Freitag, 30. Juni 2023

Die Wochenschau (24.06.-30.06.2023): Young Thug, King Gizzard & the Lizard Wizard, Erobique, Ben Howard u.a.


 
 
 
 
 
King Gizzard and The Lizard Wizard - PetroDragonic Apocalypse;  or,  Dawn of Eternal Night:  An Annihilation of Planet Earth and the Beginning of Merciless DamnationKING GIZZARD & THE LIZARD WIZARD
PetroDragonic Apocalypse; or, Dawn of Eternal Night: An Annihilation of Planet Earth and the Beginning of Merciless Damnation
KGLW
 

 
 
Gemessen daran, wie enttäuschend ich vor vier Jahren Infest the Rats' Nest fand, war die Aussicht auf ein weiteres Metalalbum von King Gizzard nicht unbedingt eine, die mich mit großer Euphorie erfüllte. Umso glücklicher bin ich deshalb jetzt zu verkünden, dass diese neue Platte daran einiges geändert hat und PetroDragnic Apocalypse nur wenig Aufwand brauchte, um mich vom Konzept der Australier als Thrash-Berserker zu Überzeugen. Wobei die wichtigste Veränderung im Vergleich zum ersten Versuch bezeichnenderweise auch der ist, dass Thrash hier eben nicht die einzige Marschrichtung ist, sondern King Gizzard auch an ein paar artverwandte Stile in den apokalyptischen Schmelztiegel hauen. Dadurch gehen viele Songs nicht nur mit dem Kopf durch die Wand, sondern zapfen etwas von der spaßigen Virtuosität ab, die die Band auf ihren anderen Projekten ja auch immer hat und die mir beim letzten Mal halt einfach fehlte. Viel hat es also nicht gebraucht, um aus der etwas fehlgeschlagenen Schnapsidee von Infest the Rats' Nest hier die durchweg überzeugende Stilerweiterung zu machen, die eine talentierte Gruppe wie King Gizzard verdient hat.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





THY CATAFALQUE
Alföld
Season of Mist

Thy Catafalque - AlföldSeit Jahren das erste Album von Thy Catafalque, das man wieder ziemlich unmissverständlich einer Stilrichtung zuschreiben kann und das die frühen Black Metal-Tendenzen des Projekts aus Edinburgh mit Wucht und Klarheit zurückholt. Klar gibt es dabei auch weiterhin ein paar gut eingewobene Prog-, New Wave- und Folk-Farbtupfer, die vor allem im zweiten Teil der Platte auch viel Platz einnehmen, die lenken aber in den wenigsten Momenten vom doch sehr ruppigen und düsteren Gesamtsound ab. All das macht Alföld zwar auch ein bisschen zum gewöhnlichsten mir bekannten Werkstück der Band, auch in diesem Rahmen sind Tamás Kátai und sein Gefolge aber gute Songwriter*innen und Performer*innen, denen man echt gerne zuhört.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





Erobique - No. 2EROBIQUE
No. 2
Légère


Sieht man mal von seinem legendären Tatortreiniger-Soundtrack von 2018 ab, dann ist No. 2 entweder das erste Album von Erobique seit 2012 oder komplett solo sogar seit 1998. Das bringt natürlich einiges an Erwartungshaltung mit, zumal der Hamburger Keyboarder inzwischen ja lange ein echtes Kleinod der deutschen Indieszene geworden ist. Leider sieht er selbst das aber anders und veröffentlicht hier eher eine lose Werkschau, die auch mit entsprechend wenigen echten Highlights versehen ist. Die meisten Stücke sind instrumentale Cuts, die auf ahnbare Weise nach Siebzigerjahre B-Movie-Musik klingen und zwar meistens okay sind, aber auch alles andere als besonders. Und wenn der Künstler selbst singt, endet das zumeist in schrägen Etüden wie dem deichkindigen Ravedave oder dem programmatisch betitelten Verkackt. Einigermaßen spannend wird No. 2 also immer nur dann, wenn Erobique sich Gastsänger*innen dazuholt, die in Songs wie Arpeggiator oder Synaesthesie ein bisschen mehr Hitfaktor einbringen. Auch die sind aber selbst im besten Falle nur Schatten der echten Banger, die es 2009 vor allem auf Platten wie Songs of Joy gab und die hier eher wie billig nachgemacht wirken. Und schließlich ist leider auch der live aufgezeichnete Closer Hitsong von uns beiden ein Track, der die Magie eines Urlaub in Italien reproduzieren will, das Ziel aber weitgehend verfehlt. 

🔴🔴🔴🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 05/11







Ben Howard - Is It?BEN HOWARD
Is It?
Island


Wer ungefähr in meinem Alter ist, kennt Ben Howard vielleicht noch von seinen luftigen Starbucks-Hymnen Anfang der Zwotausendzehner, die zum Glück inzwischen niemand mehr hört. Er selbst hat das auch gemerkt und in den letzten Jahren in seinem Output merklich nach neuen Ideen gesucht, die sich langsam auch echt auszahlen. 2021 klang das letzte Album aus seiner Feder verblüffend nach Radiohead, zwei Jahre später wendet er sich auf Is It? eher Leuten wie the 1975, Peter Gabriel oder Four Tet zu, die ihn hier seinem bisher höchstwahrscheinlich besten Gesamtwerk inspirieren. Kaum einer dieser zehn neuen Songs ist nicht klasse, wobei Howard seine Eingängigkeit zwar zurückhält, in seinen vielen offen gestalteten Hooks und Strophen aber eine sehr schöngeistige Melodieführung zulässt, die auch seine Stärken als Sänger optimal untermauert. Man stelle sich eine Version von Tom Vek vor, die komplett mit sich im Einklang ist und ohne garagige Reibung funktioniert. So ist das hier definitiv eine der schönsten Überraschungen der bisherigen Saison und freut mich vor allem deshalb, weil es sich so doch noch gelohnt hat, in den Zwotausendzwanzigern jemanden wie Ben Howard zu hören.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11



Young Thug - Business Is BusinessYOUNG THUG
Business is Business
Young Stoner Life


Man kann den Titel des neuen Young Thug-Albums ja auf zwei recht unterschiedliche Weisen verstehen, die vielleicht auch wirklich so beabsichtigt sind. Erstens: Geschäft ist Geschäft, also ist es auch egal, ob sich das in Form von Plattenverkäufen oder jener illegalen Gang-Aktivitäten äußert, deretwegen der Schöpfer dieser Songs gerade im Knast sitzt. Zweites: Geschäft ist Geschäft, also muss die Marke Young Thug auch dann weiter betrieben werden, wenn der Meister selbst gerade nicht zum Aufnehmen verfügbar ist. Weshalb Kumpel und Labelmate Metro Boomin sich hier ein paar alte Aufnahmen des Thuggers geschnappt, diese mit seinen eigenen Beats aufgehübscht und mithilfe eines großen Katalogs an Gastmusikern als offizielles neues Album veröffentlicht hat. So weit, so lukrativ. Was die Sache für mich erst so richtig witzig macht ist aber, dass dabei ganz aus versehen Young Thugs bisher bestes Solo-Werkstück dabei rausgekommen ist, das echt einen kreativen Unterschied zu seinem bisherigen Output macht. Metro Boomins Beats sind erstaunlich handverlesen und keineswegs Stangenware, Thuggers eigene Parts den Umständen entsprechend präsent und so gut wie alle Features (witzigerweise vor allem die von Drake und 21 Savage) große Klasse. Außerdem hat die Platte mit 46 Minuten genau die optimale Länge, um weder meine Geduld überzustrapazieren, noch etwas auszulassen. Ein ziemlich gelungenes Album also, mit dem ich in dieser Form von Young Thug nicht gerechnet hatte. Vor allem nicht vor diesem Hintergrund.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




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