Dienstag, 5. Oktober 2021

Herbstfarben

MONO
Pilgrimage of the Soul
Pelagic
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ epochal | ausufernd | atmosphärisch ]
 
Wenige Jahre ist es erst her, da hatte ich Mono als ernstzunehmendes Thema für dieses Format eigentlich schon abgeschrieben, beziehungsweise zumindest dem Ferner liefen dessen zugeordnet, was mich hier an Platten und Bands beschäftigt. Klar ist es immer schwierig, so eine Entscheidung zu treffen, zumal die JapanerInnen im ewigen Kanon der Postrock-Historie eine doch nicht unwesentliche Rolle einnehmen, doch schien es Mitte der letzten Dekade einfach so, als hätte dieses Konzept langsam auch sein letztes Pulver verschossen. Zu formelhaft und uninspiriert klang die Band auf den Alben aus dieser Zeit und zu sehr bewegten sie sich einfach in einem Muster von Szenemusik, das an jenem Punkt ziemlich langweilig geworden war. Und wenn ich ganz ehrlich bin, tun sie das im Prinzip auch immer noch. Was in ihrer Karriere innerhalb der letzten zwei, drei Jahre passiert ist, ist weniger ein zweiter Frühling als vielmehr ein trotziges Aufbäumen gegen den kreativen Stillstand, der insgesamt gesehen auch kein Rad neu erfindet. Doch muss ich ganz subjektiv trotzdem sagen, dass es mir zuletzt wieder wesentlich mehr Spaß gemacht hat, Mono zu hören und über ihre Musik zu schreiben. Schon ihr letztes Album Nowhere Now Here von 2019 hatte irgendwie wieder ein stärkeres songwriterisches Fingerspitzengefühl und eine deutlichere emotionale Energie in sich und suchte zumindest in Teilen die Herausforderung, die seine Vorgänger nicht fanden. Und obwohl Pilgrimage of the Soul zweieinhalb Jahre später eigentlich wieder sehr viel klassischeren Lehrbuch-Postrock spielt, ist es qualitativ gesehen doch nochmal eine Steigerung zum letzten Mal. Vielleicht auch gerade deshalb, weil es inzwischen fast schon wieder etwas nostalgisches hat, einen so klar definierten Sound von den JapanerInnen zu hören, den sie ja auch definitiv gut können. Songs wie To See A World, Imperfect Things oder Hold Infinity in the Palm of Your Hand sind die Sorte glorreicher Epochal-Postrock, der Mitte der Zwotausender seine Glanzzeit hatte und an der sich nicht zuletzt auch Mono mit heutigen Szeneklassikern wie You Are There und Hymn to the Immotal Wind beteiligten. Und zu sagen, diese neue Platte fühlt sich wie eine Renaissance dieser Phase an, finde ich kein bisschen übertrieben. Denn was die JapanerInnen hier machen, klingt eben nicht wie die verwässerte Kopie dieses Sounds, den es auf Rays of Darkness/the Last Dawn oder Requiem for Hell gab, sondern steht wieder so im Saft wie auf ihren besten Sachen von damals. Sicher fälle ich dieses Urteil auch irgendwie als jemand, der sehr jener klassischen Ästhetik von Postrock verbunden ist und davon zumindest dann nicht gelangweilt ist, wenn sie gut reproduziert ist. Aber dass das hier am Ende gut geschriebene Songs sind, empfinde ich doch unabhängig von stilistischen Zuschreibungen und verlebten Trends. Ähnlich wie dieses Jahr bereits bei Mogwai passiert, ist Pilgrimage of the Soul ein Album, das relativ spät in einer Instrumentalrock-Karriere noch einmal das beste aus der alten Zeit aufs Parkett bringt, und das mindestens so gut wie zur ursprünglichen Hochzeit. Von einem zweiten Frühling kann man deshalb nur bedingt reden, vielleicht eher von einem goldenen Herbst. Aber der ist bekanntermaßen auch sehr schön.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Imperfect Things | Heaven in A Wild Flower | To See A World | Innocence | And Eternity in An Hour

Nicht mein Fall
Riptide


Hat was von
Daturah
Reverie

Explosions in the Sky
the Earth is Not A Cold, Dead Place


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