Sonntag, 3. Februar 2019

South American Poetry




















[ verspielt | halbakustisch | latin-folkig ]

Als ich 2015 das letzte Mal über Juan Wauters schrieb, vermerkte ich beiläufig, dass dieser ein Songwriter aus New York wäre. Und rein faktisch ist das nicht verkehrt: Wauters lebt und arbeitet seit Jahren dort und hat zumindest seine Karriere als Musiker fast ausschließlich dort verbracht. Dass sein Background ein anderer ist, weiß man allerdings spätestens seit seinem Solodebüt North American Poetry von 2014. Damals sang der gebürtige Uruguayaner das erste Mal einige Stücke auf spanisch, seiner anderen Muttersprache, was vielleicht das einzige war, was ihn zu diesem Zeitpunkt von seinem Labelkollegen Mac DeMarco unterschied. Über die nächsten Jahre wurde dieser Hintergrund zu einem wichtigen Element seiner Musik, die nicht nur in den Texten zum Vorschein kamen, sondern auch in der Art, wie Wauters spielte. Seine Einflüsse kamen nicht mehr ausschließlich von US-amerikanischen SongwriterInnen wie Bob Dylan, Paul Simon und Joni Mitchell, sie wurden stärker auch durch Impulse des Latin Folk ergänzt. Dass dabei früher oder später ein Album wie La Onda de Juan Pablo rauskommen würde, war da eigentlich abzusehen. Dennoch erscheint es jetzt erstmal wie ein großer, wichtiger Schritt, was sicherlich auch mit der Entstehung dieser LP zu tun hat: Aufgenommen wurden die zehn Stücke in verschiedenen Studios überall in Mittel- und Südamerika, teilweise mit der Unterstützung prominenter lokaler Studiomusiker*innen, gesungen wird zum ersten Mal komplett auf spanisch und auch in der Musik selbst finden sich diesmal deutliche Elemente lateinamerikanischen Folk-Songwritings. Man könnte das ganze jetzt politisieren und sagen, Juan Wauters wäre Teil einer größeren Bewegung von US-Musiker*innen mit Latino-Wurzeln, die sich gerade wieder stärker den Bezug zu ihren Traditionen suchen (Cardi B, Bad Bunny, Luis Fonsi etc.), doch rein von der Musik her gibt La Onda de Juan Pablo eigentlich keinen Anlass dazu. Viel eher ist das hier ein Album, auf dem der New Yorker eine neue Verspieltheit sucht, die in den klanglichen Impulsen seiner Kindheit vielleicht zu finden ist. Entsprechend naiv und ungezwungen klingt dann auch vieles hier: Viele der Gastbeiträge wie das Soxofonsolo in Blues Chilango oder das Akkordeon in Mi Vida, sind sehr klobig in den Gesamtmix eingefügt und wirken teilweise deplatziert und generell gibt es hier viele kompositorische Exkurse, die zwar sehr basiskreativ sind, aber auch kein wirkliches Ziel haben. Problematisch wäre so etwas, würde Juan Wauters das hier als unglaublich ernsthaftes Projekt betrachten, doch glücklicherweise ist das Konzept auch auf inhaltlicher Ebene ähnlich lose: In Disfruta La Fruta singt Wauters von den Obstsorten, die er gerne ist, Guapa ist eine leichtfüßige Liebesschnulze und in Blues Chilango gibt der Sänger ein paar zufällige Beobachtungen aus der städtischen Straßenbahn zum Besten. Manchmal ist das schrullig, mal niedlich und manchmal auch einfach nur albern, doch immer irgendwie sympathisch und kommt mit dem typisch schelmischen Juan Wauters-Humor daher. Und die albumübergreifenden Naivität sorgt immerhin dafür, dass ich die meisten Texte sogar mit meinem lausigen A2-Touri-Spanisch ein bisschen verstehe. Das alles sind zwar keine Faktoren eines ausgeklügelten, planvollen Albums und mit 29 Minuten ist das hier auch nicht wirklich eine große Sache, aber gerade weil es sich selbst nicht so ernst nimmt, kann ich vieles hier genießen, das ich unter anderen Umständen vielleicht verurteilt hätte. Und obwohl La Onda de Juan Pablo dabei sicherlich das bisher lotterigste Gesamtwerk seines Schöpfers ist, ist es irgendwie auch sein bisher bestes. Zum einen, weil er hier einfach mal macht, statt groß konzeptuell zu sein und zum anderen, weil er dadurch irgendwie seine kompositorische Persönlichkeit gefunden hat. Auch wenn sie vielleicht nicht das ist, was von diesem Album bleiben wird.


Klingt ein bisschen wie:
Tony Molina
Confront the Truth

Simon & Garfunkel
Bridge Over Troubled Water

Persönliche Highlights: Disfruta La Fruta | El Señor | Blues Chilango | Guapa | Candombe Instrumental | Mi Vida | Machete 2

Nicht mein Fall: Machete

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