Mittwoch, 28. Juli 2021

Walking On A Thin Line

Leon Bridges - Gold-Diggers SoundLEON BRIDGES
Gold-Diggers Sound
Columbia
2021
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ modern | poppig | klar ] 

Es ist wahrscheinlich die Art und Weise gewesen, wie Leon Bridges selbst für die eh schon soften Verhältnisse des zeitgenössischen Neo-Soul ein sehr zaghafter Künstler war und wie oft er in den letzten Jahren eine gefällige Gemütlichkeit einer klaren Emotionalität vorzog, aber für mich persönlich ist er eigentlich immer eher ein Jazz- als ein Soul-Musiker gewesen. Zwar würde keiner seiner bisher drei Longplayer (wenn man seine Kollaboration mit Khruangbin vom letzten Jahr mitzählt) diese Assoziation technisch nahelegen, eigentlich spielt der Texaner sogar eine recht traditionell inspirierte Musik in der Tradition von Sam Cooke und Ben E. King. Doch fehlte mir dazu auf der einen Seite meist ein wenig die passionierte Inbrunst, die ihm selbst die chilligsten Kolleg*innen voraus hatten, auf der anderen zeigte sich an deinen Songs schon immer eine sehr umfassende Liebe zu vertrackten Jazz-Motiven und auch ein wenig zu dessen schlichter Eleganz. Insbesondere sein letzten Album Good Thing hatte darüber hinaus sehr oft ganz klare Bezüge zu aktuellen Szene-Geschehnissen und wurde nicht zuletzt von vielen Jazz-Fans seiner kompositorischen Chops wegen gefeiert. Dass Bridges drei Jahre später mit Gold-Diggers Sound ein ziemlich modernes R'n'B-Album gemacht hat, ist aber trotzdem irgendwie logisch. Denn die größte Bekanntheit erlangte er in der Zeit seit Good Thing vor allem durch Auftritte abseits seiner Alben. Hauptsächlich durch die besagte EP mit Khruangbin, aber auch durch Feature-Spots bei den Avalanches, Kacey Musgraves, Diplo und Noah Cyrus hat Bridges mittlerweile eine ziemlich solide Reputation als Pop-Künstler gefunden, die er ebenso zu zelebrieren scheint wie sein Jazz-Faible. Was das hier vor allem zu einem Album macht, das viele verschiedene Dinge auszubalancieren versucht. Mal mehr, mal weniger erfolgreich. Wobei die Basis irgendwie die eines sehr minimal und sauber gehaltenen R'nB- und Neosoul-Sounds ist, der Bridges' klanglichen Charakter weiter auf seine wesentlichen Bestandteile reduziert. Wie schon auf seinen letzten Platten steht der Texaner auch hier nicht auf zu wilde vokalistische Ausbrüche oder gar rustikale Produktion, sondern ist sehr geradlinig und stoisch unterwegs. Wo das auf den Vorgängern aber immer irgendwie ein kleines Manko war, passt es diesmal wesentlich besser zum Songwriting und erschafft einfach eine klare, ordentliche Ästhetik, mit der sich selten verkalkuliert wird. Keiner der elf Tracks hier hat auch nur ein Gramm unnötiges Fett an sich und auch wenn es unter Umständen Gastparts, größere Instrumentale Arrangements oder Songlängen von fast sieben Minuten gibt, wirkt nichts davon maximalistisch. Eher hat man das Gefühl, dass solche Elemente notwendig sind, um den Stücken überhaupt etwas Volumen zu geben. Klanglich gesehen finde ich diese Herangehensweise echt cool, da alles hier einen sehr festen kompositorischen Kern hat, der dann mit allerhand stilistischen Exkursen umspielt werden kann. Und an diesen Stellen ist Gold-Diggers Sound dann doch recht vielschichtig und bunt geworden. Mit Born Again und Sweeter gibt es hier zwei sehr sinnliche Soul-Nummern, in denen Bridges seine Connections in die Jazz-Bubble spielen lässt (auf den Songs gibt es jeweils Gastparts von den Szene-Promis Terrace Martin und Robert Glasper), Steam und Motorbike sind sehr lockere R'n'B-Tracks, die mich schon fast an Leute wie FKA Twigs oder Moses Sumney erinnern, in Don't Worry und Why Don't You Touch Me wiederum klingt der gleiche Songwriting-Entwurf auch schnell mal sehr kommerziell und radiopoppig. Wobei vor allem beeindruckend ist, wie Bridges das alles nicht widersprüchlich wirken lässt. Mehr als eine Zusammenraffung verschiedener stilistischer Ausflüge ist das hier für mich einfach eine Aufstellung der gesamten ästhetischen Bandbreite dieses Künstlers. Und der ist anscheinend kein Typ, der seine Liebe für Jazz, Soul und Pop in verschiedene Tätigkeitsbereiche einordnet, sondern sie zu vereinen versucht. Und obwohl das auch bedeutet, dass Gold-Diggers Sound weniger deutliche Hits und keinen so starken Punch hat wie sein Vorgänger, bin ich doch zumindest von der Kohärenz dieser Platte beeindruckt. Denn sie kann auf jeden Fall die Basis für eine Art von Pop-Songwriting sein, das ebenso kommerziell wie kreativ Erfolg verspricht. Die notwendigen Gäste und Producer*innen kann sich Bridges inzwischen auch leisten, die Weichen in die richtige Richtung sind also auf jeden Fall gestellt. Jetzt liegt es nur noch an ihm selber.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡⚫⚫⚫⚫ 07/11

Persönliche Höhepunkte
Steam | Magnolias | Gold-Diggers (Junior's Fanfare) | Sho Nuff

Nicht mein Fall
Why Don't You Touch Me


Hat was von
Moses Sumney
Aromanticism

Kehlani
It Was Good Until It Wasn't


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