Montag, 4. September 2023

Die Wochenschau (28.08.-03.09.2023): DJ Sabrina the Teenage DJ, Birdy, Genesis Owusu und und und...


 
 
 
 
NEAL MORSE
the Dreamer - Joseph: Part One
Frontiers


 
 
 
 
 
 
 
Meine Begeisterung für die nerdigen Progrock-Worship-Musicals von Neal Morse, die 2020 Sola Gratia bei mir auslöste, ist anscheinend keine einmalige Sache gewesen. Denn obwohl es aus der Feder des Ex-Spock's Beard- und Transatlantic-Musikers in den letzten Jahren auch jede Menge Mist gab, ist er wieder voll auf der Höhe, sobald es um seine ausufernden Konzeptalben von (im wahrsten Sinne) biblischen Dimensionen geht. Und nachdem er sich mit dem letzten davon auf das Leben des Paulus von Tarsus fokussierte und dessen Geschichte musikalisch nacherzählte, ist the Dreamer nun der erste Teil einer anscheinend episodenförmigen Heldenreise über das Leben der alttestamentarischen Figur Josef, die immerhin auch schon mal von Andrew Lloyd Webber vertont wurde. Erzählerisch und musikalisch ist dabei vieles ähnlich gemacht wie auf Sola Gratia und vor allem der Storyfluss des Albums in Verbindung mit den Kompositionen großartig gemacht. Klanglich wechseln sich dabei tüdeliger Neunziger-Prog und hymnische Musiktheater-Nummern immer wieder ab und sorgen für eine coole Dynamik, die fast noch ein bisschen vielseitiger als beim geistigen Vorgänger ist. Sicher muss man dabei auch darauf gefasst sein, dass Morse in seinen Darbietungen sehr campy werden kann, lyrisch vieles stark moralisierend ist und ästhetisch wenig Platz für Nuancen lässt. Wer das aber verkraftet und auch ein bisschen Bock auf den ganzen Kitsch hat, bekommt hier ein weiteres ziemlich tolles Rock-Musical abgeliefert, das Neal Morse spätestens jetzt als echten Könner auf diesem Gebiet ausweist. Wobei das gute ist, dass uns in diesem Fall mindestens noch ein weiterer Teil der Geschichte sicher ist.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





DJ Sabrina the Teenage DJ - DestinyDJ SABRINA THE TEENAGE DJ
Destiny
Spells On the Telly


Es sagt sicherlich am meisten über meine Einschätzung dieses neuen DJ Sabrina-Albums aus, dass ich mir im Vorfeld eigentlich einen ausgeklügelten Plan gemacht hatte, die knapp vier Stunden der LP über mehrere Tage und separate Hörsessions zu verteilen, nur um am Ende des ersten Tages bereits das ganze Ding fast ohne Unterbrechungen durchgehört zu haben. Zugegeben, die Musik lief dabei erstmal nur im Hintergrund und ich konzentrierte mich eher auf andere Dinge, wieder einmal musste ich aber feststellen, wie gut DJ Sabrinas Songs genau dafür funktionieren. Gerade im Fall dieses neuen Albums, das vielleicht das bisher schmissigste des britischen Projekts ist und häufig an der Schwelle zur Tanzbarkeit operiert, dabei aber nie so präsent wird, dass es seine Fluffigkeit und Atmosphärik verliert. Und dadurch funktioniert es auch ein weiteres Mal, dass Sabrina stilistisch eigentlich nicht viel ändern muss und weiter den typischen Stiefel spielt und dieser trotzdem noch fantastisch funktioniert.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





 
BIRDY
Portraits
Warner

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Birdys softes Rebranding als Synthpop-Musikerin mit diesem neuen Album ist eine Unternehmung, die man sehr gut an ihren direkten und indirekten Einflüssen abstecken kann und daran auch recht gut erkennt, warum sie so fantastisch funktioniert. Denn obwohl die Britin nach wie vor keine Kandidatin für nerdige Indie-Referenzen und die Platte definitiv kommerziell orientiert ist, verbaut sie doch alles so geschickt, dass haufenweise tolle Songs das Endergebnis sind: Ein bisschen weekendige After Hours-Retromanie auf Paradise Calling, ein bisschen artpoppiger Kate Bush-Quirk auf Raincatchers, ein bisschen Olivia Rodrigo-Geschmalze in Your Arms und in I Wish I Was A Shooting Star die geballte Soulpower, die man sonst von Künstlerinnen wie Florence Welch kennt. Wenn das Ziel also ein hitgespicktes Pop-Werkstück mit leichtem Eighties-Einschlag sein soll, sind das alles keine schlechten Kreativpaten, was sich hier auch im Ergebnis wiederspiegelt. Zumal selbiges diese Impulse letztlich auch durch starkes Songwriting und stimmige Produktion ergänzt und dadurch tatsächlich zu einem Album wird, das das kleine Wunder vermag, eine Musikerin wie Birdy für mich nochmal interessant zu machen. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11




Genesis Owusu - StrugglerGENESIS OWUSU
Struggler
AWAL


Es war ein schwieriges Anfreunden, das ich die letzten Tage über mit dem zweiten Genesis Owusu-Album hatte und noch immer kann ich nicht sagen, dass meine Beschäftigung damit eine abgeschlossene Sache ist. Wobei die Schuld daran eigentlich im Debüt des Australiers und meinem noch immer ambivalenten Verhältnis dazu begründet liegt. Denn wo ich dieses im Frühjahr 2021 eigentlich als fantastischen Einstand eines jungen Künstlers sah, von dem in Zukunft einiges zu erwarten sein dürfte, nutzte sich der Aha-Effekt der Platte auch extrem schnell ab und bereits zum Ende des Jahres hatte ich jeglichen Spaß daran verloren. Um also zu vermeiden, dass mir das mit der neuen LP auch passiert, ging ich diesmal mit großer Skepsis an die Sache heran und wollte um jeden Preis vermeiden, zu leicht davon beeindruckt zu sein. Nach mittlerweile etlichen Hördurchläufen muss ich aber konstatieren, dass das trotzdem passiert ist und ich Struggler wieder ziemlich gerne mag. Und das vor allem auch deshalb, weil es im Vergleich zum Vorgänger etwas verhaltener klingt und Owusu seine Post- und Dancepunk-Einflüsse hier nochmal ein ganzes Stück prominenter präsentiert als dort. Lyrisch und konzeptuell ist dabei auch wieder jede Menge los und wieder stehen dabei metaphorische Ding- und Tiersymbole im Mittelpunkt, anders als beim Debüt bin ich hier aber eher von der musikalischen Seite der Platte angetan. Und obwohl am Ende eine gewisse Restskepsis über die Halbwertszeit der LP bleibt, die mich einfach die Erfahrung mit diesem Künstler lehrt, bin ich an diesem Punkt doch optimistisch, dass er das Problem hier ebenfalls geklärt hat. Womit in seiner Musik aktuell eigentlich nichts übrig bleibt, das nicht cool und aufregend ist. Hoffen wir, dass ich am Ende der Saison noch genauso denke.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11





John Coffey - FOURJOHN COFFEY
Four
Elektra

Hätte ich auch nicht gedacht, dass diese Band irgendwann nochmal ein richtiges Album fertig bekommt. Geschweige denn eines, das ich tatsächlich so cool finde wie dieses hier. Denn nachdem ich John Coffey und vor allem ihre zwete LP Bright Companions in meiner kurzen Hardcore-Phase Anfang der Zwotausender ziemlich mochte, hatten sie mich kurz danach auch direkt wieder verloren und langweilten mich nur noch. Und das war 2015, ist also schon ziemlich lange her. Seitdem haben die Holländer ein paar Nebenprojekte begründet und waren scheinbar schon halb aufgelöst, jetzt sind sie aber mit diesem Brocken hier zurück und klingen so frisch und kreativ wie nie zuvor. Four ist dabei in seinen Genen ein klassisches Hardcorepunk-Album, braucht aber nie lange um in melodischen Gesang, groovigen Garagenrock oder auch mal experimentelle Spoken Word-Interludes abzudriften. Dadurch büßt die Band zwar Härte ein, weiß diese aber auch mit spannenden anderen Ideen zu ersetzten und kommt am anderen Ende dieser 34 Minuten mit einem spaßigen Rockalbum zwischen Kvelertak, den Hives und Turbonegro raus. In jeder Hinsicht also ein gelungenes Comeback für John Coffey.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




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