Mittwoch, 22. Januar 2020

Trial & Error

[ jugendlich | elektronisch | vielseitig ]

Als Alex Crossan aka Mura Masa vor circa viereinhelb Jahren das erste Mal in die Debatte über die großen Electronica-Künstler*innen der näheren Zukunft aufgenommen wurde, war ziemlich klar, dass man das auch durchaus in kommerzieller Hinsicht meinte. Der junge Brite schrieb direkt mit seinen ersten Gehversuchen veritable Hits, brauchte nur eine sehr kurze Inkubationszeit auf den Tanzflächen seiner Heimat und holte sich für seine erste große Single nach dem lukrativen Polydor-Deal (mit gerade Mal 17 Jahren!) eben mal A$ap Rocky auf die Gästeliste. Dass er mal einer der ganz großen werden könnte, war also absolut im Bereich des möglichen und auf seinem Debüt von 2017 reihte sich folglich ziemlich viel internationale Prominenz ein, um mit ihm zusammen zu arbeiten. Wobei Crossan auch hier zeigte, dass er tatsächlich das Talent hatte, die immensen Erwartungen zu erfüllen und den ganzen Hype zu rechtfertigen. Allerdings wurde damals ebenfalls schnell klar, dass er keinen Bock hatte, die neuen Disclosure zu werden. Denn obwohl er sich seine Kollaborationspartner*innen nach belieben aussuchen konnte und damit locker im Radio hätte landen können, setzte er schon auf seinem Debüt eher darauf Spannung zu erzeugen als Clout. Ein Star wollte Mura Masa also definitiv nicht werden, und wer auf dem Debüt daran noch zweifelte, den sollte spätestens R.Y.C. davon überzeugen. Denn so ziemlich alles, was er hier tut, spricht für das komplette Gegenteil. Zunächst mal ist da die Tatsache, dass diese LP sein erstes richtiges Projekt seit besagtem Debüt ist, womit er das Zeitfenster der viralen Relevanzverteidigung um mindestens zwei Jahre verpennt hat. Und dann ist das, was er auf diesem Album macht, auch nicht unbedingt ein Versuch, mit einem möglichst großen Knall zurückzukehren. Tatsächlich fühlt sich vieles an diesen elf Songs nicht mal an, als hätte er hier einen vollwertigen neuen Longplayer machen wollen, sondern eher etwas lockeres für Zwischendurch. In vielerlei Hinsicht hat R.Y.C. den Charakter eines Mixtapes, ähnlich dem von Flume im letzten Jahr, auf dem der Brite ein paar überlagerte Songs veröffentlicht, mit neuen Strukturen spielt und experimentelle Ideen ausprobiert, die auf ein richtiges Album nicht passen würden. Und in gewisser Weise ist das natrürlich erstmal enttäuschend. Nach drei Jahren ohne neues Material wäre ein etwas ausgeschmückteres Gesamtwerk im Stil des Debüts schon cool gewesen. Andererseits bietet R.Y.C. durch seinen lockeren Charakter auch Eindrücke, die so eine Platte eben nicht hätte. So zeigt sich Mura Masa hier bisweilen als sehr experimentierfreudiger Künstler, der eine umfassende Palette an Stilen anbietet. Da gibt die klassische Quotenhitnummer Live Like We're Dancing mit Georgia, den Funk-orientierten UK-Rap-Jam Deal Wiv It, dessen Slowthai-Feature an the Streets erinnert oder No Hope Generation, das sogar fast als Emorock-Titel durchgeht. Wobei wir da noch von den gefälligeren Stücken reden. Ein ganzes Stück spannender wird es nochmal, wenn Mura Masa die gängigen Songstrukturen verlässt und in Tracks wie Nocturne for Strings and A Conversation oder A Meeting at an Oak Tree in ambiente Gitarrenakustik oder Spoken Word-Texte übergeht. Erstaunlich ist ebenfalls, welch großen Fokus der Brite diesmal auf Gitarrenmotive legt und das hier teilweise fast zu einem Indierock-Projekt macht. Und auch wenn die Basis des Songwriting noch immer elektronische Versatzstücke bilden, ein reines Electronica-Projekt ist R.Y.C. definitiv nicht. Viel eher probiert Crossan in jedem Song neue Dinge aus, hakenschlägt sich von Genre zu Genre und riskiert dabei durchaus mal, seinen eigenen klanglichen Charakter aufzugeben. Und prinzipiell ist diese Kreativität auch geil, nur leidet der Gesamteindruck hin und wieder darunter. Zum einen, weil diese Art von stilistischer Ungebundenheit das Gesamtwerk wie einen Flickenteppich wirken lässt, der nicht als ganzes geplant wurde, sondern lediglich ein Medium ist, um den großen Haufen neuer Ideen zu veröffentlichen. Zum anderen, weil die Qualität am Ende doch ziemlich durchwachsen ist. Es gibt hier großartige Hits wie Deal Wiv It oder Live Like We're Dancing, einige Tracks sind aber auch klassische B-Ware, die zu den schlechteren Momenten von Mura Masa gehört. Alles in allem kommt hierbei zwar doch noch ein ziemlich überzeugendes Resteverwertungs-Album raus, das ich vor allem für seine Kreativität bewundere, als Nachfolger des Debüts akzeptiere ich das hier aber noch nicht wirklich. Es wird bis zur nächsten größeren Veröffentlichung wahrscheinlich noch dauern und Alex Crossan scheint nicht der Typ zu sein, der auf durchgestylte LP-Projekte steht, aber ein bisschen mehr als das hier kann man denke ich schon erwarten. Am Talent des Briten scheitert es auf jeden Fall nicht.



Klingt ein bisschen wie
Metronomy
Metronomy Forever

Flume
Hi, This is Flume

Persönliche Highlights
Raw Youth Collage | A Meeting at an Oak Tree | Deal Wiv It | Today | Live Like We're Dancing | Nocturne for Strings and A Conversation

Nicht mein Fall
No Hope Generation

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