld über das neue Album von Oiseaux-Chefdenker Frédéric Oberland redeten. Dass dieser schon seit etlichen Jahren abseits der Gruppe aktiv war (nicht nur solo, sondern auch in diversen Nebenprojekten), war mir zwar durchaus bekannt, dennoch hatte ich immer ein bisschen Angst davor, für mich persönlich dieses Fass aufzumachen. Zum einen deshalb, weil bei selbigem dann doch viel Platz bis zum Boden war, zum anderen, weil ich nicht wirklich dachte, dass dieser Output dem Material seiner Band wirklich das Wasser reichen könnte. Und eine dieser Befürchtungen hat sich letztendlich auch irgendwie bewahrheitet. Denn wenn man die Musik von Oiseaux-Tempête so wie ich schon vorher mochte, dann ist ein Projekt wie Même Soleil eines, das deren Stil sehr spannend weiterdenkt und in ein etwas anderes Medium übersetzt. Soll heißen: Oberland als Solo-Act ist was passiert, wenn man aus der Musik der Pariser den ganzen Postrock-Kram ausklammert. Was genau dabei letztendlich dessen Platz einnimmt, ist schwer zu definieren, nimmt aber trotzdem sehr viel aus der Welt der Band mit. Auch hier gibt es immer wieder die flirrenden Saxophone, die westasiatischen Tonleitern und die sehr düstere Atmosphärik, allerdings eher in einem ambient-elektronischen Drone-Gewand. Vieles erinnert mich dabei an das Verhältnis, das die Musik einer Band wie Godspeed You! Black Emperor zum Output von deren "Frontmann" Efrim Manuel Menuck hat, der solo ja auch elektronischer unterwegs ist. Dass Oberlands Kompositionen letztlich auch sehr ähnlich klingen, macht diese Analogie umso besser. Wie intensiv die explizit elektronische Ausprägung ist, kann dabei aber unterschiedlich sein. Es gibt hier Songs wie den ausgedehnten Opener Augures, die viel analoges Instrumentarium zu kakophonischen Drones verweben und damit eher klingen wie das Material von Acts wie William Ryan Fritch oder Esmerine, wieder andere wie Ravages haben fast etwas vom entschleunigten Proto-Synthpop, den man bei Mogwai inzwischen gewohnt ist. Egal was Oberland aber anfasst, er schafft es hier stets, daraus einen äußerst ansprechenden Klangteppich zu weben, der seine schon bei Oiseaux-Tempête größten Kompetenzen in eine neue, extrem interessante Perspektive setzt. Und obwohl ein Album wie Même Soleil dadurch definitiv zu einem Erlebnis für fortgeschrittene Fans gehört (mehr noch als der eh schon sehr entrückte Kram seiner Band), lohnt es sich doch, hier den Schritt weiter in die Binsen seiner Diskografie gegangen zu sein. Wie ich da jetzt wieder rauskomme, ist nochmal eine ganz andere Frage.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Augures | Quatre Epaves D'Acier | En Cercle Immergé | Un Feu Rebelle

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Esmerine
Lost Voices

Efrim Manuel Menuck
Pissing Stars


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