Montag, 22. August 2022

All Play and No Work

Florist - Florist
FLORIST
Florist
Double Double Whammy
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ unsauber | intim | skizzenhaft ]
 
Ich war vor drei Jahren nicht dabei, als das dritte Album der New Yorker Gruppe Florist, Emily Alone, über den Sommer hinweg zu einer der größeren Indie-Sensationen der Saison wurde und ohne große Vorwarnung zu einem echten Darling vieler Kritiker*innen und Nerds avancierte. Warum es passierte, ließ sich ob der musikalischen Impressionen aber auch für mich schnell nachvollziehen. Denn Florist, was in Fall dieser Platte vor allem ihre Frontfrau Emily Sprague bedeutete, waren sehr schnell als einer der Acts der Sorte Big Thief und Clairo zu identifizieren, die in ihrer Musik die Erbverwaltung des Indiefolk-Entwurfs von Sufjan Stevens und Elliott Smith zu übernehmen gedachten und mit ihren Songs ein ähnlich wärmend-intimes Gefühl zu fabrizieren vermochten, dem man sich einfach nicht entziehen konnte. Ein Vorhaben, dessen sich auch der selbstbetitele Nachfolger drei Sommer später wieder annimmt und dabei erstaunlich cool mit den Erwartungen umgeht, die eine Erfolgsplatte wie Emily Alone vorauswirft. Denn in vielerlei Hinsicht ist das hier für die Verhältnisse dieses stilistischen Entwurfs eine ganz schön experimentelle und stellenweise sogar herausfordernde Platte geworden. Und damit vor allem eine, die sich der Laufkundschaft gefälliger Folkfans im Internet nicht anzubiedern versucht. Schon die Struktur ist bei der ganzen Sache eine ziemlich ungewöhnliche, mit insgesamt 19 Tracks, einige davon unter einer, andere über sechs Minuten lang, in 57 Minuten, die dann auch ästhetisch nicht den Weg des geringsten Widerstands geht. Überall gibt es hier kleine Vignetten und verhaltene Momente, in denen die Band mit lauschigen Field Recordings spielt, unsauberes und unberechenbares Mixing einbastelt oder kleine Studiodialoge drinlässt, die vielem hier den Eindruck eines sehr verspielten und offenen Aufnahmeprozesses geben, in dem alles erlaubt und weniges eingeschränkt war. Und wo das Hauptaugenmerk am Ende zwar trotzdem noch auf schnuffligen Gitarrensongs wie Red Bird Pt. 2, Organ's Drone oder River's Bed liegt, in denen klangtechnisch alle Register der Schöngeistigkeit gezogen werden, sind es auf seltsame Weise doch die Teile dazwischen, mit denen die Beurteilung dieser Platte steht und fällt. Denn auch wenn es wenige dieser kleinen Spielereien gibt, mit denen ich ernsthaft ein Problem habe, nehmen sie doch viel Platz für Dinge ein, die relativ wenig zum Vorankommen des Albums beitragen. Ein Stück wie Duet for Guitar and Rain ist ja im ersten Moment ganz lustig, wenn bis zum nächsten "richtigen" Song aber gerne Mal drei oder vier solcher Vignetten aufeinander folgen, hält das die LP in meinen Augen schon ziemlich auf. Und wenn viele der längeren Tracks dann auch noch instrumental bleiben und sich selbst damit nicht mal die Möglichkeit einräumen, vom wunderbaren Lyrizismus einer Emily Sprangue zu profitieren, ist das für meine Begriffe dann schon ein bisschen Zeitverschwendung. Zwar machen Florist dabei in keinem Moment etwas effektiv schlecht und selbst langweilig werden sie hier selten, doch verbauen sie sich durch die ganze Frickelei schon ab und zu die Möglichkeit, einfach mal wieder ein paar coole Songs zu schreiben. Denn wo es davon hier sicherlich drei oder vier gibt, die mich auch wirklich berühren, könnten es ohne die ganze Spielerei locker auch acht bis zehn sein. Dass es prinzipiell geht, haben wir ja an den vergangenen Alben von Florist gemerkt und mehr als eine Band ohne Ideen fühlen sie sich hier einfach ein bisschen an wie eine, die ihre Studiozeit zu sehr verprokrastiniert hat und am Ende bloß mit einem halben Longplayer rauskam. Einem der, so fair muss ich an dieser Stelle sein, trotzdem noch ein ziemlich gelungener geworden ist. Nur eben nicht das, was eine Gruppe wie diese eigentlich draufhat.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11
 
 
Persönliche Höhepunkte
Red Bird Pt. 2 (Morning) | Bells Pt. 1 | 43 | Bells Pt. 2 | River's Bed | Sci-Fi Silence | Dandelion | Feathers | Jonnie On the Porch

Nicht mein Fall
-

Hat was von
Adrianne Lenker
Abysskiss

Sufjan Stevens
Carrie & Lowell


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