Sonntag, 19. Mai 2024

Die Wochenschau (13.09.-19.05.2024): Taylor Swift, Future & Metro Boomin, Pearl Jam, High On Fire und und und...

 





FUTURE & METRO BOOMIN
We Still Don't Trust You
Epic

Nachdem der Vorgänger We Don't Trust You, den Future und Metro Boomin nur wenige Wochen vor diesem Release an den Start brachten, ja eher so okay war, hatte ich für diesen Nachfolger eigentlich keine großen Hoffnungen. Wenn eine Platte wie diese mit fast anderthalb Stunden Spielzeit auf der Uhr und völlig ohne Promo so kurz nach der eigentlichen Event-LP um die Ecke kommt, kann man normalerweise Gift drauf nehmen, dass es bloß die Resterampe des "richtigen" Albums ist und einfach noch ein paar Klicks generiert werden sollen. Und obwohl ich nicht mit letzter Sicherheit ausschließen kann, dass dies der Grund für die Existenz We Still Don't Trust You ist, ist es in meinen Augen doch bei weitem das bessere Album der beiden. Im Falle von Future würde ich sogar sagen, dass es sein bestes innerhalb der letzten fünf Jahre sein könnte. Denn trotz der sehr umfangreichen Spieldauer bekommen es die beiden hier hin, fast die komplette Platte mit echten Hits zu füllen, wobei vor allem die Beats von Metro Boomin mehr denn je glänzen. Beat It hat ein wunderbares Sample als Grundlage für eine fantastische Hook, in Luv Bad Bitches macht der Refrain mit Brownstone alles noch ein bisschen besser, Always Be My Fault und One Big Family haben geniale Achtziger-Instrumentals und in Jealous fühlt sich Future mehr denn je in einem Bett aus fluffigem R'n'B wohl. Apropos Future: Auch der ist textlich hier so auf Zack wie lange nicht mehr und liefert konsequent ab, wobei er glücklicherweise auch von durch und durch klasse platzierten Gastperformances unterstützt wird. Neben den insgesamt drei Auftritten von the Weekend, die allesamt Highlights sind, beeindruckt mich vor allem mal wieder J. Cole mit einer angenehm unernsten Strophe in Red Leather. Und gerade wenn man denkt, das beste sei vorbei, gibt es mit dem sieben Songs starken Appendix-Dingens ganz zum Schluss nochmal einen ganzen haufen mehr Hits, die in ihrer Gesamtheit fast wie ein riesiges Medley von unterschiedlichen Stimmungen funktionieren. Vom ersten bis zum letzten Song kann ich also mit vollem Ernst sagen, dass ich bei diesem Album aus dem Staunen nicht mehr heraus kam und am Ende nicht nur positiv überrascht wurde, sondern geradezu begeistert bin. Und wo ich sicher weiß, dass Future prinzipiell solche Alben kann und immer wieder erscheinen, weiß ich eben auch, dass die Luft zwischendrin recht dünn werden kann. Weshalb das hier ein Album ist, dass das Zeug hat, mich über die nächste größere Durststrecke zu bringen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11




CASTLE RAT
Into the Realm
King Volume

Spannendes Debütalbum einer New Yorker Band, bei der man schon im optischen Auftreten recht gut den immensen Einfluss erahnen kann, den die erste Generation Heavy Metal darauf ausübt. Castle Rat haben nicht nur einen richtig dämlichen Bandnamen, ein nicht weniger dämliches Logo und eine Sängerin, die sich "the Rat Queen" nennt und mit ihrer ineffizient freizügigen Rüstung die dümmsten Videospiel-Klischees wahr macht, sie klingen dabei auch herrlich nach Black Sabbath, Rainbow und Iron Butterfly. Das ist sehr retro und mitunter auch ziemlicher Zirkus, dahinter stehen auf Into the Realm aber immerhin neun richtig gut gemachte Songs, die das ganze Schaulaufen irgendwie gehaltvoll machen. Mein persönliches Highlight ist dabei das düster-melancholische Cry for Me, das hier auch von zwei sehr stimmigen Interludes gerahmt ist, empfehlen kann ich aber die ganze Platte.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





NIA ARCHIVES
Silence is Loud
Island | Universal

"Amy Winehouse mit Breakbeats" wäre wahrscheinlich der passende Elevator Pitch, um das Debüt dieser britischen Künstlerin knackig zu beschreiben, was erstmal komisch klingt, hier aber ziemlich super funktioniert. Was Nia Archives dabei ungemein hilft ist, dass ihr Songwriting oft extrem eingängig ist und sie in Form von Tracks wie Cards On the Table, F.A.M.I.L.Y. und Killjoy! ein paar ziemliche Banger an der Spitze hat, die die Eingewöhnung ungemein erleichtern. Auch die beiden von der Sache her sehr unterschiedlichen Hauptästhetiken aus smoothem Neo-Soul und kantigen Jungle- und D'n'B-Beats kollidieren auf Silence is Loud eigentlich nie und bilden in den besten Momenten sogar großartige Symbiosen, die für einen sehr wirkmächtigen Vibe sorgen. Ein bisschen schade ist es dann , dass Nia nicht die beste Texterin ist und das Album zumindest ein bisschen daran krankt, dass sie diesen Aspekt der Songs doch mehr in den Mittelpunkt stellt, als das eigentlich sein müsste. Ruiniert wird die Platte dadurch aber in keinem Moment und kann sich im Zweifel immer auf eine gute Hook oder einen fetzigen Groove verlassen. Und das zeigt allermindestens Wachstumspotenzial, dass diese junge Künstlerin gerade hat und mich auf jeden Fall dazu veranlasst, gespannt auf ihre weiteren Schritte zu sein.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




PEARL JAM
Dark Matter
Monkeywrench

Nach den wirklich furchtbaren letzten zwei Alben voller schnarchiger Dadrock-Romantik und schlimm gealterten Grunge-Klischees ist Dark Matter zum ersten Mal seit mindestens 15 Jahren wieder ein einigermaßen hörbares Pearl Jam-Album, was schonmal gut ist. Die Band versucht hier weniger krampfig, gesellschaftlich relevante Rockmusik zu schreiben und klingt stattdessen auf würdigere Weise gealtert, weil sie auch ruhigere Songs schreibt. Die sind dann zwar auch größtenteils ziemlich abgehangener Boomer-Quark und keine großen Würfe, aber immerhin etwas besser gemacht und somit eher langweilig als effektiv peinlich. In den Instrumentals mag ich hier am liebsten die Stellen, in denen das Songwriting etwas thetralischer wird und die Band etwas Tom Petty-haftes entwickelt, die kommen aber seltener als erhofft. Und was immer an Komposition und Performance gut ist, ruiniert ziemlich konsequent Eddie Vedders elendes Geröhre, das mich mit jedem Album ein bisschen mehr nervt. Eine ziemlich ungeile Angelegenheit bleiben Pearl Jam also auch hier, wenngleich diese Platte zumindest für mich ein bisschen ihre Würde rettet.

🔴🔴🔴🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 05/11





TAYLOR SWIFT
the Tortured Poets Department
Republic

Es gibt in meinen Augen vielleicht zwei richtige Arten, sich rezensierenderweise diesem Album zu nähern, von denen die hier vorliegende auf keinen Fall die richtige ist. Die erste davon wäre eine tiefgreifende lyrische Auseinandersetzung auf minuziöser Ebene, die alle Details und thematischen Verbindungen analysiert und in den entsprechenden Kontext setzt. Die zweite das schlichte Resümee, dass the Tortured Poets Department ein durchaus gutes, aber verhältnismäßig unsprektakuläres neues Taylor Swift-Album geworden ist. Und ja, beides stimmt in meinen Augen irgendwie gleichzeitig. Musikalisch tritt die Künstlerin hier auf der Stelle, beruft sich auch bewährte Stilmittel und schreibt die erste Platte seit langem, auf der direkte Hits und wirklich eingängige Momente sich erst nach lägerer Zeit erschließen. Was aber nicht schlimm ist, denn umso mehr fasziniert sie erneut durch ihr Können als Texterin, mit dem sie herrlich viele Details und Quoatbles in den Songs versteckt. Im Gegensatz zu ihren Pandemie-Alben Evermore und Folklore ist das Ziel dabei durchaus Pop, allerdings deutlich subtiler als auf ihren wirklich poppigen Sachen in der Vergangenheit. Inhaltlich haben viele wegen der selbstbezogenen Inhalte auch einen Vergleich zu Reputation aufgemacht, was mich ehrlich gesagt ein bisschen wundert, sehe ich darin doch viel größere Parallelen zu einer LP wie Red: Eigentlich zu privat und mit bitterem Gossip beschäftigt, um mich wirklich abzuholen, aber songwriterisch auch zu gut, als dass ich mich dem entziehen könnte. Gerade in Songs wie But Daddy I Love Him, I Can Do It With A Broken Heart oder Who's Afraid of Little Old Me, die für mich allesamt Highlights sind, strahlt Swifts erzählerische Kraft über die enervierenden Themen und strotzt vor zitierfähigen Meme-Zeilen (siehe die "asylum"-Line in letzterem Track). Auch den Closer Clara Bow möchte ich als persönlichen Favoriten benennen, auch wenn es mich krass irritiert, wie Swift in der letzten Strophe ihren eigenen Namen singt. Richtig doof finde ich am Ende eigentlich bloß the Smallest Man Who Ever Lived, in dem Swift einfach unter ihrem Niveau ätzt und auch songwriterisch zu blass erscheint. Und nur damit das klar ist: Alles hier gesagte bezieht sich lediglich auf die "normale" 65-Minuten-Version von Tortured Poets Department, die ursprünglich erschienen. Ausufernde Deluxe-Releases interessieren mich bei dieser Künstlerin schon lange nicht mehr.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





HIGH ON FIRE
Cometh the Storm
MNRK Heavy

High On Fire sind nicht nur im Kosmos des Sludge-Metal eine Band, vor der ich schon lange hochgradig Respekt habe und die während ihrer besten Zeit fast nur geile Alben gemacht hat, sie sind wahrscheinlich sogar eine der besten Metalbands der vergangenen zwei Jahrzehnte. Seit einigen Jahren fällt die Form- und Produktivitäts-Kurve aber bedauerlicherweise leicht ab, bei der die Band einen bisher noch näher zu definierenden neuen Weg einschlägt. Zum letzten Mal gab es 2018 ein Album mit frischem Material von ihnen, das nach einer ihrer besten Phasen Anfang und Mitte der Zwotausendzehner erstmals ein wenig mau war. Und so schade das ist, Cometh the Storm ist dessen konsequente Fortführung. Auch hier steht zwar nach wie vor ein stabiles Gerüst aus wuchtigem Sludge Metal, das so schnell keine fixe Idee der Band umwirft, mehr noch als beim letzten Album ist dieses aber trocken und spröde geworden und hat an Tempo und Kraft verloren. Und wenn die wenigen wirklich kreativen Momente des Albums sich dann auf klamaukige Exotik-Nummern wie Karanlık Yol beschränken, wird es auch nicht mehr viel spaßiger. Nach über fünf Jahren ohne neue Platte schon echt ein bisschen enttäuschend.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11





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