Donnerstag, 13. Oktober 2016

Teufelsmusik

BRAIN TENTACLES
Brain Tentacles

Relapse / 2016















Die Stile Jazz und Metal erscheinen auf den ersten Blick gerne mal als ziemlich konträr und vollkommen unvereinbar, doch verfügen, wenn man darüber genauer nachdenkt, eigentlich über jede Menge Gemeinsamkeiten. Beide setzen ein gewisses Maß an Virtuosität voraus, sind technisch gerne mal etwas aufwändiger und von beiden wurde irgendwann einmal gesagt, dass sie Teufelsmusik seien. Dennoch haben sich bisher wenige Künstler an der Vermischung von beidem versucht und kein mir bekannter war dabei in meinen Augen besonders erfolgreich. Aus den Lagern der progressiven Fraktion müffelt es nach Namen wie Cynic oder Shining, die seit Ewigkeiten eigentlich nur einen Schein wahren und denen schon vor Jahren die Ideen ausgegangen sind. Besser funktionieren da schon Drone-Projekte wie Bohren & der Club of Gore, doch auch sie haben sich in letzter Zeit sehr in eine Richtung spezifiziert. Doch für alle Freunde des stilistischen Crossovers existiert ab jetzt eine neue Band am Jazz-Metal-Firmament, deren Debütalbum in meinen Augen auch tatsächlich den perfekten Zwischenton beider Genres trifft. Brain Tentacles aus Chicago, ein Zusammenschluss aus Musikern von Bloodiest, Keelhaul und Circle of Animals, schaffen mit dieser Platte also vielleicht nicht unbedingt Pionierarbeit, aber eines der ersten wirklich tragbaren Werke des Stilclashs. Und ihre Herangehensweise ist dabei erfrischend anders als jeder bisheriger Versuch. Statt den Weg in subtiler Melodik und Schöngeistigkeit zu suchen, brettert das Trio hier im wahrsten Sinne des Wortes einfach drauf los. Die zum größten Teil improvisierten elf Songs werden in den meisten Fällen von einem dich aufgetragenen Saxofon-Riff angeführt, hinter dem ein nicht weniger breit aufgestellter Sludge-Bass wummert, während Dave Wittes Schlagzeugspiel das Yin und Yang der beiden ausbalanciert. Das Ergebnis erinnert dann nicht selten an den Jazz-Punk von Melt Yourself Down, wobei hier doch noch deutlich mehr Brutalität dahinter ist. Gerade wenn die Band ab und an auf Screamo-Vocals zurückgreift, hat das ganze schon sehr deutlichen Metal-Charakter. In Tracks wie Fata Morgana zeigt sich jedoch auch die melancholische Seite ihres Stils. In Sachen Songwriting kann man Brain Tentacles demzufolge absolut keine Vorwürfe machen, so gut wie jedes Stück hier ist ziemlich genial komponiert (oder eben improvisiert). Was mich allerdings ziemlich stört, ist die viel zu zahme und immer gleiche Produktion des ganzen. Das prominent in den Vordergrund gemixte Saxofon ist in jedem Song das Erkennungszeichen und wird irgendwann dann doch ein bisschen langweilig. Gleichzeitig könnte das Schlagzeug wiederum ruhig ein bisschen mehr in den Mittelpunkt gerückt werden und Dinge wie Synthesizer oder Gitarren, die in den Credits aufgeführt werden, hört man so gut wie gar nicht. So hört man beispielweise auch sehr deutlich, dass es hier lediglich drei Musiker gibt, die immer dasselbe machen. Im Allgemeinen sind solche Dinge Wermuststropfen, die den Hörgenuss nur sehr wenig mindern, doch sie fallen hier schon sehr deutlich auf. Wenn solche Fehlerchen in Zukunft behoben werden könnten, dürfte es Brain Tentacles gelingen, eine wirklich revolutionäre Platte zu machen. Insofern sie dann noch einmal so viele tolle Songideen aus dem Hut zaubern können.
9/11

Beste Songs: Kingda Ka / Fruitcake / Cosmic Warriors Girth Curse / Hand of God / Death Rules / the Sadist / Peace in War / Palantine

Nicht mein Fall: -

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