Samstag, 19. März 2022

Realtalk: Endlich wieder Krieg

Sabaton - The War to End All Wars
SABATON
The War to End All Wars
Nuclear Blast
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ pietätlos ]
 
Es wäre an dieser Stelle wahrscheinlich die beste Idee gewesen, diesen nun folgenden Kommentar einfach nicht zu schreiben und meine innere Debatte über dieses Album für mich zu behalten, beziehungsweise auf die paar Sätze zu reduzieren, die ich vor etwa einer Woche bereits in meinem kleinen Senf-Artikel auf Rateyourmusic (den ich hier jetzt nicht verlinke, da er nun wohl durch diese ausführlichere Variante ersetzt werden wird) verfasste. Doch das Thema, das ich dort bereits ansprach und das nun auch hier nochmal von zentraler Bedeutung sein wird, beschäftigt mich einfach und ich bin ganz ehrlich auch ein bisschen schockiert. Schockiert von einer Band, die wenige Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in das Staatsgebiet der Ukraine und dem damit verbundenen ersten großen Krieg Europas im 21. Jahrhundert (je nachdem wie man das alles definiert und nein, ich bin kein Politikjornalist) ein Album wie dieses herausbringt, das das Thema Krieg auf so denkbar unsensible Weise anpackt und in meinen Augen an vielen Punkten sogar ziemlich glorifiziert. Ein Album wie bereits viele von Sabaton, das auf der einen Seite vielleicht einfach nur zum falschen Zeitpunkt da war und deshalb gerade ziemlich pietätlos und falsch wirkt, zum anderen aber auch ein grundsätzliches Problem einer solchen Band an die Oberfläche der Debattenrunde spült und viel darüber offenbart, wie sie selbst darüber denken. Vielleicht ist es in seiner ganzen Handhabe und öffentlichen (Nicht-)Auseinandersetzung sogar beispielhaft dafür, wie unselbstkritisch und problematisch noch immer große Teile der Metalszene an sich sind, die sowas hier an vielen Stellen unkommentiert durchgehen lassen und stellenweise sogar noch ordentlich abfeiern. Dabei ist es für mich persönlich einfach nur ein ziemliches Desaster, dass the War to End All Wars überhaupt erschienen ist. Fangen wir aber mal mit der Grundkontroverse von Sabaton an sich an und dabei auch ein bisschen mit der Debatte darüber, wie das Thema Krieg in der Popmusik - in diesem Fall im Metal - üblicherweise behandelt wird. Wobei wir da ja durchaus erstmal feststellen müssen, dass die Metalszene in Bezug darauf schon immer etwas anders gepolt ist als der Rest der Welt. Nicht nur ist Krieg als Thematik dort wesentlich verbreiteter als in anderen Szenen und nicht selten ein zentraler lyrischer Fokus, auch reden wir hier eher selten über hippieske Friedenshymnen oder Protestsongs, wie sie es sonst häufig im Pop gibt. Was soundästhetisch laut und gnarzig klingt, kann auch inhaltlich gerne Mal ordentlich zur Sache gehen und gerade in den Bereichen des Thrash- und Powermetal reden wir mitunter von Bands und Künstler*innen, die fast über nichts anderes schreiben als übers gegenseitige Abschlachten von Menschen. Sabaton sind unter diesen nochmal besonders nerdig und nischig, weil sie nicht nur sehr exklusiv das Thema Krieg behandeln, ihr Oeuvre besteht noch dazu zumeist aus Konzeptalben über ganz bestimmte Konflikte, die sich demenstsprechend auch oft mit einer großen Hingabe zu historischen Details rühmen. Das ist an sich ein durchaus ein respektables Betätigungsfeld und für ihre Musik tatsächlich auch nicht unpassend, genau an diesem Punkt begegnen wir allerdings schon der ersten roten Fahne ihrer musikalischen Auseinandersetzung. Denn wo ihre Art von geschichtlicher Aufarbeitung in der Vergangenheit zwar oft akribisch war, konnte man ebenso häufig trotzdem kritisieren, dass sie ziemlich einseitig blieb. Statt über die tatsächlichen Schrecken des Krieges und die damit verbundenen menschlichen Schicksale zu schreiben, sind ihre Songs oft das Metal-Pendant zu heroischen Schlachtengemälden und patriotischen Ballerfilmen aus den Sechzigern, die Krieg als etwas pompöses und mythisch aufgeladenes bezeichnen, das dieser einfach nicht ist. Und klar will ich dabei nicht an eine Powermetal-Band den Anspruch stellen, bodenständige und historisch akkurate Musik zu machen, trotzdem befinden sich die Schweden mit vielen ihrer Platten in einem gefährlichen toten Winkel der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Krieg, die eben auch gerne Mal verherrlichend wirken kann. Wobei ich bis zu diesem Album prinzipiell der Ansicht war, dass solche Sachen eben Geschmackssache sind und ich ja letztlich auch Sachen wie K.I.Z höre, die oft wegen sehr ähnlicher Sachen nicht gemocht werden. Mit the War to End All Wars bekommt das ganze für mich dann aber doch eine ziemlich problematische Note, die von der Sache her vor allem mit dem Zeitpunkt seiner Veröffentlichung zusammenhängt. Die war bereits seit Ende 2021 für den vierten März geplant und lief Ende Februar entsprechend auf Hochtouren, als mit besagtem Kriegsbeginn von Russland in vielen Teilen der Medienwelt eine Zäsur stattfand, der einen neuen thematischen Fokus setzte. Solidaritätsbekundungen mit den Menschen in der Ukraine waren die ersten Reaktionen, effektive Unterstützung folgte kurze Zeit später und alles in allem wurde viel daran gesetzt, sich gegen den Krieg und für den Frieden zu positionieren. Wobei man vermuten würde dass Sabaton, eine international erfolgreiche Band mit einem sehr glorifizierenden Album über Krieg direkt in den Startlöchern, darauf irgendwie reagieren würden. Sei es in Form eines Statements in den sozialen Medien, einer Verschiebung des Releasedatums (wäre Ende Februar ja prinzipiell noch möglich gewesen) oder einer Spendenaktion von Teilen der Plattenverkäufe. Denn was hier bittere Realität wurde, war schließlich irgendwie ihr Thema und als eine Band, die so historisch bewandert ist wie sie, hätten sie die ersten sein müssen, die mit Opfern der Situation solidarisch und empathisch reagieren. Stattdessen aber: nichts. Beziehungsweise weiterhin die volle Dröhnung Promophase mit hochauflösenden Kriegsfilm-Videos, Stahlhelmfetisch und aufgeblasenem Heroismus, als wäre nichts gewesen und der echte Konflikt in der Ukraine etwas völlig anderes als ihre Platte. Selbige erschien dann auch wie geplant am vorletzten Freitag und macht vieles nicht unbedingt besser. Ich habe die Ergebnisse darauf an diesem Punkt zwar noch immer nur teilweise gehört, weil ich mich mit der Musik darauf auch nicht wirklich beschäftigen wollte, doch soviel sei gesagt: Ein ausgewogenes historisches Dokument mit pietätvollem Charakter ist the War to End All Wars definitiv nicht. Im Kontext der bisherigen Diskografie von Sabaton macht es vieles genauso wie vorher, steht dabei aber plötzlich vor dem Hintergrund eines realen Krieges und wirkt in diesem Szenario nicht nur kindisch und realitätsfern, sondern geradezu ekelhaft fetischierend. Wenige hundert Kilometer von ihnen entfernt sterben Menschen in einem Krieg und diese Band spielt Songs darüber, wie unglaublich heldenhaft und geil das ja alles ist. In Deutschland ging the War to End All Wars in der ersten Woche sogar auf Platz Eins der Charts, was für die moralisch verschobene Reaktion vieler Leute hierzulande auch irgendwie bezeichnend ist. Wobei die Diskussion an dieser Stellen in meinen Augen schon viel zu weit geht. Denn wäre es nach mir gegangen, hätte diese Platte zu diesem Zeitpunkt definitiv nicht erscheinen dürfen und wirkt einfach nur wie das völlig falsche Signal in einem kritischen Moment des öffentlichen Intersses. Ich sage dabei ja nichtmal, dass man die Platte komplett hätte einstampfen müssen, nur eine unbestimmte Verschiebung wäre sicherlich angebracht gewesen. Mindestens wichtig gewesen wäre aber auch ein klares Statement der Band selbst, die sich zu ihrer Einstellung dazu hätte positionieren können, statt sich hinter einer ambivalenten Version von Historie zu verstecken, die mythisches Abfeiern erlaubt, aber für echte Empathie mit Opfern keinen Platz hat. Und wo zum Teufel sind in diesem ganzen Dilemma eigentlich Nuclear Blast? Vom Label der Schweden und einem der definitiven Big Player im Metalbusiness erleben wir hier ein weiteres Mal ein ziemlich bescheutertes Duckmäusertum, dem die Sales der ersten Woche wichtiger sind als ein Funken gesunder Menschenverstand und Augenmaß, der vielleicht für etwas mehr Pietät gesorgt hätte. Stattdessen ließen alle beteiligten die Nummer einfach laufen, weil es am Ende ja eh allen egal ist und eine Woche später sowieso wieder niemand fragt. Und das schlimmste dabei: Wahrscheinlich haben sie sogar Recht damit. Weder Fans von Sabaton noch große Teile der Metalpresse werden das Vorgehen der Band groß ankreiden und ganz abgesehen davon bliebe auch kein Kämpfender im Donbass länger am Leben, nur weil Nuclear Blast hier ein Release verschoben hätten. Worüber wir hier reden ist letztendlich eher eine symbolische Geste als eine effektive und dass diese nicht stattfand, verschafft letztendlich niemandem einen Nachteil. Aber wenn es nur darum gänge was effektiv hilft und symbolische Gesten und Bekundungen von Solidarität egal wären, bräuchte man auch kein Imagine oder kein Fortunate Son und politische Kunst an sich wäre Zeitverschwendung. Da ich (und sicherlich auch viele andere Leute) anders empfinden und es zuletzt viele Künstler*innen gab, die in dieser Situation die richtigen Worte fanden, kann ich diesen Anspruch auch an eine Band wie Sabaton haben. Eigentlich sogar vor allem an sie, denn ihre Auseinandersetzung mit Geschichte und dem Thema Krieg bedarf einer Haltung und die hätte spätestens jetzt auch mal laut gesagt werden können. Denn was es hier gebraucht hätte, wäre nur eine Botschaft gewesen. Eine Botschaft, die sich auf das Minimum an Menschenverstand einigt, dass man Frieden besser findet als Krieg. Und wenn schon nicht das, dann sollte wenigstens kein Album sein, das aus allen Poren plärrt, wie geil Krieg ist. Denn das ist es nicht, das wird es nie sein und daran kann auch der beste Powermetal der Welt nichts ändern.

☮☮☮☮☮☮☮☮☮☮☮ Krieg ist nicht geil/11

Persönliche Höhepunkte
-

Nicht mein Fall
Fetischisierung von Krieg z. B.


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