Donnerstag, 25. August 2022

Zur rechten Zeit

Chat Pile - God's Country
CHAT PILE
God's Country
the Flenser
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ klagend | lärmig | intellektuell ]

Es ist für mich ja schon unter ganz normalen Verhältnissen immer eine ganz besondere Freude, im Rahmen dieses Formats alle Jubilare mal auf ein richtig gutes Hardcore-Album zu stoßen, von denen es für mich erfahrungsgemäß pro Saison maximal so ein oder zwei gibt, die mich wirklich beeindrucken (wenn überhaupt). Und im Falle des Debüts von Chat Pile, einer aufstrebenden Gruppe aus Oklahoma mit Vertrag beim Vertrauens-Indie the Flenser, freut es mich gerade nochmal ganz besonders. Denn zum ersten Mal seit gefühlt zehn Jahren entdecke ich mit ihnen momentan eine Band, deren Musik mir auf mysteriöse Weise denselben Vibe kompositorischer Ästhetik gibt, den ich zum letzten Mal bei Acts wie Retox, Have A Nice Life, Giles Corey oder den Big Ups zu Anfang der letzten Dekade gehört habe. Wobei Chat Pile streng genommen nicht mal eine Gruppe sind, die man oberflächlich gesehen mit eben genannten vergleichen kann. Wenn man es ganz genau nimmt, dann sind sie eigentlich nicht mal wirklich eine Hardcore-Band. Unter Sludge Metal und Noiserock laufen sie aktuell bei den meisten Musikformaten, was schon irgendwie passend ist, aber letztlich auch nur einen Teil des Spektrums abbildet. Viel eher klingen sie auf God's Country wie eine Metal- und Noise-lastigere Version einer Band wie Black Midi oder Black Country, New Road, die eben auch ein bisschen auf olles Slint- und Shellac-Zeug, Sprechgesang und lange Postrock-Motive steht. Und weil sie dabei durchweg so schaurig, deprimiert und nihilistisch klingen, ist es auch leicht, sie mit der ganzen Grufti-Fraktion aus den frühen Zwotausendzehnern in einen Topf zu werfen. Mit dem winzigen Unterschied, dass Chat Pile eben trotzdem etwas jünger als die sind und deshalb auch einen komplett dämlichen Songtitel wie grimace_smoking_weed.jpg am Start haben. Was sich aus all diesen Einflüssen und Attitüden am Ende ergibt? In meinen Augen mit ziemlicher Sicherheit eines der besten lauten Alben des Jahres, das den Begriff des Monogenre zumindest wirkungsvoll auf alles zurechtdefiniert, was finster, gequält und dreckig klingt. Und sich damit für mich auch ziemlich wirkungsvoll in die Riege der ganzen Windmill- und Post-Post-Formationen einordnet, die Rockmusik gerade wieder ziemlich interessant klingen lassen. Am Ende sogar mit dem kleinen Bonus, dass sie unter denen Stand jetzt auch noch die lautesten und räudigsten sind. Dass meine Freude über die Existenz dieser LP gerade ziemlich groß ist, sollte also nachvollziehbar sein und ich bin mir tatsächlich gerade nicht sicher, wann genau ich das letzte Mal ein Rock-Debütalbum gehört habe, das so dermaßen auf den Punkt formuliert und stilistisch ausgereift war. Und auch wenn ich mit der jetzigen Entdeckung nicht zu denjenigen Nerds gehöre, die Chat Pile schon die letzten Jahre über durch ihre in gewissen Kreisen anscheinend ebenfalls krass abgefeierten EPs auf dem Schirm hatten, kann ich in diesem Fall doch wenigstens sagen, dass ich nicht viel zu spät dazugekommen bin. Im Gegenteil: Einen optimaleren Zeitpunkt hätte es in meinen Augen nicht geben können.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11


Persönliche Höhepunkte
Slaughterhouse | Pamela | Wicked Puppet Dance | Anywhere | Tropical Beaches, Inc. | the Mask | I Don't Care If I Burn | grimace_smoking_weed.jpg

Nicht mein Fall
-

Hat was von
Black Country, New Road
For The First Time

Black Sheep Wall
I'm Going to Kill Myself


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