Montag, 11. September 2023

Die Wochenschau (04.09.-10.09.2023): Zach Bryan, Quavo, Spanish Love Songs, Ashnikko und und und...


 
 
 
Quavo - Rocket PowerQUAVO
Rocket Power
Quality Control

Nach dem gewaltsamen und tragischen Ableben von Takeoff im letzten Jahr ist es nach wie vor unklar, ob es jemals noch ein neues Album von den Migos geben wird, Chefdenker und Onkel des Verstorbenen Quavo gibt mit seiner dritten Solo-LP allerdings erstmals ein musikalisches Statement zum Stand der Dinge ab. Dieser ist natürlich nach wie vor ganz wesentlich von der Trauer um seinen Neffen geprägt, handelt aber auch von vielen Dingen, die in deren Periphärie stattfinden. So geht es viel um die Themen Familie, Vermächtnis und die Wichtigkeit von Statussymbolen, wobei der ganzen Sache zumindest in den meisten Momenten auch der nötige Tonfall anhaftet, den solche Themen irgendwie verlangen. Die wenigen Parts, in denen das nicht geschafft wird, stören aber trotzdem. Am Ende ist Rocket Power damit ein gelungener Tribut an Quavos Neffen und ein wichtiges Mission Statement für ihn selbst nach dessen Tod, es ändert aber auch wenig am künstlerischen Grundkonzept dieses Musikers. Was für mich völlig ausreicht, um das hier ein gutes Album zu nennen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11



Blank Banshee - 4DBLANK BANSHEE
4D
Die-Ai-Wei


Seit mittlerweile zehn Jahren warte ich darauf, dass die Musik von Blank Banshee die Grenzen ihres Spannungsbogens erreicht und der Produzent aus Kanada die Existenz des lachhaften Relikts aus der zweiten Vaporwave-Welle fristet, die man ihm schon seit geraumer Zeit andichtet. Aber nichts da: Auch mit seinem inzwischen siebten Album ist dieser Typ weiterhin eine Kraft, mit der man rechnen kann und die eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit besitzt. Dabei ist die Sorte ätherischer Vaportrap, mit der er einst bekannt wurde, inzwischen zu einem ziemlich ernstzunehmenden IDM-Sound gereift, der auch ohne trashig-memetische Samples kann und in Sachen nostalgische Anspielungen maximal noch auf den Frühneunziger-Output von Warp Records verweist. Und es könnte dabei sogar sein, dass 4D sein bisher bestes Album ist. Auf jeden Fall ist es aber diejenige, die sich endgültig von seinen Wurzeln abkapselt und dadurch mehr denn je zeigt, dass wir diesen Typen ernster nehmen sollten als wir das momentan tun. Und ich selbst schließe mich da absolut nicht aus.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11





Spanish Love Songs - No JoySPANISH LOVE SONGS
No Joy
Pure Noise


 
 
 
 
 
 
 
Nach der mittelgroßen Sensation, die Spanish Love Songs 2020 mit Brave Faces Everyone schafften, war No Joy dieser Tage schon irgendwie Pflichtprogramm und trotz aller Skepsis am Ende ein Projekt, für das ich mich erwärmen konnte. Nicht viele Gruppen, die 2023 weiterhin dieses hymnische Post-Springsteen-Ding fahren, lösen in mir noch große Begeisterung aus und zugegeben, dieses Album ist in dieser Hinsicht weder klanglich anregend noch originell. Was Spanish Love Songs aber können ist Texte schreiben, die mit ihrer Melange aus Sozialkritik, therapeuthischer Seelenpflasterei und gerechtem Zorn auf die Verhältnisse nicht nur sehr zeitgemäß sind, sondern vor allem auch echt ans Herz gehen. Bei einem Rockalbum hatte ich diesen Effekt zuletzt 2019 bei Ezra Furmans Twelve Nudes. Und auch wenn No Joy musikalisch nicht ganz so kesselt, reicht es doch, um die nötige Überzeugungsarbeit zu leisten. Hoffentlich eine Sache, an der die Band selbst in Zukunft dranbleibt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





THE CAT EMPIRE
Where the Angels Fall
Die-Ai-Wei

The Cat Empire - Where the Angels Fall2019 war das letzte Cat Empire-Album Stolen Diamonds einer meiner Überraschungsfavoriten der Saison und landete mit seinem derbe eingängigen Mix aus Indiefolk, Latin Pop, Afrobeat und Discofunk souverän unter meinen Lieblingsplatten des Jahres. Und obwohl Where the Angels Fall grundsätzlich wieder die gleiche Ästhetik anzapft und viele Songs mit entsprechender Laufzahl auch eine ähnliche Ohrwurmigkeit entfalten dürften, bin ich hier durchweg nicht so angetan von der Kompositorik und Ausführung des ganzen. Zumal die Band an vielen Stellen schon irgendwie in die fiesen Kitsch-Fallen tappt, die sie zuletzt so clever umschifften.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11








Zach Bryan - Zach BryanZACH BRYAN
Zach Bryan
Belting Bronco | Warner

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Zach Bryan ist aktuell einer der Künstler aus dem Bereich des Country, die von vielen Leuten gefeiert werden, die sonst eigentlich wenig Country hören, was in den letzten Jahren doch recht oft ein Indikator für gute Platten war. Und obwohl ich persönlich dieses selbstbetitelte Album auch mindestens zu dreißig Prozent der verblassten Karohemden-Folk-Bewegung der späten Zwotausender zuordnen würde, die anscheinend immer noch ihre Anhänger*innen hat, gilt diese Annahme hier trotzdem ganz eindeutig. Denn vor allem als Lyriker und Songwriter hat Bryan eine Begabung, die schwer von der Hand zu weisen ist und hier in einem dieser sehnsuchtsvoll-melancholischen uramerikanischen Niemandsland-Alben resultiert, die von kleinen Städten, großen Autos und noch größeren Alkoholproblemen handeln. Die Umsetzung davon passiert dann leider nicht ohne ein paar Füllersongs, mäßig gute Features und definitiv zehn Minuten zu viel auf der Uhr, in Sachen Wirkung hat es aber eine gewisse Zeitlosigkeit, die über alle Zweifel erhaben ist. Allermindestens haben wir hier also einen Künstler vor uns, der von seiner ersten richtig großen Platte nicht mehr weit entfernt ist. Wobei ich sogar ein bisschen damit rechne, dass die Presse schon diese hier einhellig dazu auserwählt hat.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





Ashnikko - WEEDKILLERASHNIKKO
Weedkiller
Parlophone


Zweieinhalb Jahre hat Ashton Casey nach ihrem Durchbruch im Winter 2020/21 gebraucht, um ihr nunmehr vollwertiges Debütalbum fertigzustellen, was in Anbetracht ihres bisherigen Karrierwegs echt lange ist. Ich persönlich fand das aber auch erholsam, da ich nach 2021 definitiv nicht noch ein einziges Mal Slumber Party hören konnte. Und auch auf diesem nun fertigen Longplayer hat die Britin irgendwie die seltene Gabe, gleichzeitig ziemlich überzeugend und ziemlich anstrengend zu sein. Beziehungsweise hat sie viele der Schwächen vom letzten Mal inzwischen in Stärken umgewandelt. So kann sie sich hier noch immer nicht wirklich stilistisch festlegen und macht von Songwriterpop (Dying Star) über Groove Metal (Chokehold Cherry Python) bis zu fluffigem Sommertrap (Worms) eine ganze Menge, diesmal schafft sie es aber, die dadurch entstehenden Kohärenzlücken ordentlich zu schließen. Auch dass sie lyrisch abstrakter geworden ist, macht jede Menge aus und resultiert nicht mehr in ganz so schlimmen Novelty-Nummern wie noch vor zwei Jahren. Generell kann man sagen, dass Weedkiller zwar immer noch eine gewisse Adoleszenz und Bratzigkeit mitbringt, die jemand wie Ashnikko in meinen Augen schon ein bisschen braucht, gleichzeitig ist die Platte aber auch das, was man bei einem Schritt vom Mixtape zum Album an Reifeprozess hören will. Zumindest solange, wie man den Mist nicht überall hört.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11



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