Donnerstag, 5. Januar 2023

Die Wochenschau (17.12.-31.12.2022): SZA, Haftbefehl, Little Simz, Yung Hurn, Metro Boomin, Stormzy und und und...





















STORMZY
This is What I Mean
Def Jam

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Sicherlich das beste Album, das Stormzy in seiner bisherigen Karriere gemacht hat und als solches für mich persönlich auch eines der größeren Highlights im britischen Hiphop der letzten paar Jahre. Und das obwohl die Banger-Dichte diesmal deutlich geringer ist als auf den beiden Vorgängern. Mit einem sehr nachdenklichen, melancholischen und souligen Album schafft es Stormzy hier gleichzeitig, seine Ernsthaftigkeit als Popstar auszubauen, künstlerisch zu reifen und erwachsener zu werden, dabei aber auch sein Standing in der Szene nicht zu verlieren. Viele Songs auf dieser LP klingen in der Produktion sehr nach alten Sachen von Bon Iver oder James Blake, Stormzy singt mehr denn je und setzt sich in vielen Stücken mit sehr viel persönlicheren Themen auseinander. Und obwohl das sicherlich irgendwie ein stilistischer Curveball ist, den ich so von ihm nicht erwartet hätte, erschafft er sich damit auch ein bisschen eine neue Komfortzone, in der er von mir aus gerne weitermachen kann. Denn wenn ich ehrlich bin, bekomme ich erst dadurch so richtig einen Draht zu seiner Musik.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





Haftbefehl - Mainpark BabyHAFTBEFEHL
Mainpark Baby
Urban


Spätestens auf diesem neuen Album ist Haftbefehl für mich ein bisschen zu einer falcoesken Figur geworden, die sich irgendwie auch nur noch auf den Lorbeeren ihres Erfolgs ausruht, dadurch aber nicht schlechter wird. Und bei beiden reden wir von Künstlern, die immerhin Ästhetik und Sprache deutscher Popmusik nachhaltig verändert haben. Wobei Mainpark Baby trotz solider Qualitäten keine Platte ist, die diesem Vermächtnis noch viel hinzuzufügen hat. Wie dort gibt es klassische Banger der Sorte Zu viel gesehen und Mit der Pumpgun 2.0, die man inzwischen sehr gut antizipieren kann, aber auch stärkere melancholische Färbungen und Pop-Crossover, die der Offenbacher mehr oder weniger gut über die Bühne bringt. Positive Spitzen sind dabei Sachen wie Geruch von Koks mit seiner fantastischen Hook, Kein Respekt mit seinem arschcoolen OG Keemo-Feature oder das programmatische Letzter Track, eher weniger berauschende Momente sind aber zum Beispiel das lahme Chevignon & Classics, auf dem Hafti mich sogar ziemlich an Fler erinnert. Wobei ein generelles Manko der Platte der etwas trockene und abgehackte Flow ist, den er hier ziemlich oft anwendet. Alles in allem ist Mainpark Baby damit wieder eine ziemlich okaye LP, die in einer so produktiven Haftbefehl-Phase wie der aktuellen vielleicht ein bisschen untergehen wird, die deshalb aber auch nicht schlecht ist.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11





METRO BOOMIN
Heroes & Villains
Republic


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Dass Heroes & Villains eines der imposantesten Produzentenalben der gesamten Saison ist, liegt sicherlich zu einem Teil daran, dass auch 2022 noch die gesamte Rapwelt Gewehr bei Fuß steht, wenn jemand wie Metro Boomin eine neue Platte macht. Wo sonst erlebt man beispielsweise 21 Savage und the Weeknd gemeinsam auf einer sapschigen Neunziger-Schmonzballade wie Creepin' oder gleich mehrere Features von Leuten wie Future, Travis Scott und Young Thug, die nicht selten sogar gemeinsam auf einem Track performen. Dass Heroes & Villains über weite Strecken so ein Erfolgsrezept ist, liegt in vielen Momenten aber auch einfach daran, dass Metro Boomin selber einfach sein bestes Material für diese LP aufgehoben hat und nicht selten trotz vieler prominenter Gäste der Star seiner Songs bleibt. So wäre Walk Em Down ohne die düstere Drill-Bretterei aus seiner Feder nur halb so krass, Don Toliver hätte in Around Me nur halb so viel Hook zum abarbeiten und einer der letzten Auftritte von Takeoff (R.I.P.) in Feel the Fiyaaaah würde wesentlich weniger triumphal klingen. Und obwohl letztlich auch nicht jeder Track hier der Wahnsinn ist und manche Stücke auch eher auswechselbar bleiben (ganz zu schweigen von einem oftmals eher nervigen 21 Savage), sehe ich Heroes & Villains doch insgesamt als ziemlich gelungene Unternehmung, die einem der wichtigsten Produzenten der letzten Dekade mal wieder den Platz einräumt, den er verdient.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11





Yung Hurn - CRAZY HORSE CLUB MIXTAPE, VOL. 1YUNG HURN
Crazy Horse Club Mixtape, Vol. 1
Warner

Es war ja abzusehen, dass Yung Hurn früher oder später auf die ganze Hyperpop-Draingang-Schiene aufspringen würde und allein schon aus Motiven der Trendanpassung ist eine Platte wie diese daher keine Überraschung. Was mich allerdings überrascht hat ist, mit welcher Aufmachung diese kleine Stilwende daherkommt und wie ernsthaft großartig das Ergebnis am Ende geworden ist. Wobei es kein Zufall sein dürfte, dass Crazy Horse Club in Sachen Release-Format als Mixtape - zumindest ganz offiziell - der Nachfolger des genialen Krocha Tape von 2016 ist. Denn nicht nur reden wir in beiden Fällen von Platten, die relativ freiförmig-experimentell gestaltet sind und eher kurze Vignetten als vollwertige Songs auftafeln, sie gehören beide auch zu den besten Sachen, die ich im Katalog des Wieners gehört habe. Wobei die hier vorliegende LP in Sachen Kreativität sogar noch ein paar wesentliche Schritte weitergeht als ihr Vorgänger. So ist fast in jedem Track Yung Hurns Stimme auf die eine oder andere Weise seltsam gepitcht und lässt dadurch in manchen Momenten sogar die Unterscheidung zwischen Hauptakteur und Feature unmöglich werden, in anderen wie Aus Mein Kopf oder eine nase erleben wir die bisher mutigsten stilistischen Crossover der Österreichers. Alles in allem macht das Crazy Horse Club zu einer sehr ungewöhnlichen Platte von Yung Hurn, allerdings auch zur ersten seit etlichen Jahren, mit der er mich wirklich abholt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11



SZA - SOSSZA
SOS
Top Dawg | RCA


Wahrscheinlich mein letzter großer Hot Take der Saison 2022: SZAs SOS ist definitiv nicht das Album, auf das ich seit 2017 gewartet habe. Denn obwohl es bei mir durchaus etwas länger dauerte, meine Liebe für ihr legendäres letztes Werkstück Ctrl zu entdecken, ist diese zuletzt doch sehr deutlich vorhanden gewesen. Und nach so viel Wartezeit jetzt ein so halbgares und unzulängliches Ding wie diese LP zugestanden zu bekommen, doch eine ziemliche Enttäuschung. Wobei das Problem ja nicht mal ist, dass SZA sich keine Mühe geben würde. Immerhin 23 Songs hat sie hier aufgenommen, großzügige 67 Minuten damit gefüllt und stilistisch viel ausprobiert. Von einem irgendwo ausgebuddelten ODB-Feature über Phoebe Bridgers bis zu einer erstaunlich stimmigen Poppunk-Nummer. Dass SOS am Ende aber trotzdem ein Album ist, das ziemlich monoton und dröge klingt, muss man bei so vielfältigem Input also erstmal schaffen. Wobei die Fehlerquellen mannigfaltig sind: Die Produktion ist durchweg sehr unkreativ und lahmarschig, das Songwriting an vielen Stellen extrem einförmig und am Ende leider auch SZA als Performerin und Texterin nicht mehr die, die sie vor fünf Jahren war. Ganz zu schweigen davon, dass das Ding einfach eine ganze Ecke zu lang ist und zu viele Sachen mit zu wenig Fokus fürs Detail behandelt. Am Ende also mehr als nur eine etwas unglückliche Nummer.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 06/11




Little Simz - NO THANK YOULITTLE SIMZ
No Thank You
Forever Living Originals


Dafür, dass No Thank You sich gerade sehr als unscheinbares Nachbereitungs-Projekt von Sometimes I Might Be Introvert aus der letzten Saison vermarktet, ist es doch ganz schön pompös geraten und in meinen Augen auch inhaltlich eine Arbeit, die ganz schön viel auf der Agenda hat. Denn nicht nur lässt Litte Simz es sich hier nicht nehmen, nochmal die fetten Orchesterparts vom Vorgänger zu animieren, die hier für einen sehr vollmundigen Sound sorgen, sondern findet in vielen Momenten auch Kapazitäten für eine Art von Realtalk, den ich bei ihr schon einige Jahre nicht mehr gehört habe. In vielen Songs hier geht sie sehr tief auf die Problematiken von BIPOC-Angehörigen in Großbritannien ein und verhandelt dabei auf einer Ebene, die nach dem sehr inspirierenden, aber gezwungenermaßen oberflächlichen letzten Album ziemlich erfrischend ist. Wenn ich ehrlich bin, habe ich sie sogar seit ihrem Debüt nicht mehr so on fire gehört. Ob ich No Thank You deshalb als großen Wurf empfinde, kann ich an diesem Punkt allerdings noch nicht genau sagen, da es auf musikalischer Ebene schon definitiv coolere Sachen der Londonerin gibt. Auf jeden Fall dürfte das hier aber mittelfristig eine ziemliche Wildcard in ihrer Diskografie werden, die man keinesfalls unterschätzen sollte.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11



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