Mittwoch, 25. Januar 2023

Songs für die Ewigkeit: Beezy tritt aufs Gas

LGoony - Grape Tape
SONGS FÜR DIE EWIGKEIT
LGOONY feat. MONEY BOY
Lambo Gallardo
aus dem Mixtape Grape Tape
2015








 
 
Es braucht bei mir manchmal ein bisschen um mich zu erinnern, dass der coolste Rapper Deutschlands tatsächlich mal auf den Namen Ludwig Langer hörte und es eine Zeit gab, in der das Prädikat "deutschsprachiger Trap" noch ernsthaft verheißungsvoll klang. Ich will an dieser Stelle nicht missgünstig oder zynisch gegenüber den heutigen Strömungen des Genres klingen und es gibt unter den aktuellen Acts aus diesem Bereich sicherlich viele krass talentierte Künstler*innen, doch ist es in meinen Augen einigermaßen bemerkenswert, wie durchweg großartig zwischen 2014 und 2017 die erste Welle des hiesigen Ablegers des US-Trends war und wie wenig Mist dieser doch produzierte. Angeführt und quasi komplett ausgestaltet von gerade Mal einer Handvoll Rapper*innen, die allesamt unfassbar cool waren und mit viel Leidenschaft und Charakter bei der Sache waren, entstand in dieser Zeit ein wahnsinnig stilsicherer erster Entwurf von Traprap aus Deutschland, der noch nichts von der massenproduzierten Sexismus-Namedropping-eingekaufte Features-Mischpoke hatte, die schon wenig später das Geschehen dominierte. Und vielleicht liegt es ja daran, dass man mit so einem Sound um 2015 herum eh noch kein Geld machen konnte oder Leute wie Crack Ignaz, Yung Hurn, Haiyti oder Young Krillin einfach übelste Freaks waren, doch ist die Spannung und die Qualität, die diese Stilistik von Hiphop zu dieser Zeit hatte, seitdem nicht mehr erreicht wurden. Auch nicht von denen, die zu ihren Pionieren gehörten, weswegen ein Album wie Grape Tape und viele der Songs darauf für mich heutzutage wie eine Zeitkapsel funktionieren. Dass ich statt Lambo Gallardo auch über zahlreiche andere Tracks dieser Platte sprechen könnte, möchte ich dieser Besprechung also schonmal voranstellen, weil er nur einer von vielen Lieblingsstücken von mir darauf ist. Was aber natürlich nicht heißt, dass er nicht trotzdem eine besondere Rolle auf diesem Mixtape und vielleicht sogar in der gesamten damaligen Szenelandschaft einnimmt. Denn vor allem eine Sache an diesem Song hat rückblickend ein kleines bisschen eine historische Bedeutung: Das Feature von Money Boy und wie Lambo Gallardo mit ziemlicher Sicherheit einer der Tracks war, der sein Ansehen im Hiphop entscheidend veränderten. Wobei diese Veränderung mit seinem eigentlich Part eher wenig zu tun hat. 
 
 
 
Wie auf den meisten seiner anderen Stücke performt MBeezy hier seinen üblichen Quark über amerikanische Sportstars, Autos, Kohle und Sex, den er mit den wie üblich komplett abgefuckten Onelinern garniert ("Mein Dick ist groß Motherfucker / wie das Gegenteil von klein") und ein bisschen wirkt das ganze ehrlicherweise auch einstudiert und zurechtposiert (was bei diesem Typen ja nicht unbedingt negative Kritik bedeutet). Was es aber so speziell macht ist der Raum, in dem der Österreicher hier zum ersten mal wirklich als Pionier einer Stilistik ernstgenommen wird und für seinen Host LGoony letztlich zu so etwas wie einem geistiger Vater avanciert. Denn obwohl es auch 2015 schon Sachen wie die Glo Up Dinero Gang gab und ein paar kunstige Kandidaten wie Kurt Prödel ihn auf dem Schirm hatten, war Sebsatian Meisinger damals zu großen Teilen noch der Typ von Dreh den Swag auf und damit eher eine ziemlich Lachnummer, die nichts mit "richtigem Hiphop" zu tun hatte. Dass er für genau für diesen Hiphop im deutschsprachigen Raum aber eine ähnliche Rolle einnahm wie in den USA ein Lil B, also mit selbstgemachten, amateurigen Musikvideos aus dem Internet bekannt wurde und damit viele beeinflusste gleiches zu tun, erkannten damals nur wenige. Zum Beispiel eben jemand wie LGoony, der sich genau in diesen Wirrungen der Szene in den Staaten auskannte und jene Art dauerhaft vernetzter Persona hatte, die solche Parallelen checkt. Im übrigen genauso wie Haiyti, die ebenfalls bereits 2015 mit dem Österreicher kollaborierte und hier zumindest eine ehrenhafte Widmung verdient hat. Lambo Gallardo ist für mich allerdings vor allem deshalb der representativere Song, weil LGoony zu diesem Zeitpunkt in seiner Bubble schon etwas größer war und ihr gemeinsamer Track letztlich auch in Sachen Produktion ein bisschen mehr High-End ist. Vor allem ist es aber auch der weitaus bessere Song, der durchweg von den Qualitäten profitiert, die auf dem gesamten Grape Tape omnipräsent sind: Völlig entfesselter Materialismus, ein hymnischer Poptrap-Beat, der raptechnische Doppelwumms aus gesungener und gerappter Strophe nach dem ersten Refrain und natürlich eine dieser absolut grandiosen Megahooks, die LGoony damals noch endlos vom Stapel ließ. Auch dass MBeezy hier eben direkt den ersten Part übernimmt und damit in der Trackslist des Albums völlig aus dem Nichts kommt, ist eine coole Sache, gerade weil er einer der ganz wenigen offiziellen Gäste auf dem Tape ist. Und obwohl ich definitiv nicht so weit gehen würde, Lambo Gallardo als Klassiker oder weltverändernden Song zu bezeichnen, ist er doch einer von vielen kleinen Schritten in der immerwährenden Metamorphose des Deutschrap. Und dabei auch noch ein absolut fantastischer.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen