Donnerstag, 10. März 2022

Returner

Unru - Die Wiederkehr des Verdrängten
UNRU
Die Wiederkehr des Verdrängten
Babylon Doom Cult
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ atmosphärisch | episch | rauh ]

Kaum zu glauben, dass es jetzt auch schon wieder sechs Jahre her sein soll, dass Unru ihr Debüt Als Tier ist der Mensch nichts auf die Welt losließen und damit zumindest mir eines der großen Black Metal-Highlights der damaligen Saison bescherten. Spürbar ist die Distanz dazu aber mittlerweile schon. Nicht nur deshalb, weil ich besagte Platte jetzt inzwischen schon eine ganze Weile nicht mehr gehört habe und die klanglichen Erinnerungen daran ziemlich trüb waren, sondern auch deshalb, weil die Unru von 2022 anscheinend kaum mehr die Band sind, als die sie 2016 auf den Plan traten. Wo ihr Sound damals im wesentlichen eine sehr düstere und morbide Sorte Black Metal war, die stetig auf der Grenze zum Avantgarde tänzelte und dann und wann auch mal Parallelen zu Industrial und Noise aufwies, ist Die Wiederkehr des Verdrängten - ihre erste richtige LP seitdem - in vielen Punkten ein ganz anderes Biest. Zwar spielen die Bielefelder hier immer noch grundsätzlich eine Nischenrichtung Black Metal, der ist aber derweile in eine wesentlich atmosphärischere und durchaus auch ziemlich pathetische Richtung gerückt, die mich eher an Gruppen wie Der Weg einer Freiheit oder Grima erinnert. Die Produktion, obgleich immer noch ordentlich ruppig und DIY, ist hier eine ganze Ecke nuancierter als auf dem Debüt und synthetische Elemente gibt es nicht nur im ambienten Intro (wenn man das mit sieben Minuten so nennen kann), sondern auch an vielen anderen Stellen. Vor allem fasziniert mich an diesem Album jedoch die herrlich sakral und leuchtend anmutende Wall of Sound, die ab einem bestimmten Punkt während Der Hauch der Freiheit in die Welt dieser Platte tritt und von da ab das wichtigste und beste wird, was diese LP vorzuweisen hat. Erst durch sie werden Momente wie die grandiosen 16 Minuten von Hungersteine oder das Finale von Eintausend Stimmen so richtig epochal und haben jenen teilweise fast sinfonischen Charakter, der Wiederkehr über lange Strecken hinweg so geil macht. Dass Unru ihren Songs dabei nach wie vor Zeit geben und die besten Tracks der Platte alle über zehn Minuten brauchen, spricht ebenfalls für sich. Man könnte sogar so weit gehen zu sagen, dass Wiederkehr mit zunehmender Spielzeit besser wird und sich mit mir beim hören eingroovt. So finde ich es im Opener Kråkstad noch ein bisschen schade, dass nach einer so ausführlichen Ouvertüre ein so harter Bruch vor dem nächsten Song kommt, statt einfach direkt in die Riffkaskade des Titeltracks abzustürzen und auch den Aufbau des Stücks an sich finde ich an vielen Stellen noch etwas lahm. Spätestens wenn in Der Hauch der Freiheit aber die Tremologitarren aus dem Hintergrund aufsteigen und sich immer weiter in den Blastbeat-Exzess reinsteigern, folgt ein Highlight nach dem anderen und Unru werden erstaunlich kreativ. Gastsängerinnen, gloomige Keyboards, fast postpunkige Momente mit viel guter Bassgitarre, melancholische Postrock-Schnörkeleien und für das alles genug Platz, um richtig ausschweifend zu werden. Gerade in den beiden längsten Songs der Platte zeigen die Bielefelder dabei auch mal wieder, dass in entscheidenen Momenten ein echtes Händchen für kunstfertige Repetitionen haben und ruhig mal drei Minuten auf einem Motiv herumnudeln können, ohne es langweilig werden zu lassen. Dass sich das Album dann manchmal eher anfühlt wie 70 statt 55 Minuten ist in dieser Hinsicht also durchaus positiv gemeint und zeigt mir letztlich nochmal auf ganz andere Weise als ihr Debüt, was ich an dieser Band habe. Denn nachdem ich im Vorfeld von Wiederkehr ein bisschen befürchtet hatte, dass Unru eine dieser Gruppen werden würden, die mich höchstens eine LP lang interessieren und dann uncool werden, haben sie mich hier vom Gegenteil überzeugt. Denn sechs Jahre nach der Initialzündung schaffen sie es hier nicht nur, meine Aufmerksamkeit vollumfänglich zurückzugewinnen, sie zeigen sich auch als gleichsam wandelbare und doch irgendwie konsistente Formation, deren Talente ziemlich vielschichtig sind. Es dürfte sich daher auch in Zukunft lohnen, ihren Werdegang weiterzuverfolgen und wenn nötig auch wieder sechs Jahre zu warten, bis eventuell ein Nachfolger erscheint. Denn wie man an dieser wortwörtlichen Wiederkehr des Verdrängten merkt: Es lohnt sich.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Kråkstad | Der Hauch der Freiheit | Hungersteine | Eintausend Stimmen

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Der Weg einer Freiheit
Noktvrn

Grima
Rotten Garden


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