Samstag, 24. Juni 2023

Die Wochenschau (17.6.-23.6.2023): Queens of the Stone Age, Sigur Rós, Motorpsycho, Gunna, Killer Mike


 
 
 
 
 
 
TENHI
Valkama
Prophecy

Tenhi - ValkamaFür das finnische Darkfolk-Projekt Tenhi ist Valkama das erste richtige Album seit mittlerweile zwölf Jahren, was für mich als Neueinsteiger aber erstmal egal ist. Denn ich finde die orchestral-paganistische Mischung des Quartetts hier vor allem ziemlich originell. Auf einem Dutzend Tracks in 67 Minuten krümmen Tenhi dabei die Raumzeit, um die kürzestmögliche Distanz zwischen nordischem Pagan Folk und dem eleganten Postpunk-Entwurf eines Nick Cave herzustellen und einen sehr düsteren, mystischen Klang zu erzeugen. Glatt geht das in diesem Fall leider nicht immer, begeistert bin ich aber auch vordergründig von der Art, wie diese Band klingt wie sehr wenige andere. Da fragt man sich schon, warum die nicht bekannter sind.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11




Motorpsycho - Yay!MOTORPSYCHO
Yay!
Stickman


Hinter dem mit Sicherheit scheußlichsten Artwork in der Geschichte von Motorpsycho verbirgt sich eine tiefe Wahrheit: Auf der einen Seite der euphorische Ausruf des Titels, der auf eine sehr befreite und optimistische neue LP hinweist, auf der anderen die zwei Akustikgitarren im Zentrum, die viel darüber sagen, mit welchen Mitteln das geschieht. Kurzum: Yay! ist wahrscheinlich das poppigste Album der Norweger seit mindestens zehn Jahren. Was für mich prinzipiell eine willkommene Veränderung ist, waren die letzten Releases des Trios - obwohl musikalisch meist sehr zufriedenstellend - doch gerne etwas zu opulent und monströs geraten. Hier spürt man davon nur noch auf dem sinfonischen Hotel Daedalus etwas, das sich an den pompösen Bombastrock-Sound eines the Crucible oder the All is One ranhängt, ansonsten gibt es eher wieder die softe Folk-Psychedelik, die man von ihnen aus den frühen Zwotausendern kennt. Da klingen sie mal wie Yes in ihren softeren Momenten, mal wie ein etwas breiter grinsender America-Verschnitt und mal wie auf ihren Banjo-Eskapaden in den Neunzigern. Das alles ist grundsätzlich nicht neu und auch für diese Band eher eine Rückkehr zu bewährten als wirklich ein neuer Schritt, der auch nicht zwingend in einer ihrer besten Platten resultiert. Erfrischend ist es nach etlichen Jahren Jamrock-Dauergenudel aber allemal.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11




Sigur Rós - ÁTTASIGUR RÓS
Átta
BMG


Dass Átta ein Album ist, an das ich lange nicht mehr geglaubt hatte, kann man meiner Berichterstattung aus den letzten Jahren zur Genüge entnehmen und man könnte mich an dieser Stelle sogar zitieren wie ich einst sagte, dass eine Auflösung an diesem Punkt eigentlich das beste für Sigur Rós wäre. Alles Quatsch, muss ich dieser Tendenz jetzt aber vehement entgegenrufen, denn das Comeback der Isländer zehn Jahre nach Kveikur ist trotz aller Scheiße zwischendrin (Missbrauchsvorwürfe gegen den mittlerweile geschassten Drummer Orri Dýrason, mehrere Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung) genau so sensationell, wie man sich das immer gewünscht hatte. Und es ist eben auch ganz klar keine dieser halbgaren Remix-, Soundtrack- oder Record Store Day-Platten, mit denen Sigur Rós sich zuletzt in der Schwebe hielten, sondern ein richtiges Album. Auch wenn es dabei vielleicht eher guten Fanservice betreibt als wirklichen kreativen Fortschritt und mit seinem sehr gediegenen und sinfonischen Ambientpop-Sound mehr die frühen Zwotausender zurückholt als das rabiate und vielschichtige Kveikur zu beerben. Wobei man auch sagen kann, dass die Band das nicht zum ersten Mal macht. Schon 2012 folgte vier Jahre nach dem abenteuerlichen und für damalige Verhältnisse extrem bunten Með suð í Eyrum Við Spilum Endalaust das eher konservativ-melancholische Valtari, das viele Fans etwas enttäuschte. Ich fand und finde das Ding aber nach wie vor ziemlich klasse und bin deshalb auch wenig ernüchtert, dass Sigur Rós diesen Move hier wiederholen. Immerhin muss man sich nach zehn Jahren Pause erstmal wieder ein bisschen eingrooven und was wäre dafür besser als den alten, klassischen Sound nochmal aufzuarbeiten. Noch dazu ist mit Kjartan Sveinsson hier auch der ehemalige Pianist und fähigste Arrangeur der Band zurück, der in vielen Tracks mehr denn je die orchestralen Muskeln spielen lässt. Wodurch die Platte oftmals eben doch nicht so sehr nach Schema F klingt, wie sie es eigentlich müsste, sondern nach einer neuen Dimension der Sigur Rós-Ästhetik, die einfach noch ein bisschen pompöser und ausschweifender ist als die alte. Auch die Tatsache, dass Jónsi inzwischen öfter auf Englisch singt, stört dabei kein bisschen, denn das kann er inzwischen eigentlich ganz gut. Womit Átta vielleicht kein sensationelles und kreativ definierendes Album für die Isländer ist, aber trotzdem ein absolut großartiges. Und wer weiß, vielleicht braucht es ja wie vor zehn Jahren nur erstmal dessen Anschubkraft, um den nächsten linken Haken direkt hinterher zu werfen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡🟢 10/11



Queens of the Stone Age - In Times New Roman...QUEENS OF THE STONE AGE
In Times New Roman...
Matador


Es ist in erster Linie eine hässliche Nachricht, 2023 den Vorwurf im Raum stehen zu haben, dass Josh Homme die Rolle des altmodischen Rock'n'Roll-Gentleman anscheinend so authentisch ausfüllt, dass er zuhause seine eigene Frau zusammenschlägt und damit anscheinend nicht nur musikalisch eine Affinität für die Sechzigerjahre hat. Sowas killt natürlich die Vorfreude aufs neue Album einer der letzten richtig großen alten Rockbands und es hat auf jeden Fall dafür gesorgt, dass ich In Times New Roman... als Gesamtpaket nicht einfach so genießen konnte. Es wäre aber Quatsch zu sagen, dass die Musik daran nicht auch ein bisschen schuld war. Denn wenn zum zweiten Mal nach Villains von 2017 ist das hier eine Platte, auf dem die Band eher funktioniert als zu beeindrucken. Die Zeiten, in denen Homme es nicht mehr schafft, schmissige Riffs und Hooks aus dem Ärmel zu schütteln, ist zwar noch immer nicht ganz vorbei, die großen Momente dünnen aber merklich aus. Mit Sachen wie Emotion Sickness (ich mag vor allem den melancholischen Neil Young-Anflug im Refrain) und Sicily gelingen den Queens Ausrufezeichen, an vielen anderen Stellen wirkt die LP aber routiniert. Das bedeutet nicht gleich das sie schwach werden und tatsächlich mag ich vieles hier mehr als das schnarchige Villains, es fällt mir mit diesem Album aber nicht wirklich schwer, dass ich sie jetzt kontextbedingt nicht mehr cool finden kann. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




Killer Mike - MICHAELKILLER MIKE
Michael
Loma Vista


Es ist absolut nachvollziehbar, dass Killer Mike nach über zehn Jahren Vollbeschäftigung bei Run the Jewels jetzt auch mal wieder ein Soloalbum machen wollte und es ist ebenso nachvollziehbar, dass dieses - gerade mit einem Titel wie diesem - persönlicher und autobiografischer ausfällt. Dass es so eine Stino-Konsens-Conscious-Nummer wird, hätte aber nicht sein müssen. Denn eigentlich haben die letzten Jahre gezeigt, dass der Rapper es besser kann. Zwar stehen hier auf der einen Seite durchaus starke Lyrics und vor allem in Tracks wie Slummer und Something for Junkies auch immersives Storytelling, insgesamt wirkt das Ergebnis aber trotzdem verwässert. Schuld daran sind immer wieder tränendrüsige Interludes oder mittelprächtige Features, aber auch die musikalische Aufmachung, die einfach zu sehr klingt wie jedes x-beliebige, emotional fixierte Hiphop-Album der letzten Jahre. Das reicht nicht immer, um das Album komplett zu ruinieren, oftmals macht es aber aus viel Pontenzial eher durchschnittliche Ergebnisse. Und an dieser Stelle fehlt mir dann schon oft El-P als schniddriger Konterpart, der immer für eine gezielte Kitschkontrolle zu haben ist. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 06/11




GUNNA
A Gift & A Curse
Young Stoner Life


Man könnte denken, dass A Gift & A Curse das bisher interessanteste Gunna-Album geworden ist, weil der Rapper aus Georgia im Zuge seiner Gerichtskontroverse gegen Young Stoner Life, bei der er als Kronzeuge gegen das Label aussagte, nun endlich mal echte Themen für seine Songs hat. Wenn man aber auch nur ein bisschen darüber nachdenkt, was das eigentlich letztendlich bedeutet, kann man sich sehr schnell darlegen, wieso hier das Gegenteil der Fall ist. Denn als jemand, der Gunna in den letzten Jahren doch durchaus mögen gelernt hatte und seine Platten stets verteidigte, war der wichtigste Faktor dabei nie, dass er ein besonders großer Lyriker war. Viel eher bestand der Großteil seiner Attraktivität für mich gerade darin, wie unironisch stumpf er seinen stereotypen Traprap-Film runterholzte und dabei einfach kolossale Vibes schob. Vibes, die auf einem so introvertierten und verhandelnden Album wie diesem nun leider fehlen. Stattdessen gibt es viele bedeutungsschwangere Klavierbeats und verhaltene Tracks, über die der Rapper hanebüchene Rechtfertigungen murmelt und seiner Credibility eher schadet als sie zu retten und alles in allem schon nach zwei Songs nur noch nervt. Und um in der Sache ganz klar zu sein: Mein Problem mit Gunna ist in keinem Moment sein Verhalten vor Gericht oder gegenüber YSL, sondern einfach die Tatsache, dass er daraus das schlechtestmögliche musikalische Ergebnis gemacht hat. 

🔴🔴🔴🟠⚫⚫⚫⚫ 04/11


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