Dienstag, 24. Oktober 2017

Bring da Mothafuckin' Ruckus!

Achtung, aufgepasst bei diesem Bandnamen! Auch wenn es erstmal so scheint, als wäre dieses neue Album the Saga Continues ein Tonträger des bekannten und beliebten New Yorker Hiphop-Kollektivs Wu-Tang Clan, es ist tatsächlich nicht ganz so. Denn obwohl zum vollständigen Namen nur noch ein kleiner Zusatz fehlt und die Besetzung hier der des "richtigen" Clans sehr ähnlich ist, es ist nur fast das Original. Weil Gründungsmitglied U-God im Vorfeld der LP mit dem Rest der Crew in Streit über Songrechte kam, ist er an dieser neuen Platte nicht beteiligt und wenn nicht alle dabei sind, ist es natürlich nicht dasselbe. Eigentlich ein sehr nobler Move des Kollektivs, wenngleich einer, den sie nicht das erste Mal bringen. Schon vor ungefähr zehn Jahren probierten die New Yorker diesen Etikettenschwindel, nachdem durch das Ableben von Ol' Dirty Bastard die Stelle, die wenig später Cappadonna besetzte, noch vakant war. Die Umstände diesmal sind aber zum Glück nicht ganz so dramatisch. Viel eher befindet sich der Wu-Tang Clan gerade inmitten eines ziemlich glücklichen zweiten Frühlings, der schon einige Jahre andauert. 2014 feierte das Kollektiv sein offizielles Comeback mit dem sehr guten Album A Better Tomorrow, das wenig später noch durch die Sensation um seinen Nachfolger Once Upon A Time in Shaolin ausgestochen wurde. Mit einer einzigen angefertigten Kopie wurde die LP 2015 zum teuersten Tonträger aller Zeiten und als wenig später herauskam, dass niemand geringeres als Pharma-Mogul Martin Shkreli diesen erworben hatte, war das Geschrei groß. Dieser versprach auch noch zu allem Überfluss, einen kostenlosen Download der LP zu veröffentlichen, würde Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt werden. Inzwischen gab es von Shkreli einen Livestream dieses Albums zu hören, bevor er selbiges für über eine Million Dollar weiterverkaufte. Eigentlich eine Story für sich. Tatsache ist einfach nur, dass es dem Wu-Tang Clan gerade deutlich schlechter gehen könnte und er seit vielen Jahren auch endlich mal wieder gute Musik veröffentlicht. Demenstsprechend hoffungsvoll war ich, als ich hörte, dass mit the Saga Continues nun auch eine weitere richtige LP nach A Better Tomorrow angekündgt wurde. Die von RZA lancierte Leadsingle Lesson Learn'd war zudem gar nicht übel und ganz ehrlich, dass U-God fehlt, ist alles andere als ein Beinbruch. Er war ohnehin immer einer der schwächeren MCs des Clans und ist nicht unbedingt unersetzlich. Wenn es dafür außerdem Features von Redman und Sean Price gibt, ist das durchaus verzeihlich. Doch wo ich abgesehen von U-Gods Abwesenheit eigentlich ein vollwertiges neues Album erwartet hatte, ist das hier am Ende doch eher eine Art eingeworfenes Mixtape geworden. Von den 18 neuen Tracks gibt es eigentlich keinen, der so gut ausgearbeitet und stilistisch kreativ ist wie die Sachen von A Better Tomorrow und auf der ganzen LP leiert der Clan mehr oder weniger nur die elende Oldschool-Nummer durch. Gäbe es nicht ein paar wenige Experimente mit Autotune und eine ganze Menge lyrische Rückbezüge auf die Once Upon A Time in Shaolin-Geschichte, könnte man meinen, die Platte hätte schon mindestens 15 Jahre auf dem Buckel. Glauben die Musiker hier wirklich, dass 2017 noch irgendjemand diese Kung-Fu-Film-Samples und grauenvollen LoFi-Beats spannend findet? Sicher, es sind genau die Elemente, die die Marke Wu-Tang in den Neunzigern groß machte, aber man muss davon auch irgendwann loslassen können, wenn es nur noch die blanke Reproduktion ist. Gerade diese Eigenschaft mochte ich an A Better Tomorrow, das wirklich neue Horizonte für den Clan aufzeigte und seine musikalische Tradition mit echt originellen Elementen verband. The Saga Continues schmeist sich zwar für ein paar Hooks an modernen R'n'B und Neo-Dancehall ran, doch enden diese Versuche, wie My Only One, meistens ziemlich peinlich. Wu-Tang klingen hier zum ersten Mal wirklich wie die Gruppe von Rap-Opas, die keine Ahnung mehr davon hat, was eine jugendliche Zielgruppe hört, die aber dennoch auf Biegen und Brechen versuchen, diese anzusprechen. In dieser Hinsicht haben sie aber schon mit diesem seltsamen Comic-Artwork verkackt, das arg nach den Neunzigern müffelt. Auch ist es schade, dass einige der besten Rapper des Kollektivs wie Ghostface Killah, Raekwon oder Method Man nur in wenigen Songs der LP auftauchen und sich auch da nicht wirklich Mühe geben. Wirklich großartige Parts wie den von Method Man in Hood Go Bang! gibt es wenige, dafür umso mehr schwache und sogar echte Rohrkrepierer wie Streetlifes Strophe in If What You Say is True. Das alles noch richtig beschissen produziert und fertig ist das sicherlich unwürdigste Album des Wu-Tang-Clan im neuen Jahrtausend. Es gibt sicher Menschen, denen das hier gefällt, weil es wieder stärker nach dem alten Material klingt, aber es ist erstens eher ein schlechter Abklatsch davon und zweitens erweckt es den Anschein, dass diese Rapper nichts anderes mehr können als die Verwaltung ihres eigenen Erbes. Dabei hat der Clan doch bereits gezeigt, dass dem nicht so ist. Die New Yorker können durchaus noch immer diese großen Alben machen, die man von ihnen so liebt und dabei in einem gewissen Rahmen sogar progressiv sein. Davon würde ich zu diesem Zeitpunkt gerne noch mehr hören und weniger vom ewigen Retro-Gestreichel. Ihr wollt den mothafuckin' ruckus? Dann bringt ihn gefälligst zurück!





Persönliche Highlights: Lesson Learn'd / If Time is Money / People Say / Why Why Why / Hood Go Bang!

Nicht mein Fall: Fast & Furious / Berto & the Friend (Skit) / If What You Say is True / My Only One

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