Samstag, 5. Dezember 2015

Big Girls Don't Cry

ADELE

25

XL

2015
















Man muss Adele eines lassen. Wenn jemand in den letzten Jahren seinen Erfolg verdient hat, dann definitiv sie. Wie cool sie mit allem umgegangen ist, was über ihre Musik und ihre Karriere gesagt und geschrieben wurde und wie leicht ihr scheinbar alles fällt, was sie tut, ist faszinierend. 25 selbst ist der Beweis dafür: Hinter der dritten Platte einer der größten Mainstream-Persönlichkeiten dieses Jahrzehnts stand keine monströse Hype-Maschinerie und keine dick aufgetragene PR-Aktion, sondern das einfache Vertrauen in die Qualität der Songs und die Kraft dieser Sängerin. Ich schätze es sehr, dass zwischen dieser LP und der letzten einige Zeit vergangen ist und nicht vorschnell etwas minderwertiges zusammengeschustert wurde. Und was Hello in den letzten Wochen angerichtet hat, kann man ja nicht länger übersehen. Trotzdem war meine Einstellung gegenüber dieser Platte durchaus skeptisch, denn in meinen Augen und mal abgesehen von kommerziellen Aspekten verläuft Adeles Laufbahn seit dem Vorgänger 21 in einem Abwärtstrend. Es ist keine Schande, zuzugeben, dass dieses letzte Album auch langfristig nicht von schlechten Eltern war. Die Sängerin fand hier ihre Rolle als unergiebige Emo-Soul-Diva, stach fast nebenbei jede auf Hochglanz polierte Alicia Keys und Leona Lewis aus und lies Songs wie Rolling in the Deep oder Someone Like You nicht von den Radios kaputt nudeln. 21 war ein Moment, der die gesamte Popmusik aufatmen ließ und der bis heute nur an Bedeutung gewonnen hat. Doch die Luft danach wurde dünn. Der Bond-Track Skyfall war zwar durchaus prunkvoll, aber oberflächlich und auch die neue Single Hello ließ bei mir Wünsche offen. Hinter ihrer nach wie vor starken und emotionalen Stimme verbarg sich hier nicht mehr die Tiefe, die ihre ersten beiden Longplayer gehabt hatten. Was bei mir Unsicherheiten auslöste, ob ich hier jetzt noch die entschlossene, echte Adele hörte oder einen lupenreinen Popstar. 25 sagt dazu: Ein bisschen von beidem. Den Sound und das Songwriting, die hier geboten werden, könnte ein stromlinienförmiger Sam Smith noch immer nicht hinbekommen, doch tendenziell geht die Platte in diese Richtung. Mit Send My Love (To Your New Lover) und Water Under the Bridge sind zwei richtige Hitsongs hier vertreten und generell ist die Stimmung hier optimistischer als zuletzt. Einer der tollsten Aspekte hier ist, dass die Texte der Britin sich nicht nur um irgendwelche Exen drehen. Schmerzvoll befeuerte Songs wie Hello hört man eher selten, dafür hat sich ein ganz neues Gefühl für Melodie hier eingeschlichen. Das liegt zum einen an der großen Anzahl der Produzenten, die dieses Album unterstützt haben, zum anderen daran, dass groß angelegte Instrumentierung hier viel eher passt als noch auf 21. Adele das als Opportunismus anzukreiden, wäre quatsch, da es das nicht konsequent genug ist und außerdem nicht minder gut klingt als die entschleunigten, intimen Momente des Vorgängers. Und wenn in A Million Years Ago die Gitarre diesen Part übernimmt, weiß man, dass so etwas vor fünf Jahren noch nicht so gut funktionierte. Ob 25 nun unterm Strich die Platte ist, die ich erwartet habe, kann ich nicht genau sagen. Sie ist ihrem Vorgänger in bestimmten Aspekten auffallend ähnlich und doch auch wieder nicht. Meine Lieblingssongs hier sind die letzten drei, in denen Adele klanglich einige neue Perspektiven sucht, dabei ein bisschen nach Sechziger-Idolen wie Joni Mitchell oder Etta James klingt und dem Songwriting ihrer bekanntesten Songs ausbüchst. Denn hier stelle ich fest, dass diese Künstlerin nicht nur gut weitermachen kann, sondern tatsächlich auch überrascht. Am Ende von 21 war man baff, hier will man wissen, wie es weitergeht. Und ein paar Jahre werden wir diesmal wohl wieder warten müssen...
7/11

Beste Songs: A Million Years Ago / All I Ask / Sweetest Devotion

Nicht mein Fall: Hello

Weiterlesen:
Adeles Indiepop-Ebenbild:
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Swings both ways:
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