Samstag, 25. März 2023

Die Wochenschau (17.03.-24.03.2023): 100 Gecs, Yves Tumor, Trettmann, M83, Pöbel MC

 
 
 
 
100 gecs - 10,000 gecs100 GECS
10000 Gecs
Dog Show
 
Das Debüt von 100 Gecs vor vier Jahren war quasi sowas wie das Nevermind der damals aufkeimenden Hyperpop-Bewegung und für die frühen Zwotausendzwanziger sicherlich eines der bisher einflussreichsten Alben. Logisch haben sich Dylan Brady und Laura Les also schwergetan mit einem Nachfolger und pendeln im letztendlichen Ergebnis 10000 Gecs auch ein bisschen untentschlossen zwischen erfolgreicher und erzwungener Reproduktion des Vorgängers herum. Wobei auf jeden Fall klar ist, dass die Orientierung am Debüt in großem Maße stattfinden. Nicht nur in Form des allgemeinen Sounds und der Ästhetik der Songs, sondern auch durch effektive Wiederholungen bestimmter Parameter. So gibt es in Hollywood Baby wieder starke Pop Punk-Einflüsse oder mit Frog On the Floor erneut eine quotensichernde Skapunk/Polka-Nummer. Und wo diese Art und Weise an vielen Stellen potenziell kreativ ausgebrannt wirken konnte, kann man auch nicht bestreiten, dass die Gecs mit diesen Bausteinen immer noch gute Songs schreiben können, die trotzdem jede Menge Spaß machen. Was wir hier haben ist also ein bisschen eine Room on Fire-Situation, in der die Band den legendären Vorgänger vielleicht ein bisschen nachmacht, das aber wenigstens auch hinkriegt.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




Trettmann & KitschKrieg - 6 NullenTRETTMANN
KITSCHKRIEG
Insomnia
Soulforce


Sechs Jahre nach dem ja-schon-irgendwie-Überraschungserfolg #DIY von 2017, dem Album, das das Chemnitzer Szene-Urgestein Ronny Trettmann in seinem Karrierefrühherbst zum Megastar machte, folgt 2023 nun das letzte gemeinsame Album des Leipzigers mit seiner besseren Hälfte Kitschkrieg, die in der letzten Dekade Deutschrap sicherlich eine der berühmtesten Rapper-Producer-Symbiosen überhaupt war. Und obwohl ich beide Acts und ihre gemeinsamen Alben bisher eher okay als umwerfend fand und Grauer Beton noch immer sehr überschätzt finde, schaffen sie mit diesem Schwanengesang doch ein echtes Highlight, dass mich besser spät als nie mit ihrem beständigen Signature-Sound versöhnt. Das ist insofern ungewöhnlich, da die Kollaboration der beiden diesmal angeblich sehr viel loser war als auf den zwei Vorgängern, hatte aber vielleicht auch den Effekt, dass einige der eingefahrene Verhaltensmuster aus den letzten Jahren hier aufgebrochen wurden. Vor allem die Beats gefallen mir mit ihrer sehr minimalistischen und teilweise technoiden Art und Weise oft gut und auch die Texte von Trettmann sind durch eine tiefere Melancholie geprägt und stärker als je zuvor. Was aber nicht heißt, dass die beiden nicht trotzdem irgendwie Party machen und/oder den ein oder anderen souligen Deutschrap-Schärgstrich-Pop-Moment heraufbeschwören. So sind auch die Features diesmal wieder ein besonderer Hingucker und mit Lena Mayer-Landrut, Herbert Grönemeyer, Nina Chuba und Henning May jede Menge Starpower vertreten. Der große Unterschied zu den letzten Malen ist aber, dass all diese Gastbeiträge - so marginal sie manchmal auch sein mögen - gut zur jeweiligen Musik passen und die Platte eher abrunden als sie auszureißen. Mit dem letzten gemeinsamen Werkstück gelingt es dem Konglomerat hier also noch, mich von sich zu überzeugen und die Platte zu machen, die ich mir ein bisschen schon immer von ihnen gewünscht habe. Ein guter Abschied.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




M83 - FantasyM83
Fantasy
Mute


Die erste tolle Sache an Fantasy ist für mich ja schon, dass sich hier zum ersten Mal seit Junk von 2016 eine Platte von M83 wieder nach einem richtigen Album anfühlt. Denn so spannend und abwechslungsreich die ganzen Soundtracks, Remix-EPs und Spielereien wie DSVII zuletzt auch gewesen sein mögen, am Ende schätze ich die Franzosen doch noch am meisten als LP-Künstler. Wobei dahingehend direkt die nächste tolle Nachricht folgt, denn mit dieser neuen Platte ist das Duo aus Antibes klanglich zurück in der Dreampop- und Indie-geschwängerten Sphäre von Elektropop, die zuletzt Hurry Up, We're Dreaming von 2011 hatte, das eines meiner absoluten Lieblingsalben aller Zeiten ist. Und obwohl es auch ein bisschen quatsch wäre, es in direkten Vergleich damit zu setzen, macht es die ganze Nummer doch ein weiteres Mal ziemlich vernünftig. Diesmal ein bisschen mehr in den Siebzigern bei Einflüssen wie Tangerine Dream oder Brian Eno unterwegs und wesentlich ruhiger, macht es sich nicht so viel aus flamboyanten Einzeltracks, sondern wirkt eher als ganzes und überzeugt durch einen ansprechenden Flow. Ein Favorit wird es für mich dadurch zwar nicht unbedingt, es ist aber auch definitiv das stärkste Stück Musik von M83 seit gut und gerne sieben Jahren.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




YVES TUMOR
Praise a Lord Who Chews but Which Does Not Consume; (Or Simply, Hot Between Worlds)
Warp
 
Yves Tumor - Praise a Lord Who Chews but Which Does Not Consume; (Or Simply, Hot Between Worlds)Bekannte Probleme beim neuen Album von Yves Tumor: Wie schon 2020 auf Heaven to A Tortured Mind versucht und missglückt, probiert auch diese neue LP wieder, stilistisch sehr viel mitzunehmen und eine Idee von Monogenre zu verkaufen, scheitert dabei aber an der technischen Umsetzung. Was im Klartext heißt, dass sie vielen Einflüsse aus Soul, Jazz, Postpunk, Elektropop und Glamrock zwar auf dem Papier beeindruckend sind, allerdings immer wieder an einem nicht ganz so spannenden Songwriting und vor allem einer eher matschigen Produktion hängen bleiben, bei der einzig die Basslines wirklich fett sind. Wenn stilistische Fluidität in diesem Fall also mal wieder heißt, sich auf nichts so richtig festzulegen und stattdessen permanent in irgendeiner Grauzone festzuhängen, kann ich ein weiteres Mal sehr gut darauf verzichten. Und es schade finden, dass diese Art von Arbeit bei Yves Tumor langsam zum Trend wird.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 06/11




PÖBEL MC
Pöbel Sports Tape II
Audiolith

Schön zu sehen, dass Pöbel MC aka der MVP aus MVP weiterhin weiß, was er tut und es hier sogar noch ein bisschen verfeinert. Wie schon der Vorgänger Stress & Raugln von 2021 ist das neue Tape - der zweite Teil des Pöbel Sports Tape von 2019 - wieder eine sehr kurze, aber profunde Angelegenheit. In tighten 22 Minuten bringt der Rapper aus Rostock hier seine wie immer überaus begründeten und korrekten Standpunkte zu Szene und Gesellschaft aufs Band und findet dabei die richtige Balance aus Ansage und Spaß. Nicht mehr ganz so auf Party gepolt wie der Vorgänger (einzig Niemals sitt macht nochmal das buchstäbliche Fass auf) und in Songs wie Zyankalikink auch mit düsteren Kommentaren zu Themen wie Krieg und Militär ist PS2 damit vielleicht ein bisschen ernster, allerdings auch kein total verkopftes Thinkpiece und bietet abgesehen davon auch ordentlich Bangerpotenzial. Wobei der Hit, den ich wahrscheinlich noch den Rest des Jahres als Referentpunkt anbringen werde, hier auf den Namen Bock auf Crime hört und der eine Track ist, den man definitiv von dieser Platte hören sollte.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11




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