Sonntag, 17. März 2024

Die Wochenschau (04.03-10.03.2024): MGMT, Liam Gallagher & John Squire, Jacob Collier und und und...

 



MGMT
Loss of Life
Mom + Pop

Ein schlechtes Album ist Loss of Life auf jeden Fall nicht, dazu wissen MGMT Stand 2024 einfach zu gut, was sie können. Ein bisschen schwach auf der Brust wirken sie hier nach dem ziemlich unfickbaren Lauf der letzten 15 Jahre aber schon. Das liegt nicht daran, dass sie hier etwas ruhigere Songs mit weniger Hit-Fokus scheiben und dass sie stilistisch wieder mal einen kompletten Umschwung in Richtung glamrockiger Softpop-Gefilde machen, sehe ich sogar als Pluspunkt. In den besten Momenten klingt Loss of Life wie die Sorte Alben, die ich mir von einer Band Foxygen nach 2014 gewünscht hätte und channelt auf kreative Weise das Zeug, das die besten Phasen von David Bowie und T.Rex ausmachte. Ich will aber auch nicht beschönigen, dass die Platte nach den zwei Minuten des (zugegebenermaßen großartigen) Introtracks nicht mehr besser wird und MGMT songwriting-technisch quasi mit jedem Song weiter abflachen. In Dancing in Babylon holt Christine & the Queens noch eine akzeptable Menge an Action raus, aber spätestens mit dem Beginn der zweiten Hälfte sind die wirklich bemerkenswerten Momente hier passé. Und wo Songs wie People in the Steet oder der abschließende Titelsong schon irgendwie stimmig sind, gibt es insgesamt zu wenig an diesem Album, was mir wirklich hängenbleibt. Und das ist bei dieser Band in der Form zum ersten Mal in ihrer Karriere so.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11
 
 
 
 
 
 
 SLEEPYTIME GORILLA MUSEUM
Of the Last Human Being
Avant Night

 
 
 
 
 
 
Gerade im Bereich Progrock kann es mitunter echt Anstrengend werden, wenn lange Arbeitszeiten eine Rolle spielen und mit angeblich 20 (!) Jahren, in denen dieses hier in der Pipeline verbrachte, lässt es selbst endlose Tüftler wie Tool fast zweimal alt aussehen. In diesem Fall ist das Ergebnis aber kein zerdachter, kreativ totpolierter Epochal-Klumpen, sondern ein wahnsinnig kreatives Avant-Prog-Album, das die Frage beantwortet, wie Black Midi mit ein paar richtigen Entscheidungen in fünf Jahren klingen könnten. Klanglich pendelt es dabei zwischen nerdigem Gegniedel, sinfonischer Schöngeistigkeit und dadaistischem Exzess und meint das Prädikat Prog weniger als klangliches Abziehbild denn als wirkliches Andersdenken experimenteller Rockmusik. Dabei fädelt es geniale Momente unterschiedlichster Färbung hintereinander auf und bildet aus allem am Ende doch eine Platte mit einen unverwirrbaren roten Faden, die erstaunllich kohärent ist. Bonuspunkte außerdem dafür, dass sich das ganze trotz einer Länge von gerade Mal 65 Minuten wie eine monumentale Rockoper anfühlt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11




REMO DRIVE
Mercy
Epitaph

Gänzlich regeneriert haben sich Remo Drive nach ihrem ziemlichen Absturz vor vier Jahren mit A Portrait of An Ugly Man noch nicht, es tut ihnen aber gut, dass sie hier ein bisschen den Modus wechseln. So ist der gediegene Sound, der zuletzt ein Makel war, hier zur Methode geworden und auch ein bisschen besser aufbereitet. Was vor allem zur Folge hat, dass Mercy die Aufmerksamkeit (wieder) stärker auf die Komptenzen von Remo Drive als lyrische Band lenkt, die vor allem in Songs wie All You'll Ever Catch und New in Town durchkommt. Immer noch klingen sie hier aber im Durchschnitt langweiliger als auf ihren ersten beiden Platten und holen sich nicht deren starken Charakter zurück. Und ob sie mit dieser Ästhetik wirklich auf dem richtigen Weg sind, wird man wahrscheinlich auch erst beim nächsten Album sagen können.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11






KLEZ.E
Erregung
Windig

Auf ihrem ersten Album seit dem nicht von ungefähr so benannten Desintegration von 2017 machen Klez.e ein weiteres mal ihrem überbordenden the Cure-Fantum Luft und gleichen mit ihrem Gothpop den Szene-Legenden aus den Achtzigern zum Teil auf dreiste Weise. Und wäre es nicht um die kreativen Texte von Tobias Siebert, würde ich ihnen das vielleicht übel nehmen. So strahlt Erregung aber vor allem durch seine düstere Lyrik und definiert das Prädikat Goth als süßlich-finstere Schattenromantik mit echtem Hang zur Poesie aus. Besonders eindrucksvoll funktioniert das im eröffnenden Titelsong (der musikalisch quasi eine direkte Kopie von The Cures A Forest ist, aber Schwamm drüber), danach bleibt es größtenteils sensationsfrei, aber durchweg gut. Es wird sicher Leute geben, die eine Platte wie diese als Offenbarung des deutschsprachigen Postpunk ansehen können und gerne wäre ich einer davon gewesen, die Gewaltigkeit dieser Platte ist mir in zu vielen Momenten aber zu theoretisch. Trotz dieses Makels bleibt aber immerhin noch eines der besseren Projekte aus dieser Richtung in den letzten paar Jahren.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




JACOB COLLIER
Djesse Vol. 4
Hajanga | Decca | Interscope

Keine Ahnung, ob sich Jacob Collier für dieses Album direkt bei Peter Gabriel hat inspirieren lassen oder immer noch denkt, Justin Vernon hätte das alles erfunden. Aber auf jeden Fall ist diese Art von Musik die wichtigste und durchgängigste Assoziation, die ich mit Djesse Vol. 4 habe und am Ende auch die, die diesem Album die wertvollsten Songwriting-Momente entlockt. Denn obwohl ich hier wieder einmal grundsätzlich finde, dass Collier coole Songs schreiben kann und im Kern dieses Albums eine ehrliche, emotionale Kompositorik steckt (vielleicht sogar ehrlicher als je zuvor, so euphorisch und emotional, wie viele Songs hier sind), passiert mir Drumherum zu viel Schnickschnack. Das meint noch gar nicht mal die vielen Gäste auf dieser Platte (unter anderem Chris Martin, Stormzy, Shawn Mendes, John Legend und seine Mutter), die eigentlich ziemlich gut integriert sind und eine coole Art von Unvorhersehbarkeit und Vielseitigkeit einbringen, viel eher stört mich mal wieder Colliers kreative Streuung. Klar ist es irgendwie clever, innerhalb von Minuten von Latin Jazz zu Groove Metal zu wechseln, aber inwiefern dient man mit sowas der Botschaft eines Songs? Wäre es nicht um solche klugscheißerischen Ausbrüche, wäre Djesse Vier ein richtig gutes Album. So ist es ein ziemlich gutes, das sich für etwas besseres hält.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





MESSER
Kratermusik
Trocadero

Nach dem etwas enttäuschenden letzten Messer-Album No Future Days von 2020 stand bei mir im Vorfeld von Kratermusik ein bisschen die Frage, ob die Münsteraner es mit ihrem fünften Longplayer nochmal schaffen würden, wirklich etwas neues aus ihrem Sound zu machen. Und obwohl die Antwort hier unterm Strich schon irgendwie nein lautet, zieht die neue Platte den Flieger doch nochmal ganz gut an der Schnauze hoch und zeigt Messer in Details faszinierend. Sachen wie die deutlichen Dub-Einflüsse in gleich mehreren Songs, die nicht unspannenden Dynamiken im Songwriting und natürlich die Lyrik von Sänger Hendrik Otremba, der nach seinem Soloalbum vom letzten Jahr sein Vokabular unter anderem um die Begriffe "Seegraswaldalgengemäuer" (in Taucher) und "dumme Sau" (in Eaten Alive) erweitert hat. Ein bisschen seltsam finde ich an vielen Stellen seinen ungewöhnlich hohen und gepressten Gesang, der aber auch ein Versäumnis der Postproduktion sein könnte. Allgemein ist Kratermusik an vielen Punkten damit das spannendere Album als sein Vorgänger, ich muss aber auch ein weiteres Mal feststellen, dass es im Vergleich zu allem verblasst, was Messer vor 2020 gemacht haben.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




LIAM GALLAGHER & JOHN SQUIRE
Liam Gallagher & John Squire
Warner

Für Liam Gallagher ist das hier auf jeden Fall nicht das uninteressanteste neue Album. Nachdem er die letzten Jahre über in seinem Stil sehr festgefahren wirkte und ihn auch zunehmend verwässerte, findet er in Ex-Stone-Roses-Gitarrist John Squire hier nochmal einen Sparringpartner, der ihn herausfordert und anspornt. Das passiert zum einen durch die eher psychedelisch-bluesigen Unterlagen, die Squire schreibt und die ein bisschen Action in die Sache bringen, zum anderen scheint Gallagher für seine Verhältnisse hier auch erstaunlich rührselig und emotional. Gerade Songs wie der Closer Mother Nature's Song, in dem über die Schönheit der Natur gesungen wird oder das schnulzige Love You Forever wären dem ewig bockigen Griesgram früher nie über die Lippen gegangen und zur hippiesken musikalischen Ausgestaltung passt das eigentlich ganz gut. Ist Liam deshalb aber gleich besser als aus den Vorgängern? Vielleicht ein bisschen. Denn obwohl vieles hier spannender klingt als zuletzt und tatsächlich nochmal neue Türen für ihn als Musiker öffnet, fehlt immer noch eine Griffigkeit, die er inzwischen schon seit As You Were von 2017 nicht mehr hatte. Und mit diesem Sound als vielleicht beste Vorlage in Jahren ist das schon Schade. Denn eigentlich hätte ich gerne mal wieder ein richtig geiles Album aus seiner Feder.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11





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