Sonntag, 24. September 2023

Die Wochenschau (11.09.-24.09.2023): James Blake, Slowdive, Jeff Rosenstock, Alice Cooper, Sprain und und und...

 


Alice Cooper - RoadALICE COOPER
Road
Ear

 
 
 
 
 
 
 
 
Es ist absolut nichts neues, was die alte Vogelscheuche Alice Cooper auf seinem inzwischen dreißigsten Album abliefert und auf jeden Fall sollte vor Zuführung dieser handvoll Songs eine deutliche Camp-Warnung ausgesprochen sein. Wer aber zumindest ein bisschen auf den ganz alten Siebziger-Kram von Cooper steht, erlebt hier wahrscheinlich sein bestes Stück Musik im neuen Jahrtausend, das kompositorisch wieder viel von den alten Platten abguckt. Natürlich nicht ohne entsprechende Politur in der Produktion und auch ein paar Seitenhieben in Richtung härterer Gangarten, aber dafür mit starkem Songwriting und auch ein bisschen bewusstem Retro-Schimmer. An vielen Stellen erinnert mich dass an die jüngeren Soloalben von Ozzy Osbourne, mit dem Cooper ja ohnehin schon seit den späten Sechzigern weite Strecken des Wegs teilt und der genauso gut weiß, an welchen Stellen Modernisierung gut ist und welchen man oldschool bleiben kann. Nur dass dieses Album das auch hinkriegt, ohne gleich sentimental zu werden.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11





The Armed - Perfect SaviorsTHE ARMED
Perfect Saviors
Sargent House


Auf das letzte Armed-Album Ultrapop im Sommer 2021 wurde ich ja vor allem deshalb aufmerksam, weil das anonyme New Yorker Kollektiv hier wirklich eine Sorte Rock-Amalgam spielte, das ich auf diese Weise noch nie zuvor gehört hatte und bei dem ich extrem neugierig war, wie sie dieses in Zukunft weiterentwickeln würden. Zwei Jahre später heißt die Antwort darauf: eigentlich gar nicht. Denn viele Elemente des Sounds vom Vorgänger hat die Band hier erstmal wieder eingemottet und sich stattdessen eine neue Ästhetik gesucht, die ich in ihren Grundzügen als the Strokes mit mehr Blastbeats bezeichnen würde. Und sicher, gerade im Schlussteil gibt es auch ein paar spannende Jazz-Tupfer und unkreativ ist diese Platte in ihrer Gänze nicht, nur eben auch nicht ansatzweise so aufregend und originell wie die letzte. Wo das mich aber schon irgendwie enttäuscht, muss ich im nächsten Atemzug auch sagen, dass the Armed diesmal ihr Songwriting und ihre Produktion wesentlich besser im Griff haben und unterm Strich hier die stimmigeren Stücke schreiben als auf Ultrapop. Ein bisschen ist Perfect Saviors also eine Entwicklung, wenn auch nicht in die Richtung, die ich erhofft hatte.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11



Slowdive - Everything Is AliveSLOWDIVE
Everything is Alive
Dead Oceans

 
 
 
 
 
 
Als jemand, der sich 2017 hinstellte und den unsäglich blasphemischen Hot Take äußerte, das selbstbetitelte neue Album von Slowdive sei das beste ihrer gesamten Karriere, bin ich sechs Jahre später natürlich auch jemand, der dieses durchweg gelungene Comeback durch einen adäquat hochwertigen Nachfolger untermauert wissen wollte und auf Everything is Alive deshalb ziemlich gespannt war. Leider haben diesmal aber die Skeptiker*innen Recht behalten und die neue LP der Briten stellt sich als eine mittelschwere Enttäuschung heraus. Grundsätzlich ist das Problem dabei nicht, dass diesmal stärker auf atmosphärische Synthetik gesetzt wird und die Songs mehr Dreampop als Shoegaze sind, allerdings hat es schon ein bisschen damit zu tun, dass die meisten davon komplett auf Autopilot fahren und so gut wie keine interessanten Motive hervorbringen. Ein bisschen kann man sich das ganze dann noch als schwerelos-verhuschte Easy-Listening-Geschichte schönreden, viel bringt es aber auch nicht, wenn selbst der generischste Crescendo-Postrock-Quark noch aufregender ist als das hier. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 06/11






Sprain - The Lamb as EffigySPRAIN
the Lamb as Effigy
the Flenser

 
 
 
 
 
 
 
Unter den Obernerds war dieses neue Album des kalifornischen Duos Sprain vor ein paar Wochen ganz heiße Ware und führte kurzzeitig sogar die Jahrescharts bei Rateyourmusic an. Was in meinen Augen gleichermaßen sinnvoll und unbegreiflich ist. Zum einen liegt es auf der Hand, dass die Art von noisigem Avantgarde-Art-Prog, die Sprain machen und die man auch von Gruppen wie Black Midi oder Chat Pile kennt, gerade schwer en vogue ist. Auf der anderen repräsentiert diese LP für mich die denkbar anstrengendste - weil gleichermaßen arrogante und ideenlose - Variante davon. The Lamb As Effigy ist fast 100 Minuten lang, wovon die meiste Zeit entweder für unspezifische E-Musik-Kakophonien mit wüstem Geschrei oder für ausgedehnte Soundflächen draufgeht, die beide in keine wirkliche Richtung führen. Weshalb ich selbst als Freund solcher Kunstformen den Vorwurf anbringen muss, dass Sprain einfach nur pretenziös sind. Und damit definitiv nicht den Bohei wert, der aktuell um sie herum stattfindet.

🔴🔴🔴🟠⚫⚫⚫⚫ 04/11





JEFF ROSENSTOCK
Hellmode
Polyvinyl

Jeff Rosenstock - HELLMODEHellmode ist definitiv mein 'Endlich-finde-ich-den-auch-mal-gut'-Moment mit Jeff Rosenstock, was ein bisschen aber auch an den Veränderungen liegt, die er selbst hier stilistisch vornimmt. Denn obwohl die spannende Text-Sound-Schere bleibt, mit der der Songwriter schon immer peppige Instrumentals und weltschmerzige Lyrics verknüpft, ist seine klangliche Palette diesmal breiter und erfrischender. Das ausschließlich auf Poppunk (und in bisher einem Fall Ska) beruhende Songwriting der letzten Platten wird hier aufgeweicht und klingt gerne auch mal nach Weezer, Fidlar oder Ezra Furman. Mit letzterer teilt er am Ende auch das Messaging des Albums, bei dem es viel um den ernüchternden Zustand von Welt und Gesellschaft geht, aber auch um innere Heilung und den schweren Weg zurück zum Optimismus. Und unterm Strich ist es mit ziemlicher Sicherheit dieser Aspekt, der mich hier von Rosenstocks Musik überzeugt hat.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





TIRZAH
trip9love...???
Domino

Tirzah - trip9love...???Sicher dürfte an diesem Punkt in Tirzahs Karriere sein, dass ihr Weg sie eher nicht mehr in die R'n'B-Gefilde zurückholt, denen sie entstammt und dass die wüste Experimentalpop-Nummer, die sie seit einigen Jahren macht, wohl ihre Zukunft bedeutet. Und wo ich dagegen ja an sich überhaupt nichts habe - ihr erstes Album in dieser Richtung war 2021 super - wirkt die dritte LP der Britin doch trotz aller Avantgardismen etwas routiniert und abgeklärt. Was gerade bei einer Künstlerin wie ihr, die ich bisher immer aufgrund ihrer Unberechenbarkeit und naiven Kreativität mochte, schon schade ist. Ein okayes Album macht sie am Ende trotzdem.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11







James Blake - Playing Robots Into Heaven JAMES BLAKE
Playing Robots Into Heaven
UMG | Republic | Polydor


 
 
 
 
 
 
 
Die Aussicht darauf, hier wieder ein elektronisch fokussiertes Album von James Blake zu hören war nach der qualvollen Abwärtsspirale, die den Briten während der letzten zehn Jahre mehr und mehr in eine Singer-Songwriter-Rolle versetzt hatten, eigentlich eine schöne. Denn nach wie vor sind seine Talente als Produzent, die man vor allem auf seinem Debüt von 2011 hörte, meine liebsten Aspekte an seinem Output. Doch obwohl Playing Robots Into Heaven grundsätzlich das gegebene Versprechen hält und über weite Strecken herrlich nerdig an Polyrythmen und Soundeffekten herumfrickelt, haben die letztlichen Songs bei weitem nicht den Tiefgang, den ich mir dabei gewünscht hätte. Viel eher erleben wir hier ein Album, das der kompositorischen Idee seiner Vorgänger recht ähnlich ist und diesen lediglich um ein paar geekige Stunts erweitert. Und das verschlimmbessert in meinen Augen eher viel.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 06/11





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