Samstag, 16. Februar 2019

the Moody Blues





















[ emotional | kämpferisch | hedonistisch ]

Gerade mal gut ein halbes Jahr alt ist Sweetener, das letzte Album von Ariana Grande, trotzdem ist es zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr ansatzweise aktuell. Inzwischen wissen wir, dass die Sängerin nicht das starke, optimistische und professionelle Sonnenscheinchen ist, für das man sie lange hielt, sondern in Wahrheit ein Popstar, dem das Schicksal in den letzten Jahren extrem übel mitgespielt hat. Manchester, Mac Miller, Pete Davidson und über allem der fleißig nachbereitende Medienzirkus waren allesamt Sachen, die spätestens 2018 ein bisschen die Fassade fallen ließen und offenbarten, wie beschissen das Leben der Ariana Grande eigentlich war. In meinen Augen zum allgemeinen Besten, denn nicht nur bekam man dadurch einen Mordsrespekt vor dem Durchhaltevermögen dieser Frau, es setzte auch eine Art öffentliche Aufarbeitung ihres Starseins in Gang, der wiederum das Gespräch über mentale Gesundheit in der Musikbranche als größeres Thema in den Mainstrem brachte. Grande selbst war in dieser Geschichte häufig absolut bewundernswert und hätte als Quasi-Schirmherrin dieses Diskurses nicht großartiger sein können. Nicht zuletzt deshalb wählte ich sie Ende des Jahres zu meiner "musikalischen Persönlichkeit des Jahres". Und auch abgesehen davon ist es schön, dass gerade jemand wie sie der wichtigste Popstar des Augenblicks ist, weil ihr tatsächlich ein gewisser Vorbildcharaker innewohnt. Bei allem Applaus, den ich dieser Frau aber berechtigterweise geben muss, mit ihrer Musik hat das alles ziemlich wenig zu tun. Was diesen Teil ihrer Karriere angeht, ist Grande in den letzten zwei Jahren nicht wirklich interessanter geworden als vorher, vielleicht sogar ein bisschen schlimmer. Schon Sweetener war meiner Empfindung nach ein ziemlich überbewertetes Album, das außer ein paar guten Singles (die es aber auch schon auf den Vorgängern gab) nicht viel abwarf, das war aber wenigstens nur langweilig. Viel schlimmer war hingegen Ende 2018 alles, was im Bezug auf Thank U, Next, den werdenden Titelsong dieser neuen LP, passierte. Alle tollen Dinge, die Ariana Grande menschlich geleistet hatte, waren in meinen Augen kurz Null und nichtig angesichts dieser Katastrophe von einer Single, die für mich ganz klar ihren bisherigen künstlerischen Tiefpunkt darstellte. Nicht nur ist dieser Song musikalisch völlig belanglos, er setzt auch das Prinzip des Andenkens vollkommen verzerrt um. Ich will nicht behaupten, Grande wollte hier primär einen Tribute-Track aufnehmen und ich unterstelle keine bösen Absichten, aber kurz nach dem Tod von Mac Miller einen Part über ihn zu schreiben, der letztendlich nur dazu führt, den eigenen emotionalen Reifeprozess in ein schöneres Licht zu rücken, ist möglicherweise etwas unsensibel. Noch dazu durch den lyrischen Kontext, den die Sängerin schafft und mit der titelgebenden Phrase ihre Exen durchkommentiert, als wäre ihr Beziehungsleben ein Weintasting. Wie gesagt, ich möchte nicht über die Privatperson Ariana Grande urteilen, nur die Form, wie sie das hier vorstellt, kommt mir etwas geschmacklos vor. Und dass diese Premisse nun den Titel für eine neue LP stellen sollte, kam bei mir logischerweise nicht ganz so gut an wie bei vielen anderen. Wobei das Ergebnis letztendlich nicht so schlimm ist, wie zunächst gedacht. Thank U, Next ist ein halbes Jahr nach Sweetener nun das offizielle Aufarbeitungs-Album der Sängerin und beschäftigt sich fast konzeptuell mit Ursachen und Wirkungen ihres Lebens, die einem mitunter echt nah gehen. So schreibt sie hier über Schnellschuss-Beziehungen, ekelhafte Verhaltensweisen und materialistische Anfälle als Folge von öffentlichem Drama und man hat dabei schon das Gefühl, dass sie hier ernsthaft was loswerden möchte. Sie zeigt sich hier sehr offen, hasst sich auch mal selbst und schlägt über die Stränge, was einem mehr als alles andere das Gefühl von Menschlichkeit gibt. Wobei nichts in der Welt so menschlich ist wie Fehler, und auch von denen macht Frau Grande hier jede Menge. Einige davon sind musikalischer Natur, zum Beispiel die wieder sehr monotone klangliche Ausgestaltung in vielen Tracks oder die fatale Entscheidung, auf In My Head die Sängerin selbst die Adlibs singen zu lassen. Andere wiederum sind Teil des inhaltlichen Konzepts und dabei zumindest meiner Meinung nach wesentlich schwerwiegender. Denn hier gibt es Stücke, in denen Ariana Grande einfach nur ziemlich dämlich und egositisch rüberkommt. Das sind dann nicht jene, auf denen sie dieses Verhalten offen kommuniziert und sich reumütig gibt, sondern die anderen, in denen sie angebliche Triumphe besingt und die Ergebnisse ihrer psychischen Reinkarnation bewundert haben möchte. An diesen Stellen wirkt sie nicht selten ignorant, narzisstisch und mitunter auch doppelzüngig. Teilweise hat man hier das Gefühl, ihre Erkenntnisse seien die wichtigsten von allen und das Streben nach persönlicher Erfüllung die Lösung sämtlicher Probleme. Und das ist nicht nur eine verkürzte Aussage, es ist auch eine sehr paradoxe, da Grande sich (und Andere) in anderen Momenten für eben dieses Verhalten verurteilt. Normalerweise würden mich solch psychologische Feinheiten eigentlich nicht interessieren oder ich würde diese zumindest unkommentiert lassen, hier lässt mir die öffentliche Meinung jedoch keine Wahl. In der Woche, die dieses Album nun draußen ist, wird es allerorten als großes moralisches Statement gewertet, das es in meinen Augen ganz einfach nicht ist. Klar, es spricht gewisse Dinge an, die niemand sonst in der Kragenweite einer Ariana Grande ansprechen würde, doch es tut dies nur halbherzig. Und klar kann ich dieser Frau nicht in den Kopf schauen, geschweige denn ihre Situation verstehen, aber ich bewerte hier ja auch nur die Musik, die sie zu diesem Thema veröffentlicht. Wobei eine gewisse Form von Glaubwürdigkeit bei so einer starken Message für mich dazugehört. Und da muss ich ganz klar sagen, dass andere dieses Thema schon besser bearbeitet haben, allen voran Grandes verblichener Kumpel Mac Miller. Das alles ändert nichts daran, dass die Sängerin einen fantastischen Umgang mit ihrem öffentlichen Diskurs findet und dass sie ganz allgemein und überhaupt sehr bewundernswert bleibt. Nur die Sache mit der Musik ist leider noch immer so eine Baustelle, und da es hier primär um letzteres geht, wird Ariana Grande bei mir wohl erstmal keine Wunder vollbringen.


Klingt ein bisschen wie:
Christina Aguilera
Liberation

Mac Miller
Swimming


Persönliche Highlights: NASA | Bloodline | Fake Smile | Bad Idea | 7 Rings

Nicht mein Fall: Make Up | In My Head | Thank U, Next | Break Up With Your Girlfriend, I'm Bored

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