Freitag, 20. Januar 2023

Die (Drei-)Wochenschau (1.1.-20.1.2023): Keine besonderen Vorkommnisse




Iggy Pop - Every LoserIGGY POP
Every Loser
Gold Tooth | Atlantic

Es schmerzt mich wirklich, das neue Jahr mit einer so negativen Breitseite beginnen zu müssen und ist nochmal extra tragisch, weil ich mich auf die neue LP von Iggy Pop ja wirklich gefreut habe. Doch so ehrlich muss man sein: Mit Ruhm beklecktert sich der Großvater des Punkrock hier nicht. Schlimmer noch, denn nachdem schon sein letztes Album Free von 2019 ein echter Totalausfall war, tut Every Loser es ihm in vielen Punkten quasi gleich und präsentiert eine Platte voller fehlgeleiteter Energie und mangelhafter Durchführung. Wobei die Probleme sich hier durch alle Ebenen ziehen: Schon im Songwriting sind viele Momente hier sehr billig zurechtgeschustert, wobei Iggys leidliche Fähigkeiten als Texter nicht gerade helfen. Und was dann wie das eigentlich okaye New Atlantis oder Morning Show noch an halbwegs gescheiten Ideen übrig ist, wird durch eine extrem uninspirierte und dämliche Produktion zunichte gemacht. Negative Highlights sind dabei für mich das prätenziöse Comments, das extrem grobschlächtige Modern Day Ripoff sowie das eigentlich okaye My Animus, das sein Gitarrenmotiv aber kackendreist bei Mogwais Hunted By A Freak abkupfert. Unterm Strich also leider ein weiteres ziemlich desaströses Album für Iggy, mit denen er hier traurigerweise langsam in Serie zu gehen scheint. 

🔴🔴🔴⚫⚫⚫⚫ 03/11





William Ryan Fritch - PolarityWILLIAM RYAN FRITCH
Polarity
Lost Tribe Sound


Um Ermüdungserscheinungen mit dem Sound von William Ryan Fritch vorzubeugen, lasse ich die meisten seiner atmosphärischen Filmscore-Arbeiten, die es von ihm mitunter fast im Quartalstakt gibt und die quasi alle gleich klingen, meist direkt links liegen und fokussiere mich lieber auf seine "richtigen" Alben, in diesem Fall wollte ich dann aber doch eine Ausnahme machen. Erstens weil Polarity nun tatsächlich das erste Projekt ist, dass der hyperaktive Klangtüftler aus Oakland seit einer ganzen Weile gemacht hat (die gesamte letzte Saison über gab es kein neues Material, seine letzte LP war vom November 2021), zweitens weil es stilistisch doch mehr zu werden versprach als bloß eine schnöde Austragsarbeit. Nachdem Fritch in den vergangenen Jahren schon Experimente mit Jazz und sogar lateinamerikanischer Musik erstaunlich gut gelungen waren, befindet er sich hier ein weiteres Mal ein bisschen auf neuem Territorium. Zwar nicht so sehr wie auf the Letdown von 2020, das viel mit besagten Jazz-Elementen spielte, aber schon so, dass man sich erstmal ein bisschen umhören muss. Im Gegensatz zu seinen sonst so flirrend-folkigen Kokophonien baut er hier einen sehr entschleunigten und minimalistischen Sound zurecht, der diesmal auch wirklich mit beiden Füßen im Bereich des Ambient steht. Dass es dabei auch vorsichtige synthetische Anklänge gibt (so zumindest interpretiere ich manche Sounds auf der Platte) ist außerdem spannend. Und es passt letztlich auch deshalb, weil Fritch diesmal Musik für eine Doku macht, die sich mit den Folgen des Klimawandels in der Arktisregion auseinandersetzt und dann eben auch entsprechend düster und unterkühlt klingt. Ganz unabhängig davon (und ein guter Soundtrack funktioniert in meinen Augen unabhängig von seinem visuellen Konterpart) macht er damit aber auch mal wieder eines seiner richtig guten Alben und vielleicht sogar meine erste Lieblingsplatte in der neuen Saison.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11




OBITUARY
Dying of Everything
Relapse

Obituary - Dying of EverythingMit Obituary haben wir im Januar 2023 noch eine dieser Death Metal-Legenden von Anno Dazumal auf dem Plan, die es hier mit einem relativ spät in ihrer Karriere veröffentlichten Album schaffen, mich nochmal richtig zu beeindrucken und dabei nicht viel neu oder besonders zu machen, aber sich doch zum wiederholten Mal als rechtmäßiger Klassiker zu präsentieren. Und in der kurzen Zeit, die Dying of Everything draußen ist, hat es sich schon als echter Grower erwiesen. Den grobschlächtigen und sehr trockenen Sound, den ich zunächst so gar nicht mochte, haben mir Obituary am Ende doch noch sehr effektiv verkauft und schaffen hier mit fantastischem Songwriting und tollenweise starken Hooks und Soli einen echten Dampfhammer von einer LP. Genau so, wie ich meinen klassischen Death Metal am liebsten mag.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11



Don Bolo - Desde Mi PrivilegioDON BOLO
Desde Mi Privilegio
BlowJob Records


Schon auf dem Vorgänger Bahamut vom letzten Winter beeindruckte mich diese Formation aus Ecuador mit ihrer extrem weirden Mischung aus Avantgarde-Prog, Jazz-Fusion und Punkrock, die nun ein Jahr später wieder da ist, sich an bestimmten Punkten aber auch signifikant verändert hat. Denn anstatt eines wüst-progressiven Nerdcore-Konstrukts machen Don Bolo 2023 eher ein rotziges Hardcore-Album, das an seiner Oberfläche sehr an Acts wie die Bad Brains, frühe Turnstile-Sachen oder Mr. Bungle erinnert. Natürlich wäre es aber nicht Don Bolo, wenn nicht auch nebenher total viele seltsame Sachen passieren würden, die sich hier unter anderem in den Dub-Einschlägen des Titeltracks, dem Doom- und Black Metal-infizierten Ungoliant oder dem Goregrind-mit-Ska-Elementen-Chaos von Lamento Ecuatoriano offenbaren. Dass die Gruppe hier ein weiteres mal einen Hingucker produziert hat, lässt sich also nicht bestreiten und auch wenn ich bei alledem nicht sagen würde, dass er ohne kleinere Schönheitsfehler über die Bühne geht, bin ich ob dieses Albums doch nur noch neugieriger über diese Band geworden. Und auf jeden Fall ist es schade, wie wenige Leute gerade noch über sie sprechen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




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