Donnerstag, 1. Juli 2021

Im Bett mit Rihanna

Doja Cat - Planet Her DOJA CAT
Planet Her
Kemosabe Records | RCA
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ feminin | körperlich | poppig ]

Ich höre die Musik von Doja Cat inzwischen lange genug, um eines über diese Künstlerin zu wissen: Immer wenn man glaubt, man hätte sie und ihre Ästhetik halbwegs verstanden, kommt sie mit irgendwelchem neuen Material um die Ecke und macht irgendetwas, das man nie im Leben von ihr vermutet hätte. Schon früh wurde ja irgendwie klar, dass sie stilistisch nicht in das Raster passt, in das man vor ein paar Jahren andere Rapperinnen wie Cardi B oder Megan Thee Stallion steckte, wobei das in meinen Augen eher an der dämlichen Idee lag, man könne bestimmte Acts musikalisch über einen Kamm scheren, nur weil sie Frauen waren. Später stellte man aber auch fest, dass sie so gut wie jeder umfassenderen Einordnung konsequent ausbüchste und auf beeindruckend unbeeindruckte Weise ihren ganz eigenen Film schob, der sich auch ständig änderte. Mal war sie eine rockröhrige Emotrap-Künstlerin, mal eine Bars bretternde Lyrikerin, mal eine überraschende Hitgranate, mal eine sinnliche R'n'B-Königin und an anderen Stellen wieder komplett im Trollmodus. Hot Pink als ihr großes Durchbruchsalbum schaffte es 2019, einen gewissen Sound zumindest teilweise einzufangen, spätestens zwei Jahre später auf Planet Her zeigt sich aber, dass das lediglich eine weitere Phase war. Denn auch wenn Doja Cat hier grundsätzlich in jenem Pop-freundlichen, eingängigen Lolita-Modus bleibt, der schon die letzte LP dominierte, hat sich innerhalb dieses Bereichs eine Menge gewandelt. Vor allem in der Hinsicht, dass sie für ihre Einflüsse inzwischen sehr viel eindeutiger in Richtung Reggae, Afrobeat und Soul schielt. Wobei sich als immens wichtiger Impuls definitiv der Output von Rihanna herauskristallisiert. Gleich der Opener Woman klingt mit seiner dicken Dancehall-Breitseite fast wie ein Track von deren letzter PLatte und auch in I Don't Do Drugs erinnert sie stimmlich sehr an Frau Fenty. Auf der Linie zwischen Kopismus und Inspiration schlingert Planet Her dabei mitunter ein bisschen, aber nie so, dass die Songs dadurch schlechter werden. Zumal es definitiv nicht so ist, dass Doja Cat selbst weniger eigenen Charakter einbringt. Und rein kompositorisch ist diese LP auch wieder mal ziemlich vielfältig. In Love to Dream lässt sie noch ein bisschen die restliche Emo-Attitüde einfließen, die von Hot Pink übrig ist, Get Into It ist mit seinen steilen Bars teilweise sehr deftig-minajesk und Kiss Me More ist zum Abschluss eine richtig gepfefferte Funk-Nummer mit tollem SZA-Feature. Wo es musikalisch aber sehr viele unterschiedliche Ideen gibt, ist Planet Her in Sachen Lyrics schon wesentlich konsequenter. Wobei der thematische Leitgedanke vor allem einer ist: Sex. Und das durchaus in sehr expliziter und freizüglicher Form. An sich ist das bei dieser Künstlerin nichts neues, schon immer ging es bei ihr diesbezüglich gut zur Sache (also zumindest in ihren Texten), dieses Album lebt aber geradezu von einer erschreckend konsequenten Horniness, die ich so ausführlich bisher nur auf Positions von Ariana Grande gehört habe (die hier sicher auch nicht zufällig ein Feature hat). Inhaltlich ist das sicher erwähnenswert, wobei ich auch nicht das Gefühl habe, dass es sich auf diese LP irgendwie positiv oder negativ auswirkt. Dass Doja schreiben kann, wusste ich schon vorher, und welche Inhalte sie sich letztendlich für ihre Songs auswählt, ändert am guten Ergebnis wenig. Wenn ich überhaupt eine größere Sache an Planet Her auszusetzen habe, dann die Unnötigkeit einiger Features darauf. Denn obwohl es davon nicht besonders viele gibt (insgesamt sind es fünf auf 14 Tracks), sind die hier eingeladenen Gäste doch so schwergewichtig, dass sie nicht selten die komplette Aufmerksamkeit des Songs auf sich ziehen, gleichzeitig aber selten so überzeugend sind, dass dieser Fokus gerechtfertigt wäre. Young Thug und Ariana Grande lösen das Problem noch irgendwie dadurch, dass sie sehr zurückhaltend agieren und Doja viel Platz lassen, vor allem die Parts von the Weeknd und JID sind aber auf nervige Weise vereinnahmend. Und so richtig harmonisch ist letztlich nur das Duett mit SZA in Kiss Me More. An der Qualität dieses Albums - vor allem geprägt durch tolle Performance und Komposition seitens der Hauptakteurin - rüttelt das aber wenig bis gar nicht. Planet Her zeigt Doja Cat ein weiteres Mal als sehr vielseitige Künstlerin, die am besten als ihr eigener Boss ist und auch ein gutes Gesamtprojekt stämmen kann. Im direkten Vergleich zum Vorgänger ist die Platte dabei mindestens gleich gut, wenngleich mit ein bisschen mehr Weitblick und Hitgefühl. Womit sie sich erneut als eine Musikerin zeigt, die sowohl als Rapperin als auch als Pop-Sternchen funktioniert und bei der es mich wundert, warum sie nicht schon viel erfolgreicher ist. Aber dafür ist sie wahrscheinlich einfach ein bisschen zu cool.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡08/11

Persönliche Höhepunkte
Naked | Get Into It (Yuh) | Need to Know | I Don't Do Drugs | Love to Dream | You Right | Ain't Shit | Alone | Kiss Me More
 
Nicht mein Fall
-
 
 
Hat was von
Rihanna
Anti
 
Ariana Grande
Positions


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