Sonntag, 3. März 2024

Die Wochenschau (26.02.-03.03.2024): Friko, AJ Suede, Tiken Jah Fakoly, Erika de Casier

 



FRIKO
Where We've Been, Where We Go From Here
ATO Records

Empfohlen wurde mir dieses Debütalbum des Chicagoer Duos Friko eigentlich als ein softes Indiefolk-Album der Marke Sufjan Stevens oder Laura Veirs, das seinen Fokus eher auf akustische Kompositionen setzt. Und wo es definitiv einige Elemente gibt, die auf Where We've Been dieser Richtung entsprechen, war ich beim ersten hören doch einigermaßen überrascht, so ein krachiges Album zu hören. Die gern weitergegebene Empfehlung würde ich also insofern abändern, dass Friko für mich eher nach dem folkigen Garagenrock mit klingen, den die Bright Eyes in den Zwotausendern spielten und der von Ezra Furman zwischenzeitlich mal richtig gut wiederbelebt wurde. Ein bisschen ist Where We've Been auch eine weitere solche Wiederbelebung, bei der diese Band den Sound ein weiteres Mal nutzt, um eine Reihe toller und hymnischer Songs zu schreiben, die vor Leidenschaft überquellen und auch ein Gespür für die Stellen haben, an denen diese Ästhetik Reibungen erzeugt. In diesem Sinne ist die Platte nicht nur eine Empfehlung für jene, die ihre Nostalgie für die Singer-Songwriter-Bewegung der mittleren Zwotausender kanalisieren wollen, sondern auch für die, die hier zum ersten Mal solche Musik hören und so sicherlich einen guten Einstieg in diese Stilrichtung finden.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11




AJ SUEDE
Opta Mystic
Knowhatimean
 
2023 hat der Rapper AJ Suede aus Seattle vier Alben veröffentlicht, kennengelernt habe ich ihn aber nicht dadurch, sondern durch seinen Slot im Vorprogramm von R.A.P. Ferreira letztes Jahr in Berlin, wo er ziemlich überzeugend war. Opta Mystic ist nun sein erstes von wahrscheinlich wieder zahlreichen Releases in der neuen Saison, das meinen guten Eindruck von ihm bestätigt. Zwar geht die ganze Platte nur 20 Minuten und ist stilistisch auch nur einen halben Schritt von den üblichen Verdächtigen des abstrakten Hiphop-Bingos wie Billy Woods, Earl Sweatshirt oder eben Ferreira entfernt, die Songs selber sind aber auf jeden Fall gut und glänzen mindestens durch ihr kreatives Sample-Picking. Auf jeden Fall ein Künstler, den man im Auge behalten kann, auch wenn mein Interesse aktuell nicht so weit geht, mir unbedingt seinen 28 Alben starken Backkatalog reinziehen zu wollen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11




TIKEN JAH FAKOLY
Acoustic
Sotigui

Acoustic ist für einen Einsteiger wie mich wahrscheinlich genau die richtige Platte, um mich 2024 mit dem Oeuvre eines lang gedienten Künstlers wie Tiken Jah Fakoly vertraut zu machen: Eine Compilation von Songs seines gesamten Katalogs, quasi ein Best-Of, neu interpretiert als Akustikversionen. Wobei "akustisch"in seinem Fall auch keine heruntergesetzte Minimal-Bearbeitung mit Schrammelklampfe bedeutet, sondern opulent instrumentierte Bandarbeit, die sich auch in Sachen Produktion nicht zurückhält. Das sorgt nicht zuletzt dafür, dass in vielen der Songs der vordergründig Reggae-hafte Vibe der Originale in den Hintergrund tritt und Platz für einen Flickenteppich aus Folklore-Techniken macht, die herrlich zusammen wirken. Das Ergebnis ist am Ende ein 19 Songs starkes Album, von denen vielleicht zwei etwas anderes als Begeisterung in mir auslösen. Wenn das Ziel also war, mein Interesse für das Schaffen dieses Künstlers zu wecken, ist das hiermit geschehen. Eines der ersten richtig großen Highlights des neuen Jahres.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11




ERIKA DE CASIER
Still
4AD

 
 
 
 
 
 
 
Sensational, das letzte Album von Erika de Casier, war eines von denen, das ich lieber noch stillschweigend von der Hinterbank beobachtete, weil ich darauf zwar eine Künstlerin mit mächtig Potenzial sah, die dieses in meinen Augen aber noch nicht wirklich ausschöpfte. Still ist zweieinhalb Jahre später nun der erwartbare Nachfolger mit größerem Produktionaufwand, mit dem die Portugiesin ihren verdienten Glowup als R'n'B-Nerdliebling durchzieht. Dabei macht sie unterm Strich ein besseres Album als Sensational, Schönheitsfehler wie das dämliche They Hate the Change-Feature in ice und ein paar Füllertracks schleichen sich aber noch immer ein. Empfehlen würde ich bei dieser Platte, sich die persönlichen Aha-Momente herauszupicken (die für mich vor allem in Songs wie Lucky und ooh zu finden sind) und De Casier erstmal als gute Einzeltrack-Künstlerin zu genießen. Obwohl ich meine Hoffnungen, dass von ihr irgendwann noch ein richtig geniales Gesamtwerk kommt, ganz sicher nicht aufgebe.
 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11
 
 
 

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