Mittwoch, 2. März 2022

Spätlese

Avril Lavigne - Love Sux
AVRIL LAVIGNE
Love Sux
DTA Records
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ nostalgisch | rabiat | adoleszent ]
 
Avril Lavigne hatte es die letzten zehn Jahre über sicher nicht einfach und dass ihre Karriere während der Zwotausendzehner nicht komplett in die Binsen ging, war in vielen Momenten wahrscheinlich ihre größte künstlerische Leistung. Nach dem kometenhaften Austieg als Pop-Punk-Teenie-Idol kurz nach der Jahrtausendwende und zahlreichen Riesenhits in den folgenden Jahren sorgte sie in den Noughties zwar ziemlich nachhaltig dafür, dass niemand so schnell um ihre Existenz vergessen würde und ihr Name zum Indikator eines wichtigen Sounds der Dekade wurde, ob sie sich damit einen Gefallen tat, war aber lange nicht so klar. Denn dass sich ihre Karriere lange Zeit auf der höchsten Welle eines Trends bewegte, bedeutete eben auch, dass dieser Trend irgendwann enden würde und sie es als eines der Maskottchen des selbigen schwer haben würde, künstlerisch neue Wege zu beschreiten. Und wer sich ihren Output während der Zwotausendzehner heute mal anhört, wird auch verstehen, wieso dieses Vorhaben so kläglich scheiterte. Zwischen problematischen Anbiederungen an die J-beziehungsweise-K-Pop-Zielgruppe und einem eher mäßig laufenden Rebranding als Countrypop-Songwriterin fasste sie zuletzt nirgends so richtig Fuß und eine ganze Weile sah es ehrlich gesagt so aus, als würde sie über kurz oder lang den Weg vieler einstiger Teeniestars gehen, die einfach niemanden mehr interessierten. Zumindest bis vor ein paar Jahren plötzlich die unvermeidliche Retrowelle der Nuller angerollt kam und Lavigne plötzlich wieder zur ultimativen Galleonsfigur machte, die tatsächlich einiges an Credibility mitbrachte. Vor allem in der Hinsicht, dass viele der neuen Fans eben keinen Bock auf Musik von weißen CIS-Jungs hatten und sie eines der wenigen Originale war, dass nicht nur damals schon richtig erfolgreich war, sondern vor allem auch Songs mit ordentlich Attitüde schreiben konnte. Und dass ihr neues Album Love Sux, das die Kanadierin mit inzwischen Ende dreißig aufgenommen hat, daraus unverschämt Kapital schlägt, ist in meinen Augen nur ihr gutes Recht. Vor allem ist es ob der vielen mittelmäßigen Ergebnisse der letzten Jahre aber eine helle Freude, Lavigne hier wieder voll in ihrem Modus zu hören, der ihr nachweislich immer noch am besten steht. Klar ist es dabei ein bisschen seltsam, dass Songs wie Cannonball oder Déjà Vu von einer Künstlerin ihres Alters geschrieben werden und ein bisschen muss ich an vielen Stellen auch an jemanden wie Machine Gun Kelly denken (der hier im übrigen auch einen Gastpart hat), im Gegensatz zu dem wirkt das ganze bei ihr aber nicht wie ein zynischer, leicht angecreepter PR-Stunt, sondern wie ehrliche Leidenschaft. Wobei ich es auch irgendwie faszinierend finde, wie sie hier durchweg Songs schreibt, die thematisch sowohl für eine junge Zielgruppe funktionieren können als auch für ihre Altersgenoss*innen, die ja vielleicht immer noch mithören. Und wenn es um die musikalische Ausgestaltung geht, brauchen wir sowieso nicht lange reden. Die Produktion auf dieser LP mag vielleicht ein bisschen aufpolierter sein als auf ihrem Debüt und ihre Ausflüge in Elektropop und Country während der Zehner zeigen sich in Details, ansonsten ist das hier aber quasi ein Abziehbild der Avril Lavigne von 2002, das genau das richtige Gefühl von Nostalgie anzapft. Mehr noch, an vielen Stellen klingt die Kanadierin heutzutage sogar noch ein bisschen wilder, befreiter und aufgekratzter als damals und traut sich insgesamt mehr Härte zu, die ebenfalls echt gut funktioniert. Das einzige, was ich dabei an manchen Stellen ein bisschen schade finde ist, dass sie diesem Konzept mitunter anscheinend nicht genug vertraut und sich für einige der an und für sich besten Songs der Platte wie All I Wanted oder Love It When You Hate Me Featuregäste einlädt, die allesamt nicht auf ihrem Niveau performen und die meisten besagten Tracks eher runterziehen als sie aufzuwerten. Ruiniert wird dadurch letztendlich aber kaum ein Stück und die erfrischende und coole Energie von Love Sux hält mehr oder weniger die komplette halbe Stunde der LP durch. Überraschend ist das am Ende nicht wirklich, denn dass Lavigne das alles kann, wissen wir inzwischen seit guten zwanzig Jahren. Dass es hier aber nochmal so gut funktioniert und sie tatsächlich eine ihrer besten Platten überhaupt macht, hat mich dann doch ein bisschen aus der Kalten erwischt und macht mich letztlich vor allem deshalb froh, weil ich Love Sux hiermit nicht nur ohne Einwände an jede*n weiterempfehlen kann, sondern vor allem ich diese Künstlerin damit nach langem wiederentdeckt habe. Bleibt jetzt nur zu hoffen, dass ein Album wie dieses keine einmalige Sache wird und Lavigne ihren Aufwind diesmal nutzt, um auch langfristig so cool und erfrischend zu bleiben.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Cannonball | Bite Me | Love It When You Hate Me | Love Sux | Kiss Me Like the World is Ending | Déjà Vu | F.U. | All I Wanted | Break of A Heartache

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Blink-182
Nine

Miley Cyrus
Hannah Montana 2 / Meet Miley Cyrus


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen