Sonntag, 4. Juni 2023

Review: I Want It All

Queen - A Night at the Opera
 PRIDEMONTH2023  
QUEEN
A Night at the Opera
Elektra
1975







 
 
 
 
[ flamboyant | opulent | rockig ]

Um das gleich am Anfang mal klarzustellen: Ich schreibe diesen Text hier nicht, um ein weiteres der tausend Manifeste darüber zu verfassen, wie großartig Bohemian Rhapsody ist. Ganz im Gegenteil. Wenn es für mich überhaupt eine wesentliche Motivation für diese Besprechung gab, dann die, dass A Night at the Opera meiner Auffassung nach recht häufig auf dieses eine Stück reduziert und nicht unbedingt als ganzes betrachtet wird. Was ich unfair finde, da diese LP - obgleich für mich eindeutig nicht zu den besten von Queen gehörend - eine der sicherlich vielschichtigsten und beredenswertensten der Briten ist. Eine, über die es selbst dann jede Menge zu sagen gäbe, wenn besagtes Opus Magnum darauf nicht enthalten werde. Weshalb ich mich in diesem Artikel vor allem auf A Night at the Opera als Gesamtwerk und seine Wirkung als solches fokussieren werde. Und zu diesem Punkt direkt eingangs feststellen muss, dass es in der Diskografie von Queen sicherlich das bunteste Sammelsorium an Ideen ist, das in seiner Flamboyanz und Verspieltheit höchstens noch vom Schwanengesang Innuendo aus den Neunzigern angefochten wird. Was sicherlich auch damit zu tun hat, an welchem Punkt sich Queen zum Zeitpunkt seiner Aufnahmen künstlerisch befanden. Auf der einen Seite bestärkt vom neu gefundenen Startum, das ihnen der Vorgänger Sheer Heart Attack und vor allem der Megahit Killer Queen beschert hatte, auf der anderen eingezwängt von öffentlichen Erwartungen und einem Label, das möglichst schnell einen stilistisch möglichst ähnlichen Nachfolger dazu wollte. Und hätten Queen dem 1975 Folge geleistet, dann würde man sie heute höchstwahrscheinlich in einem Atemzug mit stilprägenden Glamrock-Gruppen wie the Sweet, T.Rex oder dem frühen David Bowie nennen. Stattdessen ist A Night at the Opera aber das Album, das sie künstlerisch entfesselte und dafür sorgte, dass man sie heute als eine der größten Rockbands der Welt nennt. Sowohl kommerziell als auch künstlerisch. Denn wenn das Quartett auf dieser Platte eine Strategie hat, dann die, alles auszuprobieren und jeder noch so wilden Idee eine Chance zu geben. Und das äußert sich hier in so gut wie jedem Song. Basis der Komposition bildet dabei fast immer der auf dem Vorgänger endgültig gefestigte Sound aus Brian Mays virtuoser Gitarrenarbeit, einer gesunden Portion Hardrock in der Rhythmusgruppe, gekonnt inszenierten Gesangsharmonien aller Mitglieder und natürlich dem triefenden Charisma von Freddie Mercury als Frontmann, der für die Gruppe zunehmend zum Fokuspunkt wurde. Jedoch wird diese Grundformel auf fast allen Songs auf A Night at the Opera durch mindestens ein neues Element oder eine neue Stilistik ergänzt, die ganz neue Horizonte für die Band offenbart. Da schmückt sich '39 als pathetischer Folkrock nach amerikanischem Vorbild, Love of My Life rückt das Klavier als Kompositionsinstrument in den Mittelpunkt, I'm in Love With My Car flirtet mehr denn je mit Heavy Metal und Good Company klingt wie eine Mischung aus oldschooligem Barbershop-Kram und der creepy-ironischen Freakshow eines Tiny Tim in den Sechzigern. Und dann sind dann natürlich die überall stattfindenden klassischen Einschläge, die sich mitunter auch in sehr großzügigen Arrangements zeigen. Wobei ich zwei Dinge vor allem verblüffend finde. Erstens: Wie nahtlos viele der Tracks ineinander übergehen und Queen den einzigen bewussten Break mit dem Wechsel der Schallplattenseiten setzen. Zweitens: Wie viel Aufwand für Details selbst in kleineren Vignetten wie Seaside Rendevouz oder Lazing On A Sunday Afternoon verwendet wird, in denen in ein oder zwei Minuten mehr Spuren zu hören sind als bei anderen, die vier Minuten oder länger gehen. Wobei es auch diese Tracks sind, in denen Mercury mehr als sonst in jene fast schon kabaretthafte Rezitation verfällt, die sehr seine operatischen Einflüsse hervorhebt. Ein Stilmittel, das ansonsten vor allem Merkmal der beiden langen Songs ist, die die B-Seite des Albums rahmen. Auf der einen the Prophet's Song, ein achteinhalbminütiger Progrock-Wahnsinn, der irgendwo zwischen CSNY, Jethro Tull und mantraischem Sprechgesang changiert, auf der anderen eben Bohemian Rhapsody, das große Abschlussstatement der LP, das die vorsichtig angedeuteten Klassik- und Opern-Ansätze nochmal mit ganzer Ernsthaftigkeit auftafelt und darin seine ganze Nerdigkeit auslässt. In vielerlei Hinsicht fühlen diese beiden Songs sich dabei an wie gegensätzliche Mikrokosmen des gesamten Albums, die seine Flamboyanz und Gegensätzlichkeit noch einmal auf ihre Essenzen einkochen. Dass die ganze Chose dann mit einer Brian May-Persiflage der britischen Hymne endet, ist bei alledem nur konsequent und unterstreicht den epochalen Anspruch des Unternehmens nochmal sehr deutlich. Ob es diesem auch gerecht wird, weiß ich nach vielen Jahren dann aber immer noch nicht so richtig und muss auch jedes Mal wieder bemängeln, dass seine größte Stärke gleichzeitig sein größtes Manko ist. Denn dass Queen hier viel ausprobieren und unfassbar kreativ sind, wird ihnen manchmal auch zum Verhängnis. So ist das wesentliche Problem von A Night at the Opera in meinen Augen, dass es hier quasi keinen richtigen Gesamtklang gibt und die vielen Teile des Albums nicht so richtig zusammenpassen. Geschicktes Sequencing hin, clevere Songübergänge her. Auch fühlt sich die Produktion mit dem vielen nervigen Stereo-Panning und den abertausend Spuren mitunter etwas zu viel gewollt an und hat zwar definitiv ihre Highlights, zeigt gerade in Stücken wie the Prophet's Song aber auch eindeutig ihre Limits. Alles in allem reichen die vielen guten Momente dafür, dass ich A Night at the Opera mag und ich schätze es sehr für seinen Wagemut, ich bin aber auch definitiv der Meinung, dass eine kreativ beruhigtere Version von Queen langfristig die besseren Platten gemacht hat. Auch wenn diese eben nicht ihren wahrscheinlich wichtigsten Song beinhalten.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11


Persönliche Höhepunkte
Death On Two Legs (Dedicated to...) | Lazing On A Sunday Afternoon | I'm in Love With My Car | '39 | Sweet Lady | Seaside Rendevouz | the Prophet's Song | Bohemian Rhapsody

Nicht mein Fall
Love of My Life


Hat was von
Muse
the Resistance

Electric Light Orchestra
Out of the Blue


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