Sonntag, 22. Oktober 2023

Die Wochenschau (16.10.-22.10.2023): Ed Sheeran, Animal Collective, Armand Hammer, LGoony, Steven Wilson, David Gilmour und und und...

 




Animal Collective - Isn't It Now?ANIMAL COLLECTIVE
Isn't It Now?
Domino



Ich hatte viele warme Worte übrig für den Output von Animal Collective in den letzten Jahren und fand es über verschiedene Instanzen vor allem schön, die ruhigere Seite der Band besser kennenzulernen. Isn't It Now ist jetzt aber doch mal wieder eine Platte, an der ich ein bisschen zu nörgeln habe. Denn obwohl sie das klangliche Bild ihres Vorgängers Time Skiffs ziemlich klar weiterdenkt und eine meditativere Version des Zwotausender-Sounds von AnCo veranschlagt, ist sie damit nicht so ideenreich wie zuletzt. Wenn überhaupt ein Song hier als bemerkenswert heraussticht, dann der zentrale Song Defeat, allerdings auch am ehesten wegen seiner monumentalen 21 Minuten Spielzeit, in denen er schwer und atmosphärisch nochmal zusätzlich das eh schon fehlende Salz aus der songwriterischen Suppe dieses Albums zieht. Eine Vollkatastrophe ist Isn't It Now? damit am Ende nicht und an vielen Stellen sogar sehr okay, insgesamt sehe ich es aber als eines der verzichtbareren Projekte der Band.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11



Steven Wilson - The Harmony CodexSTEVEN WILSON
Harmony Codex
Virgin

Man hätte es nach dem Albumcomeback von Porcupine Tree in der vergangenen Saison eigentlich schon ahnen können, aber ich war trotzdem ein bisschen überrascht: Harmony Codex ist das progrockigste Album des Briten seit inzwischen gut und gerne sieben bis acht Jahren. Und in erster Linie ist das eine gute Nachricht. Weg vom schmierigen Klugscheißer-Pop der letzten paar Platten zu kommen, war in meinen Augen der wichtigste Schritt in die richtige Richtung, die Wilson solo machen musste und im Grunde genommen ist genau das hier passiert. In nicht wenigen Momenten erinnert sein Songwriting dezent an Bands wie Yes und Genesis und auch in Tracks wie Actual Brutal Facts, in denen er sich komische Triphop-Referenzen nicht sparen kann, nervt er zumindest nicht so kolossal wie zuletzt. Auch ist Harmony Codex bei weitem nicht so anstrengend produziert wie die meisten seiner Alben und kompositorisch durchaus abwechslungsreich. Zu einem Meisterwerk macht es das nicht gleich, doch nehme ich bei jemandem wie ihm, bei dem auch okaye Platten inzwischen zur Rarität geworden sind, was ich kriege.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11





Ed Sheeran - Autumn VariationsED SHEERAN
Autumn Variations
Gingerbread Man


Ein bisschen ist Autumn Variations vielleicht Ed Sheerans Versuch, sowas wie Taylor Swift auf Folklore zu machen, zumindest suggeriert das die minimalistische Aufmachung des ganzen und die Tatsache, dass Sheeran erstmals auf seinem eigenen Label veröffentlicht. Und daran gemessen, wie gut die Rückbesinnung zu folkigen Motiven auf seinem Vorgänger vom Mai funktionierte, hielt ich das prinzipiell auch für keine schlechte Idee. Entgegen dieser Erwartung ist Autumn Variations aber ein Album, das wieder deutlicher die Nähe zum Pop sucht und auch mit deutlich mehr Bums in der Produktion arbeitet. Sicher ist es dabei nicht so flashy wie ein = oder ein ÷, aber eben auch definitiv kein verhuschter Indiefolk mehr. Und obwohl diese klangliche Richtung die Platte auch nicht schlecht macht, ist sie nach den zwei tollen letzten Projekten von Sheeran doch definitiv wieder eine, die man ohne jeden bösen Unterton als eher unspektakulär bezeichnen kann.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11




THE ORB & DAVID GILMOUR
Metallic Spheres in Colour
Sony

The Orb Featuring David Gilmour - Metallic Spheres in ColourEin Metallic Spheres gab es von the Orb und David Gilmour schon mal vor 13 Jahren und streng genommen sind diese vier Tracks auch nur eine Mischung aus Remix und Neuauflage dieser ersten Zusammenarbeit. Die klingt jedoch deutlich weniger düster und eingeengt als die erste und erweitert das Soundspektrum außerdem signifikant in Richtung New Age, was sie in meinen Augen nochmal bemerkenswerter macht. Vor allem mag ich dabei die deutlichen Einschübe von Dub in dieser neuen Version, die nicht nur näher am klanglichen Gefühl von the Orb sind, sondern auch eine wunderbare Lebendigkeit in dieses Album bringen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11






ARMAND HAMMER
We Buy Diabetic Test Strips
Fat Possum

Armand Hammer - We Buy Diabetic Test StripsAuch der Wechsel vom Eigenvertrieb zum Szenelabel Fat Possum ändert nichts daran, dass Armand Hammer mit diesem Album weiter in das Kaninchenloch abtauchen, das sie spätestens seit Shrines vor drei Jahren unablässig buddeln. We Buy Diabetic Test Strips ist mal wieder weirder und nerdiger als sein Vorgänger geworden, was inzwischen zum Glück eine Entwicklung ist, die mich nicht mehr abschreckt. Wo es bei den letzten zwei Platten noch Zeit brauchte, um mich in die verworrene und abstoßende Ästhetik der Platte einzufinden, fühlte ich mich diesmal direkt bei ihr zu Hause und finde derweil viele Songs besser, je schräger sie werden. Wobei definitiv dazugehört, dass viele der Lyrics noch abstraker werden und ausgerechnet Billy Woods plötzlich das Thema Sex für sich entdeckt. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11





MATANA ROBERTS
Coin Coin Chapter Five: In the Garden
Constellation

Für mich persönlich das bisher eindringlichste und inhaltlich brutalste Album der Coin Coin-Serie, was vor allem an Matana Roberts erzählerischem Ausgangsmaterial liegt: In üblicher Spoken Word-Manier mir experimenteller Free Jazz-Begleitung geht es in diesem Teil um eine Nacherzählung aus ihrer Famile und handelt von einer Frau in den Zwanzigerjahren, die durch einen fehlgeschlagenenen Schwangerschaftsabbruch ihr Leben verliert. Roberts' Erzählung stellt dabei sehr ungeschönt und finster den alltäglichen Sexismus der damaligen Zeit dar, der auch gerade durch die pragmatische Ich-Perspektive der überlieferten Geschichte nochmal krasser wird. Dabei würde ich nicht zwingend sagen, dass In the Garden das insgesamt beste Album der Serie ist, da Teil drei und vier musikalisch doch vielfältiger waren, nie zuvor war ich bei ihr aber von der Story so beeindruckt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11



LGoony - sad sad storyLGOONY
Sad Sad Story
Die-Ai-Wei

LGonny hat mit Sad Sad Story wie es scheint sein persönliches 808s & Heartbreak aufgenommen, im Sinne eines ziemlich expliziten Trennungsalbums, das auch stilistisch ein paar neue Wege beschreitet. Ein bisschen kann man dabei sagen, dass seine Musik poppiger geworden ist, vor allem schafft der Kölner mit diesem Album es aber erstmals, seine seit inzwischen 2017 eingeschlafene Version von Traprap effektiv zu erneuern. Das liegt nicht zuletzt auch am Inhalt der Platte, bei dem LGoony zum ersten Mal wirklich persönlich wird und mit der Geschichte eines Beziehungsendes auch sehr schonungslos umgeht. Das geht so weit, dass an manchen Stellen dieses Albums (vor allem im letzten Drittel) auch sehr toxisches Verhalten beschrieben wird und LGoony ein Stückweit auch der Arsch in der Geschichte sein kann. Allein dass er hier aber aus seiner lange kultivierten Kunstfigur heraustritt und eine Platte über sich selbst macht, macht Sad Sad Story irgendwie bemerkenswert. Wäre es nicht um grobe Schnitzer wie den peinlichen Opener wtf, ein paar unnötig bushidoeske Lines sowie das furchtbare Dagobert-Feature im letzten Song, würde ich die Platte sogar richtig mögen. So ist sie aber trotzdem noch die erste wirklich spannende von LGoony seit seinem Debüt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11




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