Sonntag, 2. April 2023

Review: the Swing of Things

a-ha - Scoundrel Days
A-HA
Scoundrel Days
Warner
1986
 
 











[ synthpoppig | hymnisch | melodisch ]

Fast vierzig Jahre sind inzwischen vergangen, seitdem das norwegische Synthpop-Trio A-Ha mit ihrer Debütsingle Take On Me 1985 jenen einmaligen Überraschungs-Welthit landeten, den auch die Nachwelt nicht müde wird, ständig zu recyclen. Und noch immer scheint sich selbige Nachwelt vierzig Jahre später nicht einig zu sein, was nun eigentlich anzufangen ist mit dem Vermächtnis dieser Gruppe. Für die einen nichts weiter als ein flüchtiges One Hit-Wonder mit genau dem richtigen Meme-Potenzial für eine effektive Langzeitwirkung, sind sie für Andere wahlweise traniger Boyband-Prototyp, mäßig gut gealterter New Romantic-Zirkus oder echtes Pop-Kleinod, das weit mehr zu bieten hat als einen totgespielten Megasong. Und als jemand, der zumindest in ihrem Output aus den Achtzigern einigermaßen bewandert ist, stehe ich in dieser Frage auch ein bisschen zwischen den Stühlen. So bin ich rein vom künstlerischen Erbe schon irgendwie der Meinung, dass dieses langfristig abgesehen von Take On Me quasi kaum existiert (auch wenn the Sun Always Shines On TV ab und zu auch noch im Radio läuft), rein von der Qualität ihrer restlichen Sachen ergibt sich aber doch ein etwas komplexeres Bild. Hunting High and Low als ihr bekanntestes Album mit den ganzen Hits finde ich auch eher mittelmäßig und über Stay On These Roads von 1988 braucht man nicht zu reden, doch haben beide Platten definitiv ihre Momente. Und dann gibt es dazwischen eben auch noch den zweiten Longplayer Scoundrel Days, der für mich in den letzten Jahren immer mehr zum eigentlichen Highlight ihrer Karriere wird. Wobei ich jetzt würde ich dabei definitiv sagen würde, dass es sich bei dieser LP um ein unterschätztes Meisterwerk der New Wave-Bewegung handelt und die optimale Realisierung des Potenzials darstellt, die eine Band wie A-Ha für mich hat. So funktioniert es auf der einen Seite wunderbar als Albumerlebnis und ist klanglich immens kohärent, gleichzeitig hat es mit the Swing of Things, I've Been Losing You, Cry Wolf, Manhattan Skyline oder dem Titeltrack eine wahnsinnige Fülle an potenziellen Hitsingles in der Tracklist, von denen manche letztendlich auch welche wurden. Doch obwohl die Platte zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung erstmal ähnlich erfolgreich war wie ihr Vorgänger, haben es die Songs darauf nicht hinbekommen, so nachhaltig im Gedächnis der musikalischen Öffentlichkeit zu verharren, was in meinen Augen echt schade ist. Denn sowohl klanglich als auch kompositorisch wachsen A-Ha hier sehr gut in die großen Schuhe herein, die Hunting High and Low ihnen vor die Füße stellte. Mit fast dem gleichen Personal wie auf dem Debüt und einem ähnlichen Ansatz beim Songwriting schließt die Band hier an die dort erdachte Stilistik an, erweitert ihre Trickkiste aber merklich und fühlt sich in ihrer Haut vor allem sicherer. Songs wie Manhattan Skyline mit seinen prominenten Gitarren-Akzenten, das funkige Cry Wolf oder selbst das etwas awkwarde We're Looking for the Whales sprechen für eine gewisse Abenteuerlust im Studio und profitieren vom neuesten technischen Standard der Aufnahmen. Dass sie mit Morten Harket ein Ausnahmetalent am Mikro haben, wussten sie ja eh schon vorher. Natürlich muss man, um dieses Album wirklich toll zu finden, mit dem klanglichen Entwurf von A-Ha erstmal einverstanden sein und dafür auch ein bisschen Toleranz für Schmandigkeit mitbringen. Denn ja, ein wenig seifig und melodramatisch können die Songs hier werden. Sie sind nicht die trocken-mechanische Art von Synthpop-Band wie Depeche Mode oder die Pet Shop Boys, die Anfang der Achtziger bekannt waren, sondern eher die manchmal etwas kitschige Geschwistersorte wie Erasure oder Alphaville, die zu Mitte der Dekade vor allem auf dem europäischen Festland aufkeimten. Wo ich bei den meisten von denen aber immer den Eindruck habe, dass diese Harmonieverliebtheit auf Kosten des Songwritings geht und manchmal schon echt übertrieben werden kann, haben A-Ha - zumindest auf dieser Platte - dieses Problem nicht. Was heißt, dass sie sich eben nicht grundlegend verändern müssen, um richtig gut zu sein, sondern nur die Regler richtig setzen müssen. Und auf Scoundrel Days funktioniert das einmal in ihrer Karriere wirklich zu vollster Zufriedenheit.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11


Persönliche Höhepunkte
Scoundel Days | the Swing of Things | I've Been Losing You | Manhattan Skyline | Cry Wolf

Nicht mein Fall
We're Looking for the Whales


Hat was von
Depeche Mode
Construction Time Again

Alphaville
Forever Young


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