Sonntag, 14. April 2024

Die Wochenschau (08.04-14.04.2023): Beyoncé, Alligatoah, Future & Metro Boomin, Omar Souleyman und und und...



 
 
 
 
 
FUTURE & METRO BOOMIN
We Don't Trust You
Epic

Future und Metro Boomin mögen gerade nicht die zwei coolsten auf dem Schulhof sein, soviel ist klar. Trotzdem ist es eine ziemliche Farce, dass ihr erstes Kollabo-Album den größten Buzz aufgrund einiger Diss-Zeilen bekommt, die nicht mal von einem der Hauptakteure kommen, sondern von Kendrick Lamar. Denn was wir hier effektiv haben, ist eines der vielleicht namhaftesten Producer-Rapper-Koops der vergangenen paar Jahre mit zwei Künstlern an der Spitze, die zu den wichtigsten Hiphop-Protagonisten des letzten Jahrzehnts zählen. Obwohl man der Fairness halber sagen muss, dass We Don't Trust You musikalisch kein Album ist, an dem man das zwingend merkt. Vieles daran ist gut und quasi nichts effektiv schlecht, beide kriegen es hier aber von sich aus nicht hin, irgendetwas bemerkenswertes zu ihrem jeweiligen Sound beizusteuern. Metro Boomin versucht es an einigen Stellen zumindest noch und schafft mit Songs wie Young Metro oder Claustrophobic immerhin eine handvoll Momente, an denen man sich festhalten kann, für Future jedoch scheint die Platte (die immerhin seine erste seit gut zwei Jahren ist) mal wieder eine zu sein, bei der er nicht mehr macht als unbedingt notwendig. Weshalb es letztenendes leider doch so ist, dass Songs vor allem dann hängen bleiben, wenn mal ein wirklich gutes Feature darin auftaucht. So wie das von The Weeknd in Young Metro oder eben das von Lamar in Like That. Wahrscheinlich sind die beiden am Ende also selber schuld.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11





RAURY
Transcendence
Die-Ai-Wei

Alle paar Jubeljahre stolpere ich im Internet mal wieder über die Musik von Raury Tullis, die man bis zu meinem letzten Aufeinandertreffen mit seinem Output vor zwei Jahren als durchaus abstrakte, aber in jedem Moment handfeste Rapmusik bezeichnen konnte. Mit seinem neuesten Album scheint er nun aber dem Weg des Andre 3000 zu folgen (der auch vorher schon einen wesentlichen Einfluss auf ihn zu haben schien) und veröffentlicht eine komplett ambiente New Age-Platte völlig ohne Hiphop-Bezüge. Zwar lässt er die Holzblasinstrumente dabei weg und singt sogar an vielen Stellen, inhaltlich hat das ganze aber eher was von meditativen Mantras, in denen einzelne Worte oder Satzfetzen mit tonnenweise Hall gebetsmühlenartig wiederholt werden. Auf instrumentaler Seite ist die Platte ähnlich zurückgesetzt und beschränkt sich größtenteils auf synthetisches Wabern, das in manchen Momenten schon an Field Recording- oder Lowercase-Musik erinnert. Und wenn der Künstler selbst dann auf dem Cover verschwommen im weißen Gewand zu sehen ist und die Songs selbst nach den sieben Yoga-Chakren benannt sind, weiß man ungefähr, wo man spirituell gelandet ist. Aber wo das alles von konzeptueller Seite her ein bisschen esoterisch und Räucherstäbchen-mäßig rüberkommen mag, ist Transcendende musikalisch doch alles andere als verschwurbelter Hokuspokus, sondern in vielen Momenten ein echt stabiles Ambient-Album. Die Soundscapes der sieben Tracks sind nicht selten super ausgestaltet und haben tatsächlich Substanz, vor allem durch Raurys herrlich klaren Gesang wird das klangliche Bild aber in vielen Momenten noch extra abgerundet und schafft einen Aha-Effekt, den ambiente Musik in dieser Form nicht häufig hat. Das ist auch für ihn als Künstler nicht ohne Bedeutung, denn nach Jahren des eher mittelprächtigen Intellektuellen-Rap schafft er sich hier mal wieder ein Album, mit dem er wirklich heraussticht.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




ROSIE TUCKER
Utopia Now!
Sentimental Records

 
 
 
 
 
 
 
Vor ein paar Jahren noch wäre eine Platte wie Utopia Now! ziemlich sicher in meinen Saison-Top-Ten gelandet, inzwischen ist aber einfach zu viel Musik von dieser Sorte passiert, um das wirklich noch als Sensation zu verkaufen. Was allerdings genausowenig heißt, dass Rosie Tucker langweilige Musik macht. Klanglich geht die Songwriterin den Weg von Soccer Mommy und Snail Mail, hat lyrisch aber den sarkastischen Schalk einer Courtney Barnett oder gar eines Adam Green in sich, wobei vor allem letzteres sie ein Stückweit aus der Masse heraushebt. Empfehlen kann ich diese Platte also durchaus auf eine Für-Fans-Von-XY-Weise. Wenn man dieser Art von Indierock allerdings schon überdrüssig ist, wird Rosie Tucker das Ruder nicht mehr rumreißen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




ELBOW
Audio Vertigo
Polydor

Ich kann mich eigentlich an keine Zeit erinnern, in der es Elbow nicht genügte, ihren schöngeistig-melancholischen Indierock sehr geradeaus zu spielen und sich in Sachen klanglicher Veränderung und Experiment eher in Grenzen zu halten. Weshalb es überraschend ist, das sie es mit ihrem immerhin schon zehnten Album doch nochmal wissen wollen. Für die Verhältnisse der Band ist Audio Vertigo extrem actionreich und sucht in vielen Momenten groovige oder gar tanzbare Ästhetiken, die man von ihnen so überhaupt nicht kennt. Erstaunlich oft geht das auch gut, was vor allem daran liegt, dass die Band weiß, wo sie mit dieser Metamorphose ansetzen kann. Die Bewegung vieler Songs findet vor allem in der Rhythmusgruppe und einer ganzen Reihe zusätzlicher Instrumentierung statt, während Guy Garveys Gesang weiterhin gut daran tut, das ganze mit der nötigen Portion Soul und Schwermut auszubalancieren. Und mit Songs wie Knife Fight oder dem Closer From the River gibt es weiterhin ein paar klassische Tracks, die der Platte die nötige Abkühlung verschaffen. In den besten Momenten channeln Elbow also eine fast LCD Soundsystem-artige Energie zwischen Groove und Schwerfälligkeit, die ihnen nicht schlecht steht. Ein bisschen nervig finde ich zwar, dass in manchen Songs synthetische Bläsersätze eingebaut sind, die einfach sehr künstlich klingen, toll finde ich aber die ernsthafte Rockigkeit eines Good Blood Mexico City oder das dancepoppige Keyboard-Gewitter Balu. Und unterm Strich kann man definitiv sagen, dass die Briten mit Audio Vertigo ihre interessanteste Platte seit Jahren machen, die mein sorgfältig kultiviertes Desinteresse für diese Band nochmal ziemlich kalt erwischt hat.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11






ALLIGATOAH
Off
Groove Attack

Viele Jahre lang empfand ich die Musik von Lukas Strobel aka Alligatoah aufgrund ihrer durchtechnisierten und operettenhaften Art größtenteils auf einem Spektrum zwischen uninteressant und effektiv nervig und ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, das ausgerechnet ein New Metal-Album des Rappers daran noch irgendetwas ändern könnte. Zumal Off in vielerlei Hinsicht kein so krasser Stilbruch ist, wie man das aufgrund des Aufhängers vermuten könnte. Klar, die schweren Riffs und hakenschlagenden Grooves sind allgegenwärtig und in Songs wie Wer lacht jetzt driftet Alligaotoah sogar in Metalcore und Black Metal ab. Die üblichen Parameter seines Sounds, vor allem die schnellen, verklausulierten Rap-Passagen und die krass ohrwurmigen Mike Patton-Refrains als deren Konter, sind hier aber weiter da und prägen das klangliche Bild. Wobei das erstaunliche ist, dass es mich diesmal absolut nicht nervt. Allenfalls die Hook von Ich Ich Ich fällt nochmal in alte Schwächen zurück, das abschließende Cover von No Angels' Daylight ist bestenfalls überflüssig und das groß promotete Feature mit Fred Durst trägt musikalisch nichts bei, ansonsten empfinde ich Off aber als ziemlich stabile Sammlung von Songs, an der ich herzlich wenig auszusetzen habe. Wie Strobel hier seine Themen angeht, ist clever und nicht zu anstrengend-nerdig, viele Melodien sind auf die richtige Weise eingängig und selbst potenziell schwierige Feature-Gäste wie Bausa und Sandra Nasic von den Guano Apes (hat die vorher überhaupt schon mal auf deutsch gesungen?) bringen ihre Parts hier gut über die Bühne. Und wo ich mich von der Sache her schon noch daran gewöhnen muss, ein Album dieses Künstlers nicht nur zu tolerieren, sondern effektiv gut zu finden, ist mein Resultat im Moment doch unmissverständlich befürwortend. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




OMAR SOULEYMAN
Erbil
Mad Decent

Fünf Jahre sind seit der letzten LP von Omar Souleyman vergangen, in denen der Sänger wieder einmal seine musikalische Basis wechseln musste. Nach einiger Zeit in der Türkei wurde ihm von der dortigen Regierung die Mitgliedschaft in der PKK vorgeworfen, in seiner syrischen Heimat ist währenddessen immer noch keine Ruhe eingekehrt. Die irakische Stadt Erbil ist nun vorerst sein neues Zuhause, nach dem er auch diese Platte benannt hat, die im Gegensatz zu seinem unglücklichen Schicksal mehr denn je auf Partystimmung setzt. Obwohl Souleyman diesmal größtenteils mit alten Weggefährten und ohne namhafte europäische Produzenten arbeitete, klingen die Songs hier noch weniger traditionell als je zuvor und bauen in vielen Momenten starke EDM-, Trap- und Hiphop-Querverweise ein. Auch der Sound an sich ist an vielen Punkten noch knackiger und tanzbarer, was bei seiner Musik eigentlich immer eine gute Sache ist. Und gerade weil es jetzt so lange nichts neues von ihm gab, bin ich dafür umso dankbarer. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11





BEYONCÉ
Cowboy Carter
Parkwood

Ganz ehrlich, Cowboy Carter ist ein seltsames Album. Und damit meine ich nicht, dass ich die Entscheidung von Beyoncé, einen Feldversuch im Bereich des Country zu unternehmen, an sich seltsam wäre. Schon mit dem House- und Dancepop-Werkstück Renaissance vor zwei Jahren unternahm sie einen in meinen Augen sehr gelungenen Exkurs in eine ihr zuvor relativ fremde Musikrichtung und obwohl man sagen kann, dass der Crossover zu Country sich für sie weniger natürlich anfühlt, ist es doch auch irgendwie logisch. Ebenso wie House ist es eine Stilrichtung, die kommerziell wie künstlerisch gerade eine gewisse Renaissance (pun not intended) erlebt und zu der sich zunehmend auch Künstler*innen aus anderen Bereichen hingezogen fühlen. Abgesehen von einer kreativen Herausforderung sehe ich in Cowboy Carter also vor allem das Potenzial für Beyoncé, in ein neues Marktsegment vorzustoßen, dass sie natürlich nutzen will. Nur finde ich den Weg, den sie dahin geht, in vielen Momenten etwas fragwürdig. So sehe ich es auf der einen Seite ein, dass in der Welt dieses Genres immer gerne mit traditionellem Material gearbeitet wird, die Auswahl der Cover reicht aber von oberflächlich bis geschmacklos. Jolene von Dolly Parton ist ebenso passend wie vorhersehbar, These Boots Are Made for Walking von Nancy Sinatra als promominentes Sample in Ya Ya hängt als Inspirition ebenfalls sehr tief und mit einer Neuinterpretation des Beatles-Songs Blackbird vergreift sich die Platte doch ziemlich im Vibe. Ebenfalls komisch finde ich an Cowboy Carter, wie konfrontativ und rechtfertigend es an vielen Stellen die Argumentation führt, dass ein Country-Album von Beyoncé etwas sinnvolles ist. Dadurch kommt es nicht selten ganz schön defensiv rüber (für diese Künstlerin äußerst ungewöhnlich) und es hilft nicht gerade, dass dafür auch noch Spoken Word-Parts von Willie Nelson und Dolly Parton eingespannt werden. Was mich an diesem Album aber musikalisch am meisten wundert ist, wie wenig wirkliche Country-Momente es letztendlich gibt und wie viele Songs eigentlich komplett an der angestrebten Ästhetik vorbeigehen. Von den immerhin 27 Tracks auf Cowboy Carter würde ich die meisten als angesoulten und angegospelten Songwriter*innen-Pop bezeichnen, der ungefähr so viel mit den Parametern der Stilistik zu tun hat wie die späte Zwotausender-Phase von Taylor Swift. Inhaltlich bedient Beyoncé dabei ein paar begriffliche Buzzword und Südstaaten-Patriotismus (die unproblematische Sorte natürlich), das war es dann aber auch. Was im Vergleich zum wirklich tiefen Einstieg in die Subkultur und Pop-Historie, den sie auf Renaissance machte, schon irgendwie enttäuschend ist. Ein effektiv schlechtes Album ist Cowboy Carter dabei nicht und es hat definitiv seine Momente, auch hier ist es aber bezeichnend, dass diese vor allem dann kommen, wenn Beyoncé stilistisch ihr übliches Ding macht und einfach gute Popsongs schreibt. Und selbst wenn es mir egal wäre, was sie hier stilitisch macht und ich lediglich nach der musikalischen Erfahrung an sich urteilen würde, wäre Cowboy Carter eine Platte, die mich mit vielen Fragezeichen zurückließe. Definitiv keine Glanzparade für diese Künstlerin.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 06/11





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