Mittwoch, 6. Februar 2019

Stromaufwärts




















[ düster | rabiat | sinfonisch ]

Wenn viele Leute in den vergangenen Jahren von der großen Stagnation in der Postrock-Szene redeten, waren es meistens Acts wie Mono, die damit ganz besonders gemeint waren. Bands von der Sorte, sie früher zu den Impulsgeber*innen der Bewegung gehörten und Mitte der Zwotausender quasi den "Mainstream" des Genre-Kosmos bildeten, inzwischen aber nur noch Schatten ihrer selbst sind. Die in ihren Hochzeiten Platten wie One Step More and You Die oder Hymn to the Immortal Wind veröffentlichten, die heute als Nischen-Klassiker gelten, irgendwann nach 2010 aber zusehends langweiliger und formelhafter wurden. Und gerade im Fall der JapanerInnen ist dieses Gefälle besonders stark, wenn man sich die über 15 Jahre ihrer bisherigen Karriere ansieht. Als sie Anfang des neuen Milleniums mit ihren ersten Alben aufschlugen, waren sie absolute Kritik-Lieblinge, auch weit außerhalb des Postrock-Definitionsbereichs. Vergleicht man das mit der Resonanz auf ihre letzten drei bis vier Platten, findet diese außerhalb der Szene-Hardliner so gut wie kaum noch statt. Und das nicht ohne Grund: Mit Hymn to the Immortal Wind erschien das letzte halbwegs gescheite Projekt der TokyoterInnen vor ziemlich genau zehn Jahren, seitdem klingt eine LP öder und ahnbarer als die letzte. Kompositorisch hatten Mono schon lange jeglichen Biss verloren und jede Möglichkeit, doch noch eines besseren überzeugt zu werden, wurde in meinen Augen erneut zur derben Enttäuschung. So sehr, dass ich auf die Ankündigung eines neuen Albums für 2019 erstmal sehr resigniert reagierte. Wie gut konnte diese Platte schon werden, nachdem die JapanerInnen schon ihre letzten drei anscheinend mit Scheuklappen aufgenommen hatten? Woher sollten neue Impulse herkommen, wenn Mono diese nicht an sich heranließen? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, aber mein Eindruck ist, dass sie es hier irgendwie doch hingebogen haben. Nowhere Now Here ist zwar weit davon entfernt, ein stilistischer Neuanfang zu sein oder innovative Zeichen für Postrock-Komposition zu setzen, aber es ist immerhin wieder ein bisschen spannend, dieser Band zuzuhören. Weil diese hier endlich mal über ihren verdammten Schatten gesprungen ist. Die Veränderungen, die im Vergleich zu seinen Vorgängern gemacht wurden, sich auf diesem Album relativ überschaubar, sie bewirken aber viel: Hier ein paar kantigere Riffs, dort ein breit aufgestellter Synthesizer, ein geschickt platziertes Streichquartett, ein paar Ambient-Passagen und ein Track mit Gesang, fertig ist die Laube. Kurz gesagt: Mono klingen hier verspielter, und das hilft ihnen ungemein. Das düstere Anfangs-Brett After You Comes the Flood setzt trotz schlecht kaschiertem Linkin Park-Trick ein starkes Zeichen zur Eröffnung, Breathe klingt mit den elektronisch unterfütterten Vocals von Tamaki Kunishi fast ein bisschen nach Portishead, Sorrow mutiert von einer getragenen Synth-Nummer zum heftigen Noise-Brecher und der Closer Vanishing, Vanishing Maybe trumpft mit einer grandiosen Slide-Gitarre auf. Die Band zirkuliert dabei stets um ihre Komfortzone herum, versucht aber, kreative Wege um ihr typisches Songwriting herum zu finden. Lediglich der zehnminütige Titeltrack klingt nach ihren alten Sachen und allein die Tatsache, dass er auf diesem Album so isoliert wirkt, spricht für den Erfolg der kompositorischen Arbeit von Mono. Sicher, an vielen Stellen ist auch hier noch Luft nach oben und man fragt sich, warum so eine Platte nicht schon vor fünf Jahren kam, doch Nowhere, Now Here ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung. Die JapanerInnen finden einen Weg aus ihrer selbst geschaffenen Routine und erkennen die Schönheit des Experiments. Verändern können sie damit nichts mehr an zehn Jahren Mist, aber eine vorbehaltlos gute Postrock-Platte ist in unseren Gefilden ja auch schon eine Seltenheit, um die man jedes Mal froh sein kann. Dass sie von Mono kommt, ist dabei umso besser.


Klingt ein bisschen wie:
Russian Circles
Guidance

Mogwai
Mr. Beast


Persönliche Highlights: God Bless | After You Comes the Flood | Far & Further | Sorrow | Parting | Meet Us Where the Night Ends | Funeral Song | Vanishing, Vanishing Maybe

Nicht mein Fall: Nowhere, Now Here

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