Sonntag, 22. Oktober 2017

Blues für Zwei

Es gibt eigentlich keinen rationalen Grund, warum ich mich auf ein Album wie Lotta Sea Lice freuen sollte, und dafür gibt es verschiedenste Gründe. Erstens bin ich kein besonders großer Freund der beiden darauf zu hörenden KünstlerInnen. Von Kurt Vile mochte ich bisher nur einige wenige Songs überhaupt und seine musikalische Attitüde nervt mich bisweilen schon ein bisschen. Courtney Barnett ist zwar ziemlich witzig, aber auch ihr ziemlich abgefeiertes Debüt von 2015 empfand ich als ein kleines bisschen überbewertet. Zudem hatte ich nicht den Eindruck, dass die beiden auf einem gemeinsamen Album wirklich zusammenpassen würden und mit Duetten kann man mich bis auf wenige Ausnahmen sowieso jagen. Allerdings gehören diese beiden Menschen wahrscheinlich zu den wichtigsten Acts, die sich momentan im Americana-Dunstkreis herumtreiben und eine solche Kollaboration von ihnen ist somit eben eine ziemliche Sensation, für die sich bestimmte Leute interessieren. Und ein bisschen hatte trotz aller Gegenargumente auch ich den Eindruck, dass diese LP etwas werden könnte. Immerhin muss man sowohl Vile als auch Barnett zugestehen, dass sie Songs schreiben können. Außerdem hat ersterer bei mir in Sachen Features zumindest einen Punkt, weil er letztes Jahr das großartige Let Me Get There mit Hope Sandoval gemacht hatte. Letztendlich hatte ich aber sowohl mit meinem Unmut als auch mit meiner Neugier hier irgendwie recht. Lotta Sea Lice ist kein sensationelles Album, aber ich kann auch sehr verstehen, wenn man es ein bisschen ins Herz schließt. Vor allem textlich blühen die beiden SongwriterInnen hier auf und schaffen es mit einem sehr dialogischen lyrischen Prinzip, dass teilweise sehr an Bands wie die Moldy Peaches oder Empire! Empire! erinnert, eine ziemlich gute Chemie aufzubauen. Viele der Stücke, in denen die Zwei auf diese Art und Weise kommunizieren, sind dann tatsächlich ganz schön niedlich und haben auf jeden Fall jede Menge Herz in sich. Ähnlich wie beim letzten Album von Barnett kann man sich leicht an einzelnen Zeilen aufhängen und diese dann gedanklich einrahmen. Das führt folglich nicht zuletzt dazu, dass ich mich zum ersten Mal überhaupt für die Texte von Kurt Vile interessiere. Und allein deshalb könnte Lotta Sea Lice eigentlich ein ziemlich gutes Album sein, wenn nur das musikalische Backing etwas aufregender wäre. Betrachtet man es von außen, scheitert diese Platte an einer eher einfachen Aufgabe, nämlich der Zusammenstellung von coolen Melodien. Für zwei KünstlerInnen, die es schaffen, über 44 Minuten hinweg eine coole Spannung untereinander aufrecht zu erhalten und sich dabei stilistisch selbst zu übertreffen, sollte das eigentlich das geringste Problem sein. Doch leider passt mir genau das an dieser LP nicht so richtig. Was man klanglich hier mitbekommt, ist so etwas wie der schlechte Konsens aus den Stilen beider Acts. Das sehr Americana-lastige Creedence-Songwriting von Kurt Vile und der Indie-Garagenpunk von Courtney Barnett finden hier schon irgendwie ganz gescheit zusammen, aber beide opfern dafür eine gewisse musikalische Einzigartigkeit. Was man hier hört ist Country-Rock-Standard mit wenigen Überraschungen, der mehr oder weniger nur die Tapete für das ist, was textlich passiert. Ein bisschen mehr hätte ich mir da schon gewünscht. So ist Lotta Sea Lice zwar trotzdem ein gutes Album, aber scheitert kurz davor, so richtig gut zu sein, was ein bisschen schade ist. Für meine Auffassung der beiden Beteiligten ist es trotzdem das beste, was sie seit Jahren gemacht haben. Insbesondere für Kurt Vile, der momentan an einem Punkt in seiner Karriere ist, an der vieles nur noch stagniert. Für seine Partnerin könnte diese LP indes der Ausgangspunkt für ein paar coole stilistische Moves sein, die ihren Output etwas geordneter und findiger machen. Diesen pädagogischen Aspekt fände ich dann noch viel wichtiger als das Album an sich, was allerdings auch eine ziemlich spekulative Sache ist. Stand Oktober 2017 haben Barnett und Vile ein ziemlich solides Collabo-Projekt aufgenommen, das ein bisschen besser hätte sein können. Ich sollte nicht so tun, als ob das nichts wäre.





Persönliche Highlights: Over Everything / Fear is Like A Forest / Outta the Woodwork / Continental Breakfast / Blue Cheese / Peepin' Tom

Nicht mein Fall: Let It Go

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