Freitag, 14. April 2023

Die Wochenschau (01.04.-14.04.): Boygenius, Liturgy, DJ Drama und und und...


 
 
 
 
 
 
 
Liturgy - 93696LITURGY
93696
Thrill Jockey
 
 
Eigentlich müsste 93696 mit seiner Rückkehr zum klanglichen und inhaltlichen Entwurf von Platten wie the Ark Work oder H.A.Q.Q. ja meine neue Lieblingsplatte von Liturgy sein und dass es hier wieder ein bisschen derber zugeht, war eine Sache, die ich mir seit Jahren von dieser Band gewünscht habe. Leider habe ich stattdessen aber das erste Mal das Gefühl, dass die New Yorker*innen hier nur noch sich selbst wiederholen und ihrem eigenen Sound keine Innovation mehr hinzufügen. Wo die meisten Alben von Liturgy bis hierhin klangliche und kompositorische Grenzerfahrungen waren und immer mein Verständnis von Metal im Mindesten und mitunter Popmusik im Ganzen herausforderten, ist das hier in vielen Punkten nicht mehr als eine aufwändige Etüde der Stilistiken zwischen Black Metal, Glitch, Elektro und Avantgarde, die von ihnen schon seit fast einer Dekade beackert werden. Und dass sie mit 82 Minuten Spielzeit darüber hinaus ihre bisher längste Platte machen, tut ebenfalls wenig zur Sache. Am Ende ist 93696 damit zwar noch immer ein recht solides Stück Musik der New Yorker, allerdings auch ein etwas zahnloses und ahnbares. Zwei Attribute, von denen ich nie dachte, dass ich sie mal mit Liturgy in Verbindung setzen würde.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11




KOOL KEITH & REAL BAD MAN
Serpent
Die-Ai-Wei

Kool Keith & Real Bad Man - SerpentMit Oldschool-Veteran Kool Keith aka Dr. Octagon - einstmals Mitglied der legendären Ultramagnetic MC's - hat Real Bad Man auf Serpent seinen bisher sicherlich größten Kollaborationspartner an Land gezogen, der mit dieser Zusammenarbeit ein weiteres Mal Geschmack beweist und hier eine Partnerschaft eingeht, die an die besten Zeiten seines Octagon-Imprints erinnert. Auf diverse handverlesen geniale Beats des Producers baut Keith dabei seine wie üblich düster-verwegene Performance auf, wobei sich alle Bestandteile der Kollabo absolut perfekt ergänzen und als Ergebnis einige der besten Songs beider Künstler stehen. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11








HENDRIK OTREMBA
Riskantes Manöver
Trocadero


Riskantes Manöver ist stilistisch wie qualitativ alles, was man von einem Otremba-Solodebüt erwarten würde und insofern vielleicht auch nichts besonderes: Im Mittelpunkt eine lose thematisch verwobene Textarbeit mit geschwollener Lyrik, drumherum elegante Düsternis und genau die richtige Menge Goth, um nicht komplett in den Bereich des experimentellen abzudriften. Zentrales Instrument ist dabei diesmal das Klavier statt der Gitarre und einzig Smog in Frankfurt noch irgendwie ein Postpunk-Song (in dem dann passenderweise auch Stella Sommer für ein Feature vorbeischaut), was aber lediglich dafür sorgt, dass mich einige Tracks ein bisschen an Dan Bejar erinnern, ansonsten aber nicht viel an der üblichen Otremba-Stilitik ändert, die man schon von seiner Band Messer kennt. Und das bedeutet dann grundsätzlich auch, dass ich die Platte mag, obwohl ich mir am Ende vielleicht doch ein paar mehr Überraschungen gewünscht hätte.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11
 
 
 
 
 
Boygenius - the recordBOYGENIUS
the record
Interscope


Vielleicht sind Boygenius ja sowas wie die Crosby, Stills, Nash & Young der Zwotausendzwanziger: Eine Supergroup aus anderweitig ziemlich erfolgreichen (Indie-)Folk-Künstlerinnen, denen man bereits auf ihrer ersten EP anhörte, wie effektiv sie ihre gemeinsamen Talente fusionieren können, die für einen Nachfolger - in diesem Fall den ersten Longplayer zu dritt - aber auch ziemlich lange gebraucht haben. Was ja auch okay ist, denn in ihren jeweiligen Solokarrieren sind die drei Mitglieder Lucy Dacus, Julien Baker und Phoebe Bridgers zuletzt nur noch größer und besser geworden als beim letzten Mal und hätten so eine Kollaboration an sich gar nicht mehr nötig gehabt. Dass sie trotzdem existiert und wieder die besten Eigenschaften aller Beteiligten zusammenbringt, ist aber umso schöner und funktioniert auch trotz einer gewissen Inkohärenz der Platte. Da trifft der intime und feenhafte Indiefolk der letzten Bridgers-LP auf den melancholischen Garagenrock von Dacus und die hymnische Düsternis von Baker, immer ist es aber eine gut ausgegorene und inhaltlich potente Variante davon, die für jede Menge starke Momente sorgt. Auch wenn Cool About It mir am Ende doch ein bisschen zu sehr nach Simon & Garfunkels the Boxer klingt. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





YALLA MIKU
Yalla Miku
Bongo Joe

Als eine Art panafrikanisches und kosmopolites Musikprojekt verstehen sich Yalla Miku aus Genf, die auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum hier vor allem Stilistiken aus Nord- und Ostafrika zusammenbringen, garniert mit ein paar Häppchen elektronischem Krautrock und Spoken Word. Nicht von ungefähr erinnern sie mich deshalb an das Wau Wau Collectif, das in seiner Symbiose folkloristischer Stile ja ähnlich collagenhaft vorgeht, mit dem kleinen Bonus, dass ihr Sound noch ein bisschen actionreicher und kantiger ist. In den 31 Minuten dieser LP pflügen sie sich dabei durch jede Menge verschiedener Ästhetiken, die allesamt auch ziemlich gut aufgehen und für ein angenehm spannendes Albumerlebnis sorgen. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11






DJ Drama - I’m Really Like ThatDJ DRAMA
I'm Really Like That
MNRK


Das erste richtige Album-Album seit 2016, auf dem DJ Drama mal wieder ganz alleine auf dem Cover steht und als solches vor allem ein illustres Schaulaufen von Stars und Sternchen um den legendären Producer herum veranstaltet. Tyler, the Creator rappt gleich im Intro, danach geben sich Lil Baby, Gucci Mane, Lil Wayne, Lil Uzi, Rick Ross, T.I., Offset, Griselda und ein gutes Dutzend andere Größen die Klinke in die Hand. Als Tête-à-tête prominenter Namen ist das durchaus spannend, zumal die meisten Features hier auch echt stark geworden sind, mehr als die Summe seiner Teile ist das ganze am Ende aber nicht. Wer nach dieser Art starbesetzter Cypher mit vielen verschiedenen Stilen sucht, ist hier sicherlich gut aufgehoben, mir sind an vielen Stellen aber die Sounds zu inkohärent und die Beats zu altbacken. Vor allem ist es in den sehr produktiven letzten Jahren von DJ Drama aber bei weitem nicht das beste Album, das er gemacht hat.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen