Sonntag, 26. Mai 2024

Die Wochenschau (20.05.-27.05.2024): Maeckes, Bladee, Melvins und und und...

 





CLOUD NOTHINGS
Final Summer
Pure Noise

Kann sein, dass ich mich falsch erinnere, aber so garagig wie auf dieser neuen Platte habe ich die Cloud Nothings zum letzten Mal wahrscheinlich im Frühjahr 2012 auf ihrem karriereprägenden Album Attack On Memory erlebt. Zumindest den markigen Strokes-Einschlag hatten sie seitdem nicht mehr so oft drauf, und der geht hier mit einer gewissen Euphorie einher, die echt erfrischend ist. Bester Indikator dafür ist der eröffnende Titelsong, der einer der stärksten Einzeltracks der Band seit Ewigkeiten ist, aber auch Stücke wie Mouse Policy oder Silence gehen ordentlich nach vorne. Und wo ich damit ganz sicher nicht sagen will, dass es in der Zwischenzeit keine ebenso starken Platten von ihnen gab, ist Final Summer doch mal wieder eine, bei der das sofort auffällt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





BIG | BRAVE
A Chaos of Flowers
Thrill Jockey

Keine Ahnung, warum Big | Brave jetzt erst so richtig in meiner Peripherie auftaucht, da doch immerhin schon zehn Jahre seit ihrem Debüt ins Land gegangen sind und sie immerhin schon albumübergreifend mit Leuten wie the Body zusammengearbeitet haben, mit so einer Platte als erstem Eindruck kann aber auf jeden Fall nichts falsch sein. A Chaos of Flowers ist entweder Indierock mit der Energie von Drone Metal oder andersrum, so oder so brilliert es aber vor allem durch seine wunderbar ausbalancierte Mischung aus beidem, die ergänzt wird durch einen schnieken Albumflow und vor allem den herrlich charismatischen Gesang von Robin Wattie, der in fast allen Songs der rote Faden ist. Dafür, dass die Kanadier*innen kompositorisch so abstrakt bleiben, gibt es außerdem ein paar echte Banger wie den Opener I Felt A Funeral oder den Fast-Closer Quotidian : Solemnity.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11





DISORIENTATIONS
Lost Today
[PIAS]

Schon das Debüt dieser jungen Band aus Antwerpen beobachtete ich vor zwei Jahren mit einigem Interesse, mit dem Nachfolger wage ich nun die klare Prognose, dass Disorientations eine sichere Bank für Fans von klassischen Postpunk-Moods sind. Auch auf Album Nummer zwei klingen diese Belgier nach der etwas rockigeren Variante der White Lies und machen an sich nichts besonderes, vieles davon aber absolut solide. Wer also gruftigen Fledermaus-Punk mit Ian Curtis im Hinterkopf und ordentlich Rhytmik in der Vorhut gut findet, kann hier echt nichts falsch machen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





MELVINS
Tarantula Heart
Ipecac

Schon ungefähr seitdem ich denken kann sind die Melvins eine Band, die man als Musiknerd für ihre Großtaten in den Neunzigern und als gemeinsamer Nenner großer Indierock-Namen schätzt, die man auf ihren aktuellen Output bezogen aber eher wohlwollend ignoriert. Aktiv sind sie ja nach wie vor sehr, veröffentlichen sehr regelmäßig neue Alben und ab und zu gibt es dabei auch noch einen ganz spaßigen Einzeltrack oder so zu holen, das meiste ist aber dämlicher Experimentalrock-Klamauk, der keine Berge mehr versetzt. Tarantula Heart ist deswegen einigermaßen bemerkenswert, weil es eben doch mal wieder eine Platte ist, die sich als durchweg hörenswert herausheben lässt und nicht im Sumpf drollig-irrelevanter Noise-Pampe verschwindet. Dabei machen die Melvins stilistisch zwar nichts grundlegend anders als schon die vergangenen 20 Jahre, haben aber tatsächlich nur gute Songs aufgenommen, die auch kompositorisch einigermaßen spannend sind. Der Hingucker unter den fünf teils sehr zeitintensiven Sludge-Dampfwalzen ist dabei mit Sicherheit das neunzehnminütige Pain Equals Funny zu Beginn, mein persönliches Highlight sind aber die zwei etwas flotteren und weirderen Tracks Allergic to Food und Working the Ditch im späteren Verlauf.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




BLADEE
Cold Visions
Trash Island

Die Diskografie von Bladee in den Zwotausendzwanzigern ist aus meiner Perspektive (die auf diesem Format auch hinreichend dokumentiert ist) eine von kontinuierlicher Überzeugungsarbeit, in der von den letzten vier bis fünf Alben jedes ein bisschen besser war als das davor und aus anfänglicher Skepsis gegenüber dem Stil des Schweden langsam echte Bewunderung wurde. Noch Mitte März gab es mit der Yung Lean-Kollabo Psykos das letzte ziemlich gelungene Album, das diesen Trend weiterführte und es gab eigenlich keinen Grund zur Annahme, dass diese Serie abreißen würde. Eine Platte wie Cold Visions ist an dieser Stelle also schon überraschend, weil Bladee hier seinen ersten großen Formabfall seit vier Jahren erlebt und in die embryonale Phase seines Sound zurückschnappt, aus der er sich bisher so kontinuierlich herauswand. An irgendeinem Punkt ist es aber vielleicht auch einfach der Lauf der Dinge, weil genau solche Sachen passieren, wenn man musikalisch immer ein bisschen im eigenen Saft kocht und zwar viel an den Details schraubt, aber die grundlegende Ästhetik nur unwesentlich verändert. Sind Bladee hier einfach die guten Ideen ausgegangen oder ist der Rückbezug zu einem älteren, unfertigeren Sound von vor ein paar Jahren eine ganz bewusste Entscheidung? Am Ende ist es vielleicht ein bisschen von beidem, so oder so ist das Resultat aber keine gute Entwicklung. Abgesehen davon, dass die Platte mit saftigen 63 Minuten auch einfach viel zu lang ist.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11





THE GOALIE'S ANXIETY AT THE PENALTY KICK
The Iliad and the Odyssey and the Goalie's Anxiety at the Penalty Kick
Count Your Lucky Stars

Es ist anzunehmen, dass dieses zweite Album von the Goalie's Anxiety at the Penalty Kick ein direktes Kind des Hypes um Black Country, New Road vor wenigen Jahren ist, erkennen kann man darin aber auch eine größere Indie-Vergangenheit. Ob bewusster oder unbewusster Einfluss, Teil von dieser Platte sind an vielen Stellen auch der leichte Midwest-Einschlag einer Band wie the World is A Beautiful Place & I Am No Longer Afraid to Die (mit denen man sich anscheinend auch die Vorliebe für uferlose Bandnamen teilt), den quirkigen Twee von Sachen wie the Burning Hell in den Texten, die reichhaltige Instrumentierung von Fanfarlo oder Arcade Fire und hier und da auch Spurenelemente von Sufjan Stevens und Joanna Newsom. Damit lässt die Band aus Philadelphia mehr als einmal den glorreichen Indie-Spirit der späten Zwotausender hochleben und klingt oft eins zu eins wie die Art Musik, die auch damals hätte existieren können. Was von jemandem wie mir, der zu dieser Zeit einen wichtigen Teil seiner musikalischen Sozialisation erfuhr, durchaus als Kompliment gemeint ist. Der große Hingucker-Song des Albums ist das ebenso niedliche wie großartig arrangierte April 25, nicht ganz so sehr mag ich die letzten drei Stücke der LP, samt und sonders der ziemlich seltsamen Bearbeitung von Clair de Lune, die als Closer nochmal in eine völlig neue Stimmung abbiegt, die als Abschluss doch eher verwirrend ist.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





MAECKES
Gitarren Album
Chimperator

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Wichtigste Feststellung zu Anfang: Die Bezeichnung des Gitarrenalbums greift hier nicht in der Weise, dass alle Songs im Sinne der ursprünglichen Gitarrenkonzerte von Maeckes nur auf dem namensgebenden Instrument performt sind und musikalisch ist vieles hier nicht "gitarriger" als schon die letzten zwei Studioplatten des Rappers. Der größte Unterschied zu denen ist am Ende, dass hier weniger ein kohärentes Album zusammengestellt wurde als eine Sammlung von Einzeltracks, Skizzen und Interludes, die mehr oder weniger ausführlich durchkompoiert sind. So sind einige davon wie Dein Name, Jaja oder das Intro zwar konzeptuell sehr elaboriert, aber irgendwie auch nicht mehr als Gimmicks, wieder andere wie die vierteilige Der Brand nach dem Feuerwehrfest-Saga einfach nur Songfragmente, die die LP mehr schlecht als recht rahmen. Ich mag es dabei grundsätzlich, dass Maeckes hier weniger astrakt textet als zuletzt auf Pool, trotzdem frage ich mich bei vielen Stücken, worum es darin eigentlich geht, beziehungsweise was sie aussgen. Und wo das ganz sicher nicht bedeutet, dass es hier keine profunden und schönen Momente gibt, finden diese sich doch eher in Details als in kompletten Songideen. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11




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