Sonntag, 24. März 2024

Die Wochenschau (18.03.-24.03.2024): Ariana Grande, Judas Priest, Bleachers, Kim Gordon, Schoolboy Q und und und...

 




SCHOOLBOY Q
Blue Lips
Top Dawg | Interscope

Als der Typ, der 2016 mit der Blank Face LP die meiner Meinung nach immer noch beste Platte des gesamten Top Dawg-Kosmos gemacht hat, ist Schoolboy Q nach wie vor jemand, auf den ich große Stücke halte und auch sein letztes Album Crash Talk von 2019 war ja eigentlich schwer in Ordnung. Ich gebe aber auch gerne zu, dass es nicht mehr als das war und gerade bei den Wartezeiten, die man für eine Platte von ihm üblicherweise in Kauf nimmt, bedeutet "schwer in Ordnung" manchmal auch ein bisschen enttäuschend. So auch auf Blue Lips, das alles in allem ein äußerst kompetent gemachtes Hiphop-Album ist und von der vielseitigen Genre-Dynamik über clevere Texte, Flow-Technik, Sample-Picks bishin zu den Features sehr viel richtig macht. Als Gesamtheit ist es dabei aber mal wieder eher eine Sammlung vieler guter Ideen ohne wirklichen strukturellen Kern, der viel tolles auf einen Haufen wirft, aber wenig davon verbindet. Damit ist Schoolboy Q immer noch vielen Musiker:innen mit sehr ähnlichen Konzepten weit voraus, hinter seinem eigenen Können, das er in der Vergangenheit unter Beweis stellen konnte, bleibt er aber zurück. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11






MANNEQUIN PUSSY
I Got Heaven
Epitaph

Mit ihrem Mix aus Indie und Alternative Rock, der sich sehr bei einschlägigen Szene-Bands der Neunziger bezieht, sind Mannequin Pussy eigentlich eine Band von sehr vielen, der es stilistisch an Alleinstellungsmerkmalen zu mangeln droht. Auf ihrem mittlerweile vierten Album finden sie aber genügend Ablenkung, um das geschickt zu überspielen. Da gibt es ballerige Noise-Schwarten wie Ok? Ok! Ok? Ok! oder stimmungsvolle Leichtigkeits-Momente wie I Don't Know You, die echt faszinierend sind und sich am Ende zu einem echt guten Gesamtergebnis mit vielen kreativen Ideen aufsummieren. Noch dazu ist I Got Heaven klasse produziert und in sich sehr dynamisch, was nochmal richtig viel bringt. Wahrscheinlich eines von den Alben der Sorte, von denen man in dieser Qualität keinen Nachfolger erwarten kann, für den Moment ist das aber wurscht.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11






JUDAS PRIEST
Invincible Shield
Sony

Schon seit Redeemer of Souls vor inzwischen auch schon wieder zehn Jahren befinden sich Judas Priest inmitten eines beeindruckend glorreichen dritten Bandfrühlings, der bisher schon zwei überraschend starke Alben abwarf und bei dem die Band keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigt. Im Gegenteil, Invincible Shield ist als drittes LP-Produkt dieser (Quasi-)Serie in meinen Augen sogar das bisher stärkste. Von den elf Songs der Standardausgabe ist so gut wie jeder ein Hammer und sogar auf den Bonustracks der Deluxe-Version finden sich ein paar echte Banger. Judas Priest schreiben hier Hooks wie am ersten Tag, ihre Soli sind durchweg der Hammer und insbesondere die technisch nach wie vor anspruchsvolle Gesangsperformance des mittlerweile 72-jährigen Rob Halford ist gelinde gesagt verblüffend. Nach den Achtzigern klingen die Briten dabei in der Kompositorik noch ein bisschen, technisch gesehen ist Invincible Shield aber ein Album, das von der knackigen modernen Produktion absolut profitiert und eine Blaupause dafür liefert, wie Hochglanz-Metal von und für die Boomer-Generation auch in gut geht.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




ARIANA GRANDE
eternal sunshine
Republic

Ein paar Abzüge muss ich für die dummen Interludes auf dieser Platte machen, die die eh schon kurze Spielzeit von eternal sunshine unnötigerweise verwässern, abgesehen davon ist das hier meiner Meinung nach Ariana Grandes beste Platte seit mindestens Dangerous Woman von 2016. Es hat die gleiche innere Ruhe, die schon den Vorgänger Positions vor vier Jahren so gut machte, scheut sich aber zusätzlich nicht davor, Hits zu schreiben und strahlt am Ende vor allem durch seine Einzeltracks. Songs wie the boy is mine, we can't be friends oder yes, and? werden garantiert wieder welche sein, die auch als Singles Wellen schlagen und dass die Platte trotzdem herrlich kohärent ist, macht auch Alben-Nerds wie mich glücklich. Ganz abgesehen davon, dass Grande inhaltlich immer noch Songs übere innere Ruhe und ihre seelische Heilung schreibt, die mich irgendwie für die Künstlerin selbst happy machen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





KIM GORDON
the Collective
Matador

Unabhängig davon, wie ich the Collective musikalisch finde, muss ich erst einmal loswerden, wie sehr ich dieses Album für das bewundere, was es als Idee ausmacht. Da kommt eine siebzigjährige Kim Gordon, eine der vielleicht wichtigsten experimentellen Pop-Musikerinnen der letzten 45 Jahre mit ihrem gerade mal zweiten Soloalbum nach der Trennung von Sonic Youth um die Ecke und hat keinen Bock, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. The Collective reproduziert zwar irgendwo weiter den kantigen Avantgarde-Noisepop, den sie jetzt schon seit einer Weile macht, gleichzeitig klingt es aber auch immer wieder nach einem modernen Trap-Album mit fetter Hochglanz-Produktion und alles in allem nach einem sehr mutigen und zeitgenössischen künstlerischen Move. Und das ist als Mission Statement ganz einfach großartig. Ist die Platte deswegen gleich ein Meisterwerk? Nicht in jedem Fall. Ich mag viele der textlichen Ideen recht gerne, finde die rhythmische Energie der meisten Songs toll und verehre insbesondere den räudigen Memphis-Beat von the Candy House. In vielen Momenten funktioniert the Collective aber auch nicht über den Effekt des ersten Eindrucks hinaus und wird trotz aller Originalität recht schnell monoton. Gerade in der zweiten Hälfte verwaschen die Songs tendenziell ein bisschen und fühlen sich an, als hätte man das ein oder andere schonmal auf der selben Platte gehört. Weshalb ich das Endergebnis leider nicht so sehr mag, wie ich es gerne mögen würde und schlussendlich eher okay finde. Eines hat Kim Gordon hiermit aber geleistet: Wo mir ihr letztes Album von 2019 mehr oder weniger komplett egal war, kann ich jetzt gar nicht erwarten, wie sie von hier aus weitermacht.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11




MOOR MOTHER
the Great Bailout
Anti-

Dass ich mit dieser neuen Platte von Moor Mother wieder ein bisschen gebraucht habe, sei mir verziehen, denn es ist mal wieder keine wirklich bekömmliche geworden. Zwischen freiförmigem Free Jazz und elektronischen Noise-Schnipseleien setzt die Künstlerin aus Philadelphia hier eine Reihe von kunstigen Lyrik-Vorträgen, die ziemlich an die Musik von Matana Roberts erinnern und somit nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich eine Herausforderung darstellen. Zum Glück finde ich aber auch die Arbeit von Roberts klasse und nach einigem Zögern bin ich mir relativ sicher, hier die nächste wirklich gelungene Platte von Moor Mother gehört zu haben. Nicht nur klanglich, sondern vor allem konzeptuell. Die letztliche Überzeugungsarbeit leisteten dabei mehr als alles andere die Texte, was trotz des Rap-Hintergrunds von Moor Mother eine neue Erfahrung für mich ist. The Great Bailout ist ein Album über das globale Erbe des Kolonialismus und die dadurch nach wie vor herrschende Ungerechtigkeit, womit es von einem Thema handelt, über das diese Frau viel zu sagen hat und das ihr auch emotional wichtig zu sein scheint. Denn ihre historische Präzision in den Lyrics wird in vielen Momenten dieser Platte nur noch von der Giftigkeit übertroffen, mit der sie diese performt. Die Art, wie sie diese vorträgt, ist dabei gleichzeitig peotisch und direkt und hat auf der einen Seite eine große Kunstigkeit, die aber nie von der Message ablenkt. Toll finde ich auch, dass das Zentrum aus kurzen Tiraden, in denen es ordentlich zur Sache geht, vorne und hinten durch längere, etwas zurückgenommenere Jazz-Stücke gerahmt wird, die alles noch besser einbetten. Ein einfaches Album ist the Great Bailout damit definitiv nicht, insbesondere inhaltlich ist es aber ein weiterer linker Haken von Moor Mother, den ich gerne einstecke. Denn dahinter verbirgt sich sehr wahrscheinlich eines der wichtigsten Alben, die sie bisher gemacht hat.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11






BLEACHERS
Bleachers
Dirty Hit

Auf der einen Seite ist das neue selbstbetitelte Album von Jack Antonoffs Projektband Bleachers seinem Vorgänger von 2021 ja sehr ähnlich: Aus ihm spricht eine tiefe Verehrung für die Musik von Bruce Springsteen und der E-Street Band, das Saxofon ist vielleicht das wichtigste Instrument und zwischendurch lässt Antonoff seine Indie-Vergangenheit durchblitzen. Trotzdem finde ich, dass die neue Platte strukturell eine völlig andere Angelegenheit ist als seine letzte und in vielen Hinsichten auch um einiges besser. Oberflächlich subtiler und weniger Hit-orientiert komponiert findet Antonoff hier viel Liebe im Detail und macht dieses Album zu einer Erfahrung der kleinen Momente. Darüber hinaus ist die Produktion wieder wesentlich stärker (was bei jemandem wie ihm, der hauptberuflich Produzent ist eigentlich nichts besonderes sein sollte, zuletzt war das aber ernsthaft ein Problem von Bleachers) und vor allem fühlt sich das ganze nicht an wie ein nerdiges Forschungsprojekt über Aufnahme- und Kompositionstechniken, sondern wie ein Album mit Charakter. Was auch dadurch bestärkt wird, dass die Texte deutlich in den Vordergrund rücken. In einigen Songs gibt es diesmal Gäste, was weniger stört als befürchet und dass Antonoff in ein paar Tracks gegen Ende seinen inneren Justin Vernon channelt, ist eine spannende Überraschung. Für mich ist das hier damit die Platte, die die Idee des Vorgängers aufnimmt und damit auch wirklich arbeitet, statt sie nur zu analysieren.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




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