Sonntag, 6. Dezember 2015

Très Sportif!

PAUWELS
Elina

October Tone Club
2015
















Sportlicher Postrock gehört zu meinen Entdeckungen des Jahres 2015. Ich möchte zwar noch nicht von einer Szene sprechen, da Bands wie Moon Relay, Solkyri, NY IN 64 und Milanku weder stilistisch noch örtlich wirklich in einen Topf gehören, doch ein Trend zeichnet sich ab. Das Genre der Langatmigkeit und großen Gesten findet nach über 20 Jahren erstmals den Weg zur Simplizität. Punk statt Prunk heißt die Devise der hier genannten Gruppen und niemand geht mit dieser Devise radikaler um als die Franzosen von Pauwels. Kennengelernt habe ich das Quintett aus Strasbourg auf dem diesjährigen L*Abore-Festival, wo sie mit ihrer bahnbrechenden Live-Show Maßstäbe setzten. Im Anschluss daran kaufte ich mir ihr Debüt Elina, ein nicht minder kratzbürstiges Produkt und mittlerweile sind Pauwels für mich die Newcomer des Jahres. Denn alles, was ich von ihnen gesehen, gehört oder gelesen habe, hat mich irgendwie überrascht. Das grundlegende Konzept der Franzosen ist dabei ein Nonkonformismus gegenüber den Regeln der Popmusik, der so tief geht, dass Godspeed You! Black Emperor dagegen wie Linkin Park wirken. Ihre Musik gibt es grundsätzlich nur auf digitalen Tonträgern, die CD statt im Jewelcase in einem unförmigen Leporello-Sleeve, live lässt die Band nicht selten sich vom Publikum einkesseln und baut dabei grundsätzlich auf zwei Drumsets. Über die eigentliche Musik haben wir da noch nicht mal gesprochen. Pauwels sind vom äusseren Anschein her vielleicht eine Postrock-Band, doch in ihren Herzen schlägt laut und gewaltig das eines Hardcore-Punks. Wofür die Speerspitzen des Genres manchmal zwanzig Minuten und mehr brauchen, das wird hier locker auf ein Zehntel davon heruntergebrochen, außerdem muss hier niemand darauf vorbereitet werden, dass es gleich laut wird. Trotzdem sparen Pauwels dabei nicht an kompositorischem Scharfsinn und teilweise sind es genau diese knappen Eindrücke, die diesen Eindruck noch verstärken. Das letzte Sound-Gewitter in Ouspenski würde jede Postrock-Band über mindestens 30 Sekunden ziehen, hier ist nach gerade mal vier Takten Schluss. Ein genialer Schachzug. Natürlich mag der beflissene Musikhörer jetzt anmerken, dass durch diese Einkürzung die Chance, eine Song-Atmosphäre zu erzeugen, von vornherein verspielt ist. Und das ist auch absolut richtig. Schön ist die Musik auf Elina nicht, aber dafür effizient. Wo sich die meisten über jeden auffindbaren Mäander immer umständlicher dem Ziel nähern, gehen Pauwels mit dem Kopf durch die Wand. Und gerade weil sie mit Erwartungen brechen, haben sie den Überraschungseffekt hier fast immer auf ihrer Seite. Solange das nicht heißt, dass ihre Tracks darunter qualitativ leiden, bin ich damit auch mehr als einverstanden. Sicherlich ist das hier alles befremdlich und nicht für jeden Geschmack. Das liegt aber daran, dass diese Band versucht, wirklich innovativ zu sein und bewusst zu verstören. Womit sie letztendlich nicht nur Postrock, sondern vielleicht die gesamte Rock-Szene ein Stück weiter bringt. 2015 hat mich ihr Output zumindest auf alle erdenklichen Arten fasziniert und ich bin sehr gespannt, wie ihre junge Karriere weiter verläuft. Denn dass sie für immer so ein Underground-Ding wie im Moment bleiben, wage ich vorsichtig zu bezweifeln. Hier schlummert schließlich kein Talent, es springt förmlich im Dreieck. Ich prophezeihe, dass in Sachen Pauwels noch einiges passieren wird. Und sollte es so kommen wie ich denke, dann habt ihr es bei mir zuerst gelesen.
10/11

Beste Songs: La Une / Pendule / Ouspenski

Nicht mein Fall: -

PAUWELS
Kobal

Ein richtiges neues Album ist Kobal nicht wirklich, viel eher eine Art DLC zum im Januar erschienenen Elina und der konsequente Ausbau des oben beschriebenen Konzeptes. Mit 17 Minuten Spielzeit erreicht es gerade mal die Länge einer Mini-LP, hat jedoch in Sachen Sound ein paar Bonus-Features zu bieten. So gibt es im letzten Song Karst beispielsweise ein Flötensolo und eine Track-Länge von zehn Minuten.




Weiterlesen:
Pauwels live:
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Die Indiepop-Ausführung der Franzosen:
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