Samstag, 2. Februar 2019

Da glimmt noch was




















[ swaggy | überzogen | clout | melodisch ]

Schaut man sich die zahllosen Bewegungen im Deutschrap während der letzten fünf Jahre so an, dürfte mittlerweile auffallen, dass es den meisten Leuten in der Szene eine ganze Menge gebracht hat. Nicht nur, weil es einen großen Mainstream-Ruck gab, auch weil die Musik insgesamt formfreier geworden ist: Künstler*innen, die sich vorher Spinnefeind waren, machen jetzt Songs zusammen, Schlagersänger*innen und Rammstein-Fans sorgen für Crossover-Potenzial, skurrile und kontroverse Acts wie Yung Hurn oder Ufo361 sind extrem erfolgreich und vor allem: die Engstirnigkeit ist weg. Eine direkte Folge daraus ist, dass zurzeit an allen Fronten Gewinne verzeichnet werden: Die Schalala-Fraktion heizt bundesweit die Abiturjahrgänge ein, wer Kunst machen will, kann Kunst machen und selbst die alte Garde um Sido und Samy Deluxe kann zumindest wirkungsvoll wettern, wie kulturlos das ja alles ist. In einer solchen allgemeinen Euphorie, fällt es leicht, diejenigen zu vergessen, die dabei auf der Strecke geblieben sind. Diejenigen, die teilweise vor Jahren die Grundlagen für den heutigen Mainstream schufen, aber für ihre Zeit zu krass waren, um selbst dazuzugehören und für die sich jetzt keine Sau interessiert. Und in meinen Augen war zuletzt leider auch LGoony einer von denen. Gemeinsam mit Life From Earth und Berg Money Gang in Österreich war der Kölner damals mit dafür verantwortlich, dass deutschsprachiger Cloudrap auch außerhalb des Internets eine Relevanz bekam und der vor allem den Charakter der heutigen Szene sehr stark prägte. Sein Grape Tape von 2015 ist in meinen Augen bis heute eine Art Goldstandard unter den damaligen Mixtapes und mit dem ein Jahr später veröffentlichten Kollabo-Album mit Crack Ignaz machte er sich im Untergrund mehr oder weniger unsterblich. Was ihn dabei aber von den meisten seiner Kollegen unterschied, war eine etwas undurchsichtige Form von Rap-Realness, die ihn zwar erstmal zum Brückenbauer mit dem Rest der Hiphop-Welt machte, wenig später aber auch sein Verhängnis wurde. Denn während Haiyti und Yung Hurn gefühlt mit jedem Song etwas komplett neues machten und neben ihnen mit der Zeit plötzlich Leute wie 187, Rin und Ufo auftauchten, wirkte LGoony irgendwann sehr statisch und auch ein bisschen langweilig. Auf Intergalactica von 2016 bekam man davon zum ersten Mal eine Ahnung, doch alles, was danach kam, wirkte nur noch mehr wie ein halbgarer Versuch, sich selbst wieder interessant zu machen. Airforce Luna, Lichtgang, New Level: Obwohl der Kölner innerhalb der Bewegung sicherlich am meisten ein tatsächlicher Rapper war, kam er in den letzten drei Jahren nicht so richtig von der Stelle. Und leider muss ich dieses Resultat auch nach Lightcore erstmal so stehen lassen, wenngleich mit ein paar Abstrichen. LGoony spielt hier zwar weiter seinen alten Stiefel und macht nichts grundlegend neu oder anders, wenigstens ist das aber wieder halbwegs souverän. Wobei sich zumindest letzteres bereits in den Promo-Tracks abzeichnete: Songs wie Zeit, Grünweiße Scheine und Check waren das beste, was der MC seit einigen Jahren veröffentlicht hatte und bezogen sich wieder auf altbekannte Stärken: Eingängige Hooks, mit übelsten Punchlines gepfefferte Strophen und die rotzige Attitüde eines hedonistischen Rich Kids. Und im Gegensatz zu Intergalactica waren diese Ansätze hier auch wieder wirkungsvoll. Auf dem fertigen Album setzt sich das aber nur bedingt fort. Mit 46 Minuten ist Lightcore schon wieder arg lang geworden, was auch hier wieder dazu führt, dass die Platte etwas monoton wird. Vor allem, da eine große Themenvielfalt nicht gerde zu LGoonys großen Stärken gehört. Musikalisch sind die Tracks hier ein bisschen melodischer und moderner, trotzdem muss man ganz klar sagen, dass diese LP auch klanglich ein bisschen in 2015 hängengeblieben ist. Sobald der Rapper hier versucht, ein wenig zu experimentieren, endet dies zumeist in Totalausfällen wie Paradise Bay oder Oh Mein Gott, die im besten Fall nach altem T-Pain-Zeug und im schlimmsten Fall nach Roland Kaiser klingen. Wenn LGoony hier überzeugen kann, dann ist das nach wie vor im Rap-Bereich. Stücke wie All Star Game oder Grünweiße Scheine wären bestenfalls durchschnittlich, würde der Rapper in den Strophen nicht mit jeder einzelnen Zeile unglaublich abliefern. In diesen Parts findet sich das einzige Element, in dem wirklich ein bisschen Kreativität steckt, die sich auch lohnt. Was zum Schluss in Verbindung mit ein paar stabilen Instrumentals (meistens von DJ Heroin, mit dem LGoony schon immer am besten klang) doch noch für ein paar echte Hits sorgt. Songs wie Zeit, Droptop Music und Check (letzteres auch wegen des grandiosen Harry Quintana-Features) sind keinen Deut schlechter als das Zeug, das damals auf dem Grape Tape war, nur eben umgeben von etwas mehr Mittelmäßigkeit. Der Absolute Ausnahme-Track auf Lightcore ist ganz zum Ende aber definitiv Neu geboren, an dem alle meine hier aufgeführten Kritikpunkte komischerweise abperlen. Mit seinen Lyrics über Beständigkeit, Loyalität zur Crew, Indie-Attitüde und Erfolgsmanagement ist er zum ersten Mal eine ernsthafte Ansage dieses Rappers, die sogar ein bisschen emotional rüberkommt. Sie zeigt hier einmal ganz kurz, wie reif und unübertrieben LGoony tatsächlich Songs schreiben kann und wirft damit vor allem die Frage auf, warum wir hier nicht mehr davon hören. Die drei Minuten dieses Closers zeigen einen Musiker, von dem ich 2019 tatsächlich begeistert sein kann und der nicht nur ganz passabel seine alten Leisten grindet, wie auf dem Rest der LP. Wieso also versteckt sich dieser Typ? Beantworten kann ich das letztendlich nicht, schade finden aber schon. Und obwohl Lightcore am Ende trotzdem ziemlich okay ist, geht man hier mit der Frustration raus, dass wesentlich mehr möglich wäre. Nach Intergalactica dachte ich, LGoony wäre mit seinem Latein am Ende, nach diesem Album weiß ich, er hat einfach nur keinen Bock, besser zu sein. Und das ist einfach nur bescheuert.


Klingt ein bisschen wie:
Juicy Gay
Hallo wie gehts?

Future
EVOL

Persönliche Highlights: Zeit | Grünweiße Scheine | Nacht | Check | All Star Game | Droptop Music | Neu geboren

Nicht mein Fall: Paradise Bay | Oh Mein Gott

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