Samstag, 26. Dezember 2015

2015: Meine Lieblingssongs

Nach den kleinen Top-5-Posts über 2015 kommt hier die erste von zwei wirklich großen Listen. 25 Lieblingssongs dieses Jahres habe ich hier versammelt, was gleich mal fünf mehr sind als in den Jahren zuvor. Dafür habe ich es dabei belassen, in dieser Kategorie die Platzierung außen vor zu lassen, da solche Favoriten untereinander nur schwer konkurrenzfähig sind. Ich sehe es eher als meine persönliche Playlist der vergangenen zwölf Monate.

DESAPARECIDOS

City On the Hill

Dass 2015 ein sehr politisch aufreibendes Jahr war, spiegelt sich auch in diesem Song der Desaparecidos wieder. Zwar ist die Reagan-Rede, aus der die Metapher der Stadt auf dem Hügel stammt schon etwas älter, dennoch spielt Conor Oberst hier sarkastisch die Ideen durch, die auch jemand vertreten könnte, der sich "make America great again" auf die Fahne schreibt. Dass City On the Hill nebenbei auch noch ein verdammt fieser Ohrwurm ist, katapultiert diesen Track direkt in die American-Idiot-Liga der Anti-USA-Hymnen.

HOP ALONG

Waitress

Ich fand es ein bisschen schade, dass die neue Platte von Hop Along so zahm ausgefallen ist. Da klang die erste Single Waitress im Frühjahr noch ganz anders und machte Hoffnung auf ein ähnlich großartiges Album wie das Debüt vor zwei Jahren. Melodisch wie Sonstwas, aber krachig und mit einer Francis Quinlan, die konsequent am stimmlichen Limit singt. Ein Song, der auch nach fünfmaligem Hintereinander-Hören noch Spaß macht.

KENDRICK LAMAR

King Kunta

Ich muss zum Ende dieses Jahres sicherlich niemandem mehr sagen, wie skeptisch ich Kendrick Lamars "Klassiker" To Pimp A Butterfly gegenüberstehe. King Kunta allerdings ist der Hit, ohne den eine Platte wie diese nicht auskommt und definitiv einer meiner Favoriten 2015. Und nicht nur das: Der Song ist auch noch inhaltlich aussagekräftig und eigentlich ein bisschen zu schräg, um so ein Banger zu sein. Fakt ist, dass ich kaum einen Track in diesem Jahr so oft bei mir laufen hatte wie diesen hier. Meine persönliche Erinnerung an das wichtigste HipHop-Album unserer Generation...

TEMPEL

Carvings in the Door

2015 war ein Jahr mit vielen guten Heavy-Metal-Songs, doch wenige davon sind so lehrbuchhaft und exemplarisch wie dieser Opener des neuen Tempel-Albums. Achteinhalb Minuten werden hier instrumentale und kompositorische Höchstleistungen geboten, wobei die epischen Gitarrensoli, hämmernden Bassläufe und kaskadischen Drums nicht nur bei Metalheads für feuchte Hände sorgen dürften.

DRAKE

Hotline Bling

Pitchfork bezeichnete Drake jüngst als "the human meme" und selbstverständlich habe auch ich in den letzten Monaten herzlich gerne dazu beigetragen, dass er diesen Namen verdient. Allerdings kann man auch nicht leugnen, dass der Kanadier 2015 einen bleibenden musikalischen Fußabdruck hinterlassen hat und vor allem Hotline Bling ein verdammt guter Song geworden ist. Und am Ende des Jahres wollte ich ihn hier auf keinen Fall missen, selbst wenn in meiner Verehrung für diese Single auch ein bisschen Ironie mitschwingt.

MILO

An Encyclopedia

So the Flies Don't Come ist das Album, auf dem Milo erstmals auch mal ein bisschen finster wird und An Encyclopedia der Song, der das vielleicht am meisten repräsentiert. Sehr viel reflektierter als viele Kollegen äußerst er sich hier zur Blacktivist-Bewegung, dem sicherlich wichtigsten HipHop-Thema 2015 und bleibt dabei trotzdem so unglaublich sarkastisch und fast ein bisschen niedlich wie nur er es kann. Dieser Track ist einer der Hauptgründe, warum er gerade einer meiner Lieblings-MCs ist und sein Album mich so sehr überzeugt hat.

WIEGENDOOD

Svanesang

Noch mehr langatmiger Metal und noch ein Album-Opener. Wiegendood aus dem belgischen Gent fabrizieren in diesen 13 Minuten einen der bestialischsten Black-Metal-Bomber des ganzen Jahres. Svanesang, zu deutsch "Schwanengesang", läutet die garstige, unwirtliche Stimmung ihres im Mai erschienenen Debüts perfekt ein und beschwört prophylaktisch schon mal Tod und Teufel hervor. Einer dieser Tracks, wegen denen man Black-Metal-Fan wird.

ZUGEZOGEN MASKULIN
Endlich wieder Krieg

Endlich wieder Krieg ist für mich mehr als ein guter Rap-Song und nicht nur das beste Stück auf dem neuen ZM-Album. Es ist ein Instant-Hit und eine wirklich bedeutende Marke im deutschen HipHop. So gekonnt sarkastisch provoziert haben das letzte Mal K.I.Z. und auch die lassen Grim und Testo hier stellenweise aussehen wie die Großmutter von Samy Deluxe. Wo uns Casper seit Jahren zeigt, dass es auch anders funktioniert, drehen diese beiden das Rad wieder um. Und machen damit alles richtig.

LITURGY

Quetzalcoatl

Man könnte es einen Metal-Song nennen, doch die Tatsache, dass Quetzalcoatl mit einer Goa-Drum-Machine beginnt, Hunter Hunt-Hendrix hier seine Interpretation von HipHop-Vocals zum besten gibt und am Ende ein paar epische Streicherparts den Track in die Metasphäre abheben lassen, lässt einen da doch zögern. Das Herzstück des neuen Liturgy-Albums ist damit sicherlich einer der kreativsten Songs des Jahres und trotzdem kein Avantgarde-Monster, sondern nicht weniger als eine ziemlich epische Rock-Hymne.

KANE WEST

Expenses Paid

Der Ruf des Kane West war es bisher immer, Tanzmusik zu machen, zu der man nicht tanzen kann. Ein Stück weit hat er sich mit Expenses Paid dabei endlich überwunden. Zwar ist das hier noch lange kein Club-Banger, doch immerhin der Basslauf des Jahres und ein Hit im besten Sinne. So euphorisch wie dieser Londoner Indie-Produzent würden sicherlich viele EDM-Stars gerne sein und sein neuer Plattendeal bei Turbo Records spricht ja für sich. Vielleicht einer der Stars von morgen.

MYRKUR
Skøgen Skulle Dø

Die Dänin Anneli Bruun bringt dieses Jahr wie keine andere Black Metal, Folk und Pop auf Kuschelkurs, was zugegebenermaßen nicht immer ganz glücklich ausgeht. Dieser Song allerdings zeigt, was für ein Potenzial im Projekt Myrkur steckt: Orchestrale Streicher vs. Gitarren-Kaskaden, Elfengesang vs. Screamo-Parts, Abba vs. Darkthrone. Wenn Black Metal in den nächsten Jahren so im Mainstream aufgeht wie hier, kann ich es kaum erwarten.

ESMERINE

Funambule (Deus Pas de Serein)

Als mit fast acht Minuten längster Song auf einem Album hat Funambule eine gewisse Verantwortung, gerade wenn es sich dabei um das neue von Esmerine handelt. Doch so großartig, wie es dieser nachkommt, bin ich jedes Mal wieder baff. Die drei Motive des Songs sind so akribisch komponiert, performt und untereinander ausbalanciert, dass man sich direkt in einem musikalischen Kurzurlaub zu befinden scheint. Und das beste: Es klingt kaum noch nach Godspeed.

TORCHE

Minions

Diejenigen, die Torche wie ich vor drei Jahren durch ihren hippen Zuckerwatte-Metal lieben gelernt hatten, wurden im Winter diesen Jahres von der Gitarren-Dampfwalze namens Minions ziemlich überrascht. Wo die meisten bei diesem Titel am Ende das Jahres an einen sehr schlechten Film mit niedlichen Mutanten denken, bleibt bei mir der Eindruck vom Sludge-Brett des Jahres.

DEAFHEAVEN

Brought to the Water

Ich habe meine Zeit gebraucht mit diesem Song, doch zum Ende des Jahres hin muss ich resümieren, dass Brought to the Water seit Oktober ziemlich oft meine Anlage beschallt hat. Besonders die erste Hälfte mit den fiesen Thrash-Gitarren hat es mir angetan und reicht mir zum Beweis, dass Deafheaven wieder außerordentliches geleistet haben.

DEATH GRIPS

On GP

Der beste Song auf Jenny Death ist eigentlich Inanimate Sensation, aber der kam ja schon letztes Jahr raus. On GP ist dafür die Rückkehr der Death Grips zum Gitarrenrock-Instrumental und die Entdeckung einer schweren Verzweiflung in MC Rides Texten. Ein Kurs, den ich mir auch vom nächsten Album der Kalifornier erhoffe, sollte das tatsächlich erscheinen.

LITTLE SIMZ

Dead Body

Dass Little Simz viel zu sagen hat, davon kann man sich auf ihrem neuen Album zur Genüge überzeugen. Allein auf diesem einen Song befindet sich so viel Text wie auf ganzen Longplayern anderer Rapper nicht. Das hindert Dead Body allerdings nicht daran, ein echter Hit zu sein, der einen nicht nur zum nachdenken bringt. Wobei das auch sehr gut funktioniert.

GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR

Peasantry or Light Inside of Light

Peasantry ist weit davon entfernt, der beste Godspeed-Song zu sein und ich habe mir große Mühe gegeben, ihn nicht zu mögen. Doch am Ende hat er mich fast das ganze Jahr über begleitet und ich muss zugeben, dass mir sein System und natürlich auch dessen Umsetzung sehr zusagt. Mein letzter Wunsch für 2015 wäre, einen Walzer dazu zu tanzen.

JOEY BADA$$

Big Dusty

Die Welt von Joey Bada$$ ist düster geworden. Einen Song wie Big Dusty hätte man vor drei Jahren auf 1999 nicht gefunden. Aber gerade das zeichnet den Charakter dieses Rappers ungemein und ist einer der Gründe, warum er mir auf seiner neuen Platte erstmals wirklich gut gefällt. Mal ganz abgesehen von der fantastisch albernen Hook, die schon wieder so Neunziger ist, dass man gerne Nas vorne drauf schreiben würde.

PROTOMARTYR

the Devil in His Youth

Keine drei Minuten lang geht einer meiner absoluten Lieblingssongs in diesem Jahr, eine unbeschwerte Postpunk-Nostalgie-Nummer mit fantastischen Lyrics. Es ist kein besonderer Song, aber ein wirklich guter und der wichtigste von vielen Gründen, sich das neue Album von Protomartyr anzuhören.

Kamikaze

Ein Song und eine Künstlerin, über die ich noch nicht viele Worte verloren habe, die jedoch zu meinen potenziellen Highlights des letzten (wie auch diesen) Jahres zählen. Kamikaze ist die bisher ansteckendste Single der neuen Lieblingssängerin von Diplo (der hier produziert hat) und mündet hoffentlich in ein ebenso gelungenes Album für 2016.

THE WORLD IS A BEAUTIFUL PLACE & I AM NO LONGER AFRAID TO DIE

You Can't Live There Forever

Es brauchte dieses Jahr diesen Song, um Vertrauen in das neue Album von the World is A Beautiful Place... zu haben. Wer nur mit Gitarre und ziemlich kindischen Lyrics einen magischen Moment an den Anfang einer Platte zaubern kann, der ist eine gute Band. Und das gilt für diese hier auch 2015 nach wie vor.

SLEAFORD MODS

Cunt Make It Up

Es ist nicht ganz einfach, den räudigsten Song auf der neuen Sleaford Mods-LP zu finden, doch ich behaupte einfach mal, es geschafft zu haben. Wenn Jason Williamson hier statt Lyrics für einen Moment lieber Flatulenzgeräusche einsingt, liegt die Messlatte auf jeden Fall schon sehr weit oben. Dass sich dahinter dann auch tatsächlich relevante Aussagen über Posertum und hippe Indiebands verstecken, macht es natürlich noch besser.

BILDERBUCH

Rosen zum Plafond (Besser, wenn du gehst)

Die meisten Highlights des diesjährigen Bilderbuch-Hitalbums waren ja schon in den vergangenen Jahren auf diversen EPs und Extra-Singles aufgetaucht. Diesen allerdings hörte man auf Schick Schock das erste Mal und staunte doch nicht schlecht: Da reicht tatsächlich ein einziger Song um die Blockflöte, das nachweislich schlimmste Instrument der Welt, komplett zu rehabilitieren. Respekt!

FIDLAR

Too

Eigentlich steht das neue Fidlar-Album eher für die Abwendung der vier Kalifornier von der ewigen Party, aber dass mit West Coast dann doch noch ein richtig hedonistischer Song auf der Platte ist, freut mich doch nicht zu knapp. Vor allem ist er aber exemplarisch für die klangliche Entwicklung der Band vom Rotz-Punk zum Rotz-Indiepop mit einer Synth-Hook, die sonst nur die Smith Westerns so schön cheesy hinbekommen.

SOLKYRI

Farewell, Bluebird

Zum Schluss dieser Liste nun auch noch das beste Outro des Jahres: Mit einem Streicher-Klavier-Mix und einer wahnsinnig sehnsuchtsvoll-melancholischen Melodie machen Solkyri 2015 den Song, bei dem man sich fast dafür entschuldigen möchte, dass man Sad Boys Club nicht gleich nochmal von vorne anhört. Wobei, wieso sollte man es sich eigentlich nicht nochmal von vorne hören?





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